US-Ausbildung made in Germany

In den USA fehlen Hunderttausende Fachkräfte. Hoffnung verspricht sich US-Präsident Obama aus Deutschland. Ausdrücklich lobte er das deutsche duale Ausbildungssystem. Deutsche Firmen in den USA versuchen schon jetzt, es für ihre Lehrlinge anzuwenden. Aber sie ernten noch viele skeptische Blicke.

Drei Männer in schwarzen Hemden mit dem orangen Logo der Firma Stihl schauen gebannt auf einen kleinen Bohrer, der sich leise durch ein Stückchen Metall fräst. "Das wird ein Roboterarm, erklärt Lehrling Wayne Anderson, ein Glatzkopf mit zotteligem Ziegenbart und großen Löchern in den Ohren. Hinter den Dreien steht einer, der ein bisschen wie ein stolzer Vater aussieht: Thomas Kühne, der Ausbildungsleiter von Stihl.

Kühne zieht in der 230 Quadratmeter großen Ausbildungswerkstatt jene Fachkräfte heran, die in Amerika so dringend gebraucht werden: Mechatroniker, Werkzeugmacher, CNC-Maschinisten. (CNC: Computerized Numerical Control, deutsch: computergestützte numerische Steuerung).

Landesweit können Hunderttausende Stellen nicht besetzt werden, weil Spezialisten fehlen. Deutsche Unternehmen wie Stihl, Siemens oder VW investieren hier massiv in die Ausbildung von Fachkräften. Stihl-USA zum Beispiel bildet schon seit Ende der 70er-Jahre eigene Leute aus, sagt Vizepräsident Christian Köstler. Man müsse sich die Mitarbeiter heranziehen, sonst könne man nicht weiter wachsen.

 

Ein gutes duales Ausbildungssystem fehlt

 

Knapp 2000 Menschen arbeiten im Werk in Virginia Beach, die Geschäfte laufen gut. Stihl-Qualität wird in den USA und anderswo geschätzt. In der Fabrik, wo Kettensägen, Erdbohrer und Blätterbläser hergestellt werden, wird teilweise im 24-Stunden-Betrieb gearbeitet. Viele Abläufe sind hochtechnisiert, ganz viel ist computergesteuert.

Dafür braucht man qualifiziertes Personal. Aber ein gutes duales Ausbildungssystem mit praktischer Ausbildung im Betrieb plus Berufsschule - das gibt es nicht in den USA:

"Wenn eine Ausbildung fehlt, dann fehlt es an den Grundvoraussetzungen", sagt Ausbildungsleiter Kühne. Für ihn ist es nicht einmal leicht, geeignete Lehrlingskandidaten zu finden. Im aktuellen Jahrgang sind zum Beispiel von den acht Plätzen nur sechs besetzt.

Amerikanische Schüler, die aus der High School kommen, sind definitiv nicht reif für eine Ausbildung. Die Lehrlinge hier sind zwischen Ende 20 und Ende 30, manche haben vorher schon lange bei Stihl am Fließband gearbeitet, andere zum Beispiel beim US-Militär.

 

Unternehmen können Lehrpläne mitbestimmen

 

Lehrling Wayne Anderson stöhnt ein bisschen über das Lernpensum: Eine 40 Stunden-Woche bei Stihl, dazu an drei Abenden Berufsschule an einem nahe gelegenen College.

Die Zusammenarbeit mit dem College funktioniere gut, sagt Vizepräsident Köstler. Und weil kein Ausbildungs-Rahmenplan vorgegeben sei wie in Deutschland, habe Stihl praktisch alle Freiheiten, den Lehrplan nach Wunsch zu gestalten: "Man kann jedes Curriculum mitbestimmen und mitbeeinflussen und dementsprechend auch die Ziele festlegen, wie schnell einer durch das Programm geht."

Statt der üblichen vierjährigen Ausbildung soll es zum Beispiel bald einen Zweijahreskurs für Maschinisten geben, um so schnell wie möglich dringend benötigte Fachkräfte zur Verfügung haben.

US-Präsident Barack Obama lobt Deutschland in großen Reden als Vorbild, die deutsche Botschaft in Washington wirbt für das duale System. Trotzdem greifen amerikanische Unternehmen die Idee bisher nur zögerlich auf. Außerdem hat das produzierende Gewerbe in den USA ein Imageproblem - es gilt als schmutzig, schlecht bezahlt und ohne Karrierechancen. Viele Eltern wollen nicht, dass ihre Kinder diesen Weg einschlagen.

Der 39-jährige Lehrling Wayne Anderson singt dagegen das Loblied auf das deutsche Ausbildungsmodell. Zwar gibt der Vater von vier Kindern zu, dass es hart ist, jahrelang mit einem Lehrlingsgehalt auszukommen, aber er sieht die Zeit als lohnende Investition in die Zukunft.

Und auch für Stihl wird sich die Investition auszahlen, ist sich Vizepräsident Köstler sicher. Er zeigt auf das orange Firmenlogo und sagt: Diese Fachkräfte werden sich mit der Firma verbunden fühlen - und nach der teuren Ausbildung hoffentlich nicht zur Konkurrenz abwandern.

 

  • Von Sabine Müller, HR (Hessischer Rundfunk), ARD-Hörfunkstudio Washington

Quelle: Tagesschau.de, Die Nachrichten der ARD; Der Beitrag lief am 11.03.2013 um 14:36 Uhr auf RBB-Inforadio (RBB: Rundfunk Berlin Brandenburg)