Exportschlager deutsche Bildung: Bildungsinitiativen in Lateinamerika

Das Interesse an deutschen Bildungsinitiativen in Lateinamerika ist groß. Zwei Beispiele

 

In der Metallwerkstatt sprühen die Funken, die Tischlerei riecht nach frisch gehobelten Spänen, im Garten knattern die Heckenscheren.

 

Das Berufsbildungszentrum EFPO am Stadtrand von Santiago de Chile hat werktags Hochbetrieb. Jedes Jahr lernen hier 650 Jugendliche aus den Armenvierteln ein Handwerk. Außerdem bietet der Träger "Cristo Vive" 950 weiteren jungen Menschen die Möglichkeit, etwa den Beruf des Kochs oder der Rechtsanwaltsgehilfin zu erlernen.

 

Vier Monate dauert ein Kurs, darauf folgt ein zweimonatiges Betriebspraktikum. Neben Praxiseinheiten und Theorie erhalten die Azubis psychosoziale Unterstützung und ein staatliches Stipendium von etwa vier Euro am Tag. Das ist besonders wichtig, denn die Zielgruppe gehört zur benachteiligten Bevölkerung in Chile.

 

Duale Berufsbildung nach deutschem Vorbild ist das Motto von Cristo Vive. Damit setzt die ökumenische Stiftung Maßstäbe im chilenischen Bildungssystem, das wie fast überall in Lateinamerika von privaten Anbietern dominiert wird.

 

Bildung ist in der Regel teuer, nur wenige Angebote überzeugen durch Qualität. Das Ergebnis ist eine extrem hohe Jugendarbeitslosigkeit. In Chile verlassen rund 80.000 junge Männer und Frauen die Schule ohne Abschluss. Hinzu kommen viele junge Menschen, die sich keine Ausbildung leisten können und damit keine Chance auf Integration in den Arbeitsmarkt haben.

 

Der Mangel an erfolgreichen Angeboten der beruflichen Aus- und Weiterbildung bietet deutschen Unternehmen gute Eintrittsmöglichkeiten auf dem lateinamerikanischen Markt.

 

"Wegen der nachfrage-orientierten und praktischen Ausrichtung seiner Qualifizierungsprogramme genießt Deutschland einen hervorragenden Ruf", sagt Markus Milwa, Direktor von "iMOVE". Die Initiative des Bundesministeriums für Bildung und Forschung unterstützt Bildungsdienstleister bei der Erschließung internationaler Märkte.

 

Nach einer Studie von iMOVE umfasste der deutsche Bildungsexport 2009 rund 9,4 Milliarden Euro. Davon nehmen die Aus- und Weiterbildungsangebote mit mehr als 0,7 Prozent einen besonderen Stellenwert ein, da dieses Branchensegment die größten direkten Exporteinnahmen aufweist.

 

"Mit diesem Volumen gehört die Bildung zu den bedeutenden und bisher unterschätzten Dienstleistungsbranchen in Deutschland", so Milwa. "Ihre Exporte übertreffen diejenigen von Versicherungsdienstleistungen (2,9 Milliarden Euro), Werbe- und Messeleistungen (3,8 Milliarden Euro) und Finanzdienstleistungen (neun Milliarden Euro)."

 

In einer aktuellen Broschüre stellt iMOVE acht Erfolgsgeschichten in Lateinamerika vor – die Stiftung Cristo Vive ist eine von ihnen. Gute Chancen haben auch mittelständische Unternehmen.

 

Ein anerkanntes Beispiel ist das baden-württembergische Steuerungs- und Automatisierungsunternehmen Festo. Bereits 1965 gründete die Firma die Tochtergesellschaft Festo Didactic, um der steigenden Nachfrage an qualifizierten Mitarbeitern in der verarbeitenden Industrie nachzukommen. Inzwischen arbeiten 500 Angestellte in 176 Ländern in der Aus- und Weiterbildung.

 

Vor zwei Jahren baute Festo Didactic ein Berufsbildungszentrum an der Don Bosco Universität in El Salvador auf. Hier lernen benachteiligte Menschen Mechatronik und andere Berufe der Automatisierungstechnik. Das Fortbildungsprogramm für Fachlehrer und Angestellte nahmen 2011 insgesamt 132 Interessenten aus El Salvador, Guatemala, Nicaragua und Honduras wahr, Tendenz steigend.


Quelle: deutschland.de, 12.11.2012