Deutsch-Russische Zusammenarbeit bei Ausbildung von Fachkräften

Wladislaw Below vom Zentrum für Deutschlandforschungen am Europa-Institut der Russischen Akademie der Wissenschaften äußerte sich gegenüber der Agentur RIA Novosti zum Russland-Deutschland-Jahr.

 

Below hält moderne und effektiv arbeitende Manager für eine wichtige Voraussetzung zur Erweiterung und Vertiefung der Wirtschaftskooperation beider Länder. Deswegen muss die Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Fachkräften fortgesetzt werden.

 

Dieses Jahr bietet gute Chancen, um der russisch-deutschen Wirtschaftskooperation neue Impulse zu verleihen – der Grundlage des ganzen Komplexes einer vielseitigen Zusammenarbeit zwischen unseren Ländern. Ohne die Bedeutung anderer Richtungen (politisch, kulturell, humanitär) herabzusetzen, würde ich behaupten, dass die Wirtschaftskontakte nicht nur unsere Beziehungen prägen, sondern auch der wichtigste Vektor für ihre Entwicklung sind.

 

Die Veränderungen im politischen System, vor allem die Gouverneurswahlen und der wachsende Wettbewerb zwischen den Parteien, die Justizreform, der Kampf gegen die Bürokratie und Korruption, die Wettbewerbsförderung, die Unterstützung des Klein- und Mittelunternehmertums, der WTO-Beitritt sollen die Attraktivität Russlands als Standort sowohl für russische als auch für deutsche Wirtschaftssubjekte erhöhen.

 

Das bedeutet vor allem eine deutliche Verbesserung der Voraussetzungen, um vergleichbare Wettbewerbsvorteile des Klein- und Mittelunternehmertums (insbesondere des deutschen) zu schaffen. Bislang sind mittlere und große Unternehmen der wichtigste Motor in unserer Wirtschaftskooperation.

 

Im Vergleich zur Gesamtzahl der Wirtschaftssubjekte gibt es noch zu wenig von ihnen. Sie bestimmen derzeit die Struktur des Austauschs von Waren, Dienstleistungen und Kapital. Es müssen sich deutlich mehr Unternehmen an dieser Wirtschaftskooperation beteiligen (hier ist die Entstehung einer großen Zahl von Firmen – "hidden champions" wünschenswert), um ein neue Stufe zu erreichen.

 

Das wird sich positiv auf den Handel zwischen den beiden Ländern auswirken, dessen Umfang im vergangenen Jahr laut russischen Angaben auf eine Rekordhöhe von 72 Milliarden US-Dollar gestiegen war. Deutschen Zahlen zufolge waren es mehr als 74 Milliarden Euro.

 

In beiden Fällen handelt es sich um einen Anstieg von mehr als 33 Prozent. Wie in den vergangenen Jahren machte der Unterschied zwischen beiden Kennzahlen rund ein Drittel aus, was in vielerlei Hinsicht auf die Besonderheiten der statistischen Erfassung in den beiden Ländern zurückzuführen ist.

 

Das hängt ebenfalls damit zusammen, dass ein Teil des russischen Öls und anderer Rohstoffe über Rotterdam nach Deutschland geliefert wird, was von der russischen Statistikbehörde Goskomstat als Lieferung in die Niederlande und nicht nach Deutschland in den Büchern registriert wird.

 

So gesehen ist Deutschland der größte Außenhandelspartner Russlands, obwohl nach offizieller Lesart nominell China ist.

 

Neben dem weiteren Anstieg des Umsatzes sollen die seit langem erwarteten Strukturreformen vor allem mit dem Ziel vollzogen werden, dass mehr russische Waren mit einem höheren Mehrwert in den Export gehen. Der Anfang soll im Rohstoffbereich gemacht werden. Danach soll es mit der Verarbeitungsindustrie weitergehen.

 

Der deutsche Markt lockt einerseits immer mehr russische Hersteller von Halbfabrikaten, Fertigerzeugnissen und verschiedenen Dienstleistungen an. Andererseits beginnt bei den deutschen Unternehmen langsam ein Umdenken in Bezug auf die Möglichkeiten und Aussichten der "Weltfabrik" China. Es ist nicht ausgeschlossen, dass Deutschland in den kommenden Jahren ihre Produktionsstätten von China nach Russland verlagert.

 

Damit hängt unmittelbar unsere Investitionskooperation ab. Bislang investieren deutsche Unternehmen deutlich mehr und vielfältiger in die russische Wirtschaft als umgekehrt.

 

Doch mit zunehmender Erfahrung und der Wettbewerbsfähigkeit der russischen Investoren wird der Abstand schrittweise kleiner, obwohl das nicht so leicht zu erreichen ist. Die deutschen Investitionen in die russische Wirtschaft waren in den vergangenen Jahren konstant und werden offensichtlich noch zulegen.

 

Doch die russischen Unternehmen haben einen ungenutzten Vorteil – eine hocheffektive Infrastruktur zur Unterstützung von ausländischen Firmen, die deutschlandweit oder in einem Bundesland tätig sind.

 

Effektives Management - Voraussetzung für vertiefte Wirtschaftskooperation

 

Doch auch in den russischen Regionen wird jetzt viel mehr als früher für die Wirtschaftsförderung getan. Federführend sind dabei die Gebiete Kaluga, Twer, Moskau, Nischni Nowgorod, Leningrad und Uljanowsk, die Republiken Baschkortostan und Tatarstan sowie Sankt Petersburg.

 

Sie entwickeln sich zu attraktiven Wirtschaftsstandorten und buhlen um ausländisches Kapital, vor allem deutsches. Dafür schaffen sie sehr günstige Rahmenbedingungen.

 

Eine wichtige Voraussetzung für die Erweiterung und Vertiefung der Wirtschaftskooperation ist das Vorhandensein von modernen und effektiv arbeitenden Managern – sowohl auf Staats- als auch auf der Unternehmensebene. Das betrifft beide Länder.

 

Deswegen muss die Zusammenarbeit bei der Ausbildung von Fachkräften fortgesetzt werden – von Schulen und Hochschulen bis zu speziellen Bildungsprogrammen. Dazu gehören auch viele gemeinsame Projekte, beispielsweise bei der Steigerung der Energieeffizienz, der viel Aufmerksamkeit geschenkt wird.

 

Meines Erachtens ist eines der ergebniswirksamsten Programme das seit 2006 in Realisierung befindliche Programm des russischen Ministeriums für Wirtschaftliche Entwicklung zur Organisierung von zweiwöchigen Aufenthalten deutscher Manager in verschiedenen russischen Regionen, das in Deutschland als "Fit für das Russland-Geschäft" bezeichnet wird. In diesem Herbst reisen deutsche Unternehmer nach Sibirien, in die Wolga-Region und nach Zentralrussland.


Quelle: RIA Novosti, Russische Agentur für internationale Informationen, de.rian.ru, 13.06.2012