Absatz durch Ausbildung

Ihre Fachleute müssen sich deutsche Firmen im Ausland oft selbst ausbilden. Mit Schulungen können sie aber auch ihren Absatz steigern.

Wenn Konzerne etwas an Ärzte und Krankenhäuser verkaufen wollen, rollt schon mal die große Marketingmaschine an. Für den Heidelberger Medizintechnikhersteller Geuder mit seinen gut 200 Mitarbeitern war das kein Weg, um in Indien den Absatz seiner Maschinen für Augenoperationen anzuschieben. Stattdessen ging der Augenheilkundespezialist eine Ausbildungskooperation mit dem Sankara Eye Hospital in Bangalore ein.

Das Zentrum führt jährlich 15.000 Augenoperationen durch. Das macht es auch zu einem gigantischen Ausbildungsbetrieb für Ärzte, die dort Kurse von bis zu 18 Monaten Dauer belegen.

Geuder überließ dem Krankenhaus 2010 preiswert einige Geräte und wartet sie kostenlos. Gleichzeitig vermittelte die Firma über ihre Händler Mediziner zur Fortbildung ans Hospital, bisher ausschließlich aus Indien, künftig aber auch aus anderen Ländern. Der Erfolg gibt ihr Recht.

"Nach ihrer Rückkehr kaufen selbstständige Ärzte gerne unsere Maschinen", sagt Elie Atallah, Internationaler Verkaufsleiter bei Geuder. "Das gilt auch für die Kliniken, die ihre Mediziner nach Bangalore entsandt hatten."

Dass in chinesischen Häusern immer mehr Porenbetonsteine verbaut werden, hat der Duisburger Baustoffproduzent Xella auch durch die Zusammenarbeit mit einer Hochschule geschafft. Mehrere Tausend Studenten des Zhejiang College of Construction haben seit 2005 den Umgang mit den Ytongsteinen des Unternehmens erlernt.

Inzwischen steht auf dem Campus ein Musterhaus aus Produkten meist deutscher Anbieter, in dem die angehenden Bauleiter und Bauplaner werkeln. "In China entscheiden die Planer über die Auswahl von Material und Technik", sagt Jens-Uwe Strehle vom Berufsförderungswerk (BFW) Bau in Leipzig, das die Schulungen in China durchgeführt hat.

"Deswegen kooperieren wir mit einem College; Fachschüler steigen in ihren Firmen nicht auf und Uniabsolventen sind zu weit von der Materie entfernt."

Aktuell schult das BFW für den österreichischen Baustoffhersteller Baumit den Umgang mit Putzmaschinen. Diese Geräte würden in China oftmals nicht richtig bedient und gewartet, wodurch sie bald stillstünden. Nur mit ihnen jedoch lässt sich Maschinenputz von Baumit verarbeiten – daher das Interesse der Österreicher an den Schulungen.

In den USA hat der Baumaschinenhersteller Bomag aus Boppard den Umsatz mit einzelnen Geräten seit 2009 mehr als verdoppelt. "Und zwar ganz maßgeblich durch Schulungen", sagt Produktmanager Timo Stenz. Mit dem Pick-up fährt er dort seine Rüttler, Stampfer und Grabenwalzen zu Händlern und Endkunden. Die lassen sich an den Maschinen einweisen und testen sie im Vergleich mit Konkurrenzprodukten.

Bei seinem Vertriebsaufwand legt der Mittelständler Wert auf Wirtschaftlichkeit und Effizienz. Deshalb setzt er für den Vertrieb seiner hochwertigen Geräte auf professionelle Schulungen und wird das Erfolgsmodell auch auf andere Länder ausdehnen.

"Die Fortbildungen", so Stenz, "müssen an die unterschiedlichen Märkte angepasst sein. Zeit ist Geld bei den Amerikanern, dort haben wir den in Deutschland üblichen Theorienanteil praktisch gestrichen. In Ländern wie Japan wird dies sicherlich ganz anders sein."

Beim Kauf eines Baggers redet der Fahrer schon mal mit. So ist dies zumindest bei mittelständischen Baufirmen in Europa, hat Jörg Miethke festgestellt. Er ist Exportleiter für Hydraulikbagger bei der Firmengruppe Liebherr in Kirchdorf/Iller.

Diese Klientel versucht der Hersteller nun verstärkt im Umgang mit seinen Maschinen zu schulen und dabei für Liebherr zu begeistern. "Nach Aussage unserer Kunden möchte auch unser Wettbewerber Caterpillar die Fahrer über die emotionale Komponente überzeugen", sagt Miethke.

Der US-Riese betreibt deshalb im spanischen Malaga an der Costa del Sol ein Schulungs- und Präsentationszentrum. In Skandinavien versuche namentlich Volvo und in den Niederlanden Hitachi mit Schulungszentren die Bindung an ihre Baggermarken zu stärken. In Baukonzernen und vor allem in Entwicklungs- und Schwellenländern funktioniere dies dagegen nicht, denn dort entschieden meist die Manager über die Beschaffung.

Der "Fahrschuleffekt" – ich kaufe, was ich kenne – lässt sich also längst nicht überall strategisch nutzen. Geschult wird normalerweise der Bediener oder auch Monteur einer Werkzeugmaschine – über den Kauf entscheidet jedoch der Hochschulabsolvent aus dem Management. Und in vielen Ländern trennt das Bildungssystem Ingenieur und Facharbeiter noch stärker als in Deutschland.

Diesem Umstand trägt in Vietnam eine Gruppe deutscher Firmen um den Dortmunder Getränketechnikhersteller KHS Rechnung. In einem von KHS gemeinsam mit der Beratungsgesellschaft gpdm initiierten Ausbildungszentrum werden seit September 2012 sowohl Mitarbeiter vietnamesischer Lebensmittelfirmen als auch Studenten der Ho Chi Minh City University of Food Industry geschult. "Primäres Ziel der deutschen Firmen ist es, über Bildung ein Branding zu erreichen und Absatzkanäle zu öffnen", erklärt gpdm-Berater Markus Kamann.

Ein Fortbildungsprogramm der Bundesregierung organisiert seit 1998 Praktikumsaufenthalte ausländischer Manager in Deutschland. Die Besucher belegen in den meist einmonatigen Kursen ein interkulturelles Seminar und lernen danach in einer deutschen Firma Personen und Abläufe kennen. Die Kosten hierzulande tragen deutsche Behörden und Firmen. Das Geld ist aber gut angelegt.

Die Organisatoren von der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit befragten ehemalige Teilnehmer aus Russland nach Geschäftskontakten aus ihren Praktika. Hochgerechnet auf das gesamte Programm kamen sie bis 2006 auf gegenseitige Lieferaufträge von mindestens 670 Millionen Euro – bei deutschen Ausgaben für das Programm von 46 Millionen Euro.

Für Elmar Dutt, Präsident der German Business Association in Vietnam, ist das Programm ein Erfolg. "Die meisten Teilnehmer machen nach ihrer Rückkehr in Vietnam einen Karrieresprung. Und bei Beschaffungen orientieren sie sich stark nach Deutschland."

 

  • Autor: Ulrich Binkert

Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Artikel aus "markets - Magazin für Märkte und Chancen", Ausgabe 01/2013, gtai.de/markets