Deutsch-Ägyptische Wirtschaftskommission tagt in schwieriger Zeit

Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wünscht sich Ägypten mehr deutsche Investitionen. Für die ägyptische Seite sind auch die deutsche Wirtschaftsstruktur mit den dominierenden kleinen und mittelständischen Unternehmen und die Organisation der Berufsausbildung interessant.

Die ägyptische Regierung wirbt nicht erst seit der Wirtschaftskonferenz EEDC (Egypt Economic Development Conference) um Investoren. Deutsche Unternehmen blicken ihrerseits mit Interesse auf die Großprojekte in Ägypten. Mit dem Besuch von Präsident Abdelfattah Al-Sisi und der Sitzung der Gemischten Wirtschaftskommission sollen die wirtschaftlichen Beziehungen ausgebaut werden.

Deutsche Unternehmen in Ägypten sehen die nähere Zukunft optimistisch, erwähnen aber auch Hemmnisse wie Bürokratie und Energieknappheit.

Am 3. und 4.6.2015 fand der erste Besuch des ägyptischen Präsidenten Al-Sisi in Deutschland und zugleich die zweite Sitzung der Gemischten Wirtschaftskommission statt. Die Kommission bringt Regierungsvertreter und Unternehmer aus beiden Ländern zusammen.

Seit der EEDC in Sharm el-Sheikh im März hatte sich eine Verbesserung der wirtschaftlichen Beziehungen und ein stärkerer Dialog abgezeichnet. Dagegen bestehen in anderen Politikfeldern weiterhin verschiedene Auffassungen. So wird in Deutschland die mehrfache Verschiebung der Parlamentswahlen in Ägypten ebenso heftig kritisiert wie auch die Menschenrechtslage im nordafrikanischen Land. Dazu nahm Al-Sisi Stellung: "Auch wir in Ägypten lieben die Demokratie und die Freiheiten. Aber wir leben in einer sehr schwierigen Zeit."

Unter wirtschaftlichen Gesichtspunkten wünscht sich Ägypten mehr deutsche Investitionen. Für die ägyptische Seite sind auch die deutsche Wirtschaftsstruktur mit den dominierenden kleinen und mittelständischen Unternehmen und die Organisation der Berufsausbildung interessant.

In Deutschland stoßen unter anderem die neuen Hauptstadtpläne Ägyptens und weitere Großprojekte auf Aufmerksamkeit. Im Rahmen der Sitzung unterzeichneten Siemens-Konzernchef Joe Kaeser und Ägyptens Präsident Al-Sisi Verträge im Volumen von 8 Milliarden Euro zum Bau von hochmodernen Gaskraftwerken und Windparks.

 

Ägyptische Wirtschaft nimmt wieder Fahrt auf

 

Das Wachstum der ägyptischen Wirtschaftsleistung beschleunigte sich zuletzt deutlich. Nach einer Zunahme um rund 2 Prozent in den Jahren 2011 bis 2014 ist nun ein Plus von rund 4 Prozent in Reichweite. Für 2016 prognostiziert die Economist Intelligence Unit eine Steigerung um 4,6 Prozent. Die Regierung steht vor dem Spagat, die öffentlichen Finanzen zu konsolidieren und gleichzeitig den hohen Investitionsbedarf zum Beispiel bei der Infrastruktur, Bildung und Gesundheit zu decken.

Für deutsche Unternehmen bietet zum Beispiel der ägyptische Bedarf an Maschinen und Anlagen interessante Chancen. Im Land findet kaum Maschinenbau statt und für viele Projekte muss die Ausrüstung importiert werden. Bei Medizintechnik ist Deutschland das wichtigste Lieferland Ägyptens und die lokale Produktion ebenfalls gering. Zudem bauen Nahrungsmittel- und Getränkehersteller in Ägypten wegen des Bedarfs der wachsenden Bevölkerung und Exportchancen ihre Kapazitäten aus. Gute Perspektiven hat auch Umwelttechnik, beispielsweise im Abwassersektor.

 

Bilaterale Wirtschaftsbeziehungen können noch ausgebaut werden

 

Ägyptens ist für Deutschland nach den Vereinigten Arabischen Emiraten und Saudi-Arabien der drittwichtigste Handelspartner Deutschlands in der Region. Der Außenhandel zwischen beiden Ländern stagnierte während der Umbruchjahre bei etwa 4 Milliarden Euro, legte 2014 aber einen deutlichen Sprung auf 4,4 Milliarden Euro hin.

Das lag maßgeblich an einem Anstieg der deutschen Exporte nach Ägypten um 20,6 Prozent. Mit Abstand die höchsten Anteile an diesen Ausfuhrgütern hatten Maschinen (24,9 Prozent), chemische Erzeugnisse (21,1 Prozent) und Kfz (Kraftfahrzeug) sowie Kfz-Teile mit 16,6 Prozent. Sie standen zusammen für knapp 63 Prozent der Lieferungen aus Deutschland.

Deutsche Unternehmen sind auch weiterhin gefragte Partner für Handel, Investitionen und Kooperationen in Ägypten. Insgesamt erreichten die deutschen Direktinvestitionen im Land Ende 2013 einen Bestand von 1,16 Milliarden Euro. Der Nettotransfer betrug 2014 nur noch 6 Millionen Euro nach 724 Millionen Euro im Vorjahr. Große Investitionen aus Deutschland sind eher selten. Zumeist herrschen im Ägyptengeschäft Lieferungen oder einzelne Projekte vor.

Kurz vor den deutsch-ägyptischen Gesprächen in Berlin gab die AHK (Auslandshandelskammer) Ägypten die Ergebnisse einer Mitgliederumfrage bekannt. Für die ägyptische Wirtschaft rechnen 57 Prozent der deutschen Investoren und 73 Prozent der ägyptischen Unternehmen mit einer Ende 2015 verbesserten Situation. Deutsche Unternehmen in Ägypten bewerten ihre eigene Geschäftslage ebenfalls positiv (64 Prozent) und wollen überwiegend ihre Aktivitäten ausbauen. So planen 86 Prozent mehr Investitionen und ebenfalls 86 Prozent möchten neue Mitarbeiter einstellen.

Sowohl die derzeitige Lage als auch die Erwartungen sind also von Optimismus gekennzeichnet. Dennoch förderte die Umfrage auch Hindernisse für die Geschäftstätigkeit zutage. Als wichtigstes Problem identifizieren die deutschen und ägyptischen Befragten einmütig die Bürokratie. In zweiter Linie nennen sie Korruption, Inflation, Sicherheit und einen Mangel an Fachkräften sowie Devisen, Strom und Erdgas. Für mehrere der Schwierigkeiten zeichnen sich allerdings Verbesserungen ab.

Bezüglich ihrer Nöte mit der Bürokratie finden Unternehmen auch Gehör bei der ägyptischen Regierung. Eine Vereinfachung in Form eines one-stop-shop-Konzepts für Firmengründungen soll noch im Juni kommen, kündigte Investitionsminister Ashraf Salman in der Presse an. Dann müssten Interessierte nicht mehr 78 Genehmigungen bei verschiedenen Behörden einholen.

In der Praxis entstehen immer wieder Unsicherheiten in der Zeit zwischen dem Inkrafttreten eines Gesetzes und der Veröffentlichung seiner Ausführungsbestimmungen. Das stellt sowohl Unternehmen als auch Behörden vor Schwierigkeiten. Ausländische Firmenvertreter berichten auch von unterschiedlichen Regelauslegungen und Mentalitätsunterschieden in verschiedenen Regionen und Verwaltungen Ägyptens.

Die Devisensituation des Landes hat sich mit der Deponierung von 6 Milliarden US-Dollar durch drei Golfstaaten im April schlagartig verbessert. Das äußert sich auch durch außerplanmäßig hohe Dollarauktionen der Zentralbank CBE im Interbankenmarkt. Unternehmen, die auf die Eröffnung von Akkreditiven warten, hoffen nun auf eine bessere Versorgung der Banken mit Devisen.

Der Strombedarf kann rechnerisch mit den vorhandenen Kapazitäten gedeckt werden, jedoch sind nicht immer alle Kraftwerke mit voller Leistung am Netz und die Stromnetze teils erneuerungsbedürftig. Ägypten setzt auf neue Erzeugungsanlagen und einen breiten Energiemix mit Erdgas, Erdöl, Kohle, erneuerbaren Energien und Kernkraft sowie die etablierte Wasserkraft.

 

Hinweis

 

Anlässlich der Deutsch-Ägyptische Wirtschaftskommission hat Germany Trade & Invest (GTAI) die Publikation "Ägypten im Fokus" veröffentlicht. Diese stellt die wirtschaftliche Entwicklung sowie wichtige Branchen in Ägypten vor. Informationen über geplante Projekte sowie aktuelle Wirtschaftsdaten runden das Werk ab. Die Broschüre ist bei der GTAI als kostenloser Download erhältlich.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, 09.06.2015