Südkorea: Als Mathelehrer zum Multimillionär

Der Südkoreaner Cha Kil-yong ist Lehrer und verdient mit Online-Mathestunden Millionen. Bekannte Lehrer wie er avancieren in dem von Bildung besessenen Südkorea mittlerweile zu richtigen Popstars, die Werbung oder Musikvideos drehen.

Die Paukschulen und Online-Seminare sollen die koreanischen Schüler auf die Aufnahmetests der Universitäten vorbereiten. Die Schattenseiten des Drills: Verschuldete Eltern, Depressionen, Selbstmord.

Ein junger Mann mit zu Stacheln gegelten schwarzen Haaren grinst ein wenig debil in die Kamera. Neben ihm steht eine koreanische Fernsehschönheit mit makellosem Teint. Die beiden schwingen Glitter-Pom-Poms vor der Kamera und machen ein bisschen Ententanz. Alles sieht schwer nach K-Pop aus, einer koreanischen Musikrichtung mit sagenhaften Umsatzzahlen in Asien, die für ihre niedlichen, porentief-reinen Protagonisten und eine ordentliche Portion Hello Kitty-Kitsch bekannt ist. Für die langhaarige Dame in dem Musikvideo trifft das wohl auch zu. Das ist nämlich der koreanische Megastar Clara. Wer ihren Namen googelt, landet Millionen Treffer.

Ihr männlicher Duettpartner mit der Igelfrisur ist weder Schauspieler noch Sänger oder der Erbe von Samsung. Er ist: Lehrer. Mathelehrer. Für Tausende koreanische Schüler ist Cha Kil-yong eine ziemlich unersetzliche Person. Das hat ihn bereits zum Millionär gemacht.

So ein Mathelehrer hat in Südkorea einen ganz anderen Stellenwert. Während der Beruf im Allgemeinen und in dieser Fachrichtung im Speziellen in Deutschland eher unter dem Etikett Quäler, Sadist oder - netter - Langweiler läuft, kann ein Mathelehrer in Südkorea zum Superstar avancieren. Cha Kil-yong bereitet junge Schüler in Mathematik auf die beinharten Aufnahmeprüfungen für das College oder die Universitäten vor.

Er tut dies nicht in einer Schule, sondern online über seine Plattform sevenedu.net. Glutäugig und mit verheißungsvollem Gesichtsausdruck blickt er von seiner Homepage wie ein koreanischer Filmstar von einem Plakat. Auf sevenedu.net können Schüler Online-Kurse buchen. Sie sind so beliebt, dass Cha Kil-yong im letzten Jahr laut Washington Post damit acht Millionen Dollar (etwa 6,6 Millionen Euro) verdient hat.

Genannt werden diese Kurse, ob online oder in einer Schule, "hagwons". Auf Deutsch in etwa: Paukschule. In Südkorea dreht sich vieles um den perfekten Teint und alles um die perfekte Ausbildung. Die Paukschulen besuchen die jungen Koreaner nach ihren regulären Schulstunden. Zusätzlich. Die meisten Eltern stecken all ihr Geld und ihre Nerven in die Ausbildung ihrer Kinder. Das beginnt schon mit dem richtigen Kindergarten, der die Basis ist, um an der richtigen Grundschule angenommen zu werden, um auf das richtige Gymnasium wechseln zu dürfen und so weiter.

Die Lern-Obsession der Südkoreaner trägt Früchte. Bei Pisa schneiden sie immer hervorragend ab. Doch das System fault auch. Eltern verschulden sich für die Ausbildung ihrer Kinder. Die Schüler leiden unter dem Konkurrenzdruck, Depressionen sind die Folge. Immer wieder sorgen spektakuläre Selbstmorde von überforderten Schülern oder verzweifelten Eltern für Aufsehen.

Quelle: Süddeutsche.de, 03.01.2015