Südafrika erlebt eine Bildungskrise ohnegleichen

"Unsere Berufsschulen sind schlecht ausgestattet, haben ein geringes Niveau und es gibt auch nur sehr wenige…", sagt Ian Scott, zuständig für Bildung an der Universität Kapstadt.

 

Südafrikas Schüler und Studierende sind nicht zu beneiden: Da erscheinen Lehrer, wenn überhaupt, schon mal betrunken im Klassenzimmer. Schulinspektoren sollen das ändern, doch die mächtigen Lehrergewerkschaften halten dagegen - während an den Unis 180.000 Studienplätze fehlen.

 

Ihr erstes Jahr an Universität von Kapstadt liegt hinter Aviwe. Die Studentin der Wirtschaftswissenschaften wird ihre Weihnachtsferien in Queenstown verbringen - bei ihren Eltern und ihren alten Schulfreunden. Viele von denen, erzählt sie, haben es nicht auf die Uni geschafft, weil es zu wenige Studienplätze in Südafrika gibt. Allein im Jahr 2012 sind 180.000 Bewerber leer ausgegangen.

 

"Einige sind ganz schön niedergeschlagen und denken auch nicht über Alternativen nach. Die machen jetzt einfach gar nichts oder sie werden kriminell. In diese Kreise kommt man ganz einfach rein und man kommt so auch schnell zu Geld. Es auf eine Uni zu schaffen dagegen ist wirklich nicht leicht, das geht nicht einfach so."

 

Rund 20 Prozent der südafrikanischen Steuereinnahmen fließen in den Bildungssektor - das sind im Jahr 20 Milliarden Euro. Und trotzdem läuft es nicht.

 

Es gibt zu wenige Studienplätze und die weiterführenden Schulen haben ein erschreckend schwaches Niveau - selbst im Vergleich zu Ländern wie Mosambik oder Simbabwe, die weit weniger Geld in Bildung investieren.

 

Junge Südafrikaner zwischen Studium und Arbeitslosigkeit

 

Ian Scott ist an der Universität Kapstadt für Bildung zuständig. Das Problem liegt in seinen Augen darin, dass es für Abiturienten eigentlich nur zwei Möglichkeiten gibt. Studium oder Arbeitslosigkeit.

 

"Unsere Berufsschulen sind schlecht ausgestattet, haben ein geringes Niveau und es gibt auch nur sehr wenige. Die meisten sehen sie gar nicht als Option. Und dass man direkt nach dem Abi einen Job bekommt, das gibt es so gut wie nicht. Das Ergebnis ist, dass wir drei Millionen Jugendliche im Land haben, vielleicht sind es sogar vier Millionen, die keinen Job haben, nicht an der Uni sind und auch sonst in keiner Ausbildung. Sie haben nichts zu tun und ihr Leben ist trostlos. Und ihre Perspektiven sind noch viel trostloser."

 

Für das erschreckend schlechte Niveau an Südafrikas Schulen werden vor allem die Lehrer des Landes verantwortlich gemacht. Beim ANC-Parteitag (ANC: Afrikanischer Nationalkongress) hat sich Präsident Zuma deshalb für die Wiedereinführung von Schulinspektoren starkgemacht.

 

20 Prozent der Lehrer erscheinen Montags nicht zum Unterricht

 

Hintergrund sind die hohen Fehlzeiten. Laut einer Studie der Regierung erscheinen 20 Prozent der Lehrer Montags nicht zum Unterricht. Gegen Ende eines Monats sind es sogar fast 30 Prozent. Schüler wie Nkosani, die bald ihr Abitur machen wollen, bringt das zur Verzweiflung.

 

"Wir Schüler machen natürlich auch Fehler und kommen manchmal zu spät zum Unterricht. Aber unsere Lehrer sind da weitaus schlimmer. Sie kommen betrunken zum Unterricht, und wenn sie zu spät sind, gehen sie erst mal im Lehrerzimmer einen Kaffee trinken, während wir draußen im Regen auf sie warten müssen. Das ist doch keine gute Bildung."

 

Inspektoren in die Schulen zu schicken, so wie zu Apartheidzeiten - Nkosani findet das gut. Und auch die Bildungsministerin kann der Idee viel abgewinnen. Bislang stemmten sich allerdings die extrem mächtigen Lehrergewerkschaften gegen diesen Plan.

 

Zwei Drittel aller Lehrer in Südafrika sind gewerkschaftlich organisiert. Hinzukommt, dass die Gewerkschaften an der Regierung beteiligt sind. Die Englischlehrerin Hellen George frustriert das zutiefst. Sie macht die Gewerkschaften für Südafrikas Bildungsproblem mitverantwortlich.

 

"Denen geht es doch nur darum, es ihren Mitgliedern recht zu machen. Die interessieren sich nicht für die Kinder und ihre Entwicklung. In meinen Augen sollten die Bildungsministerien die Gewerkschaften überstimmen. Sie müssen Inspektoren in die Schulen schicken und kontrollieren, wie die Schulleiter arbeiten. Und wenn die Lehrer nicht zur Arbeit kommen, dann muss man ihr Gehalt kürzen oder ihnen kündigen. Aber das geht in diesem Land nicht. Die können drei Mal in der Woche betrunken in die Schule kommen und man kann ihnen trotzdem nicht kündigen."


Quelle: Deutschlandfunk, Campus & Karriere, 19.12.2012