Deutsche Firmen müssen sich am Golf besser präsentieren

Deutsche Unternehmen müssen am Golf mit einem Verlust von Marktanteilen rechnen. Vor allem mittelständische deutsche Firmen haben es zunehmend schwer, sich gegen die Asiaten und angelsächsische Berater durchzusetzen. Neueste Technik und ein wettbewerbsfähiger Preis sind lediglich Mindestvoraussetzungen. Auftreten, Persönlichkeit und Kontakte sind dagegen meist ausschlaggebend.

 

Die Staaten des Golfkooperationsrates (GCC) - Bahrain, Katar, Kuwait, Oman, Saudi-Arabien und die Vereinigten Arabischen Emirate (VAE) - dürften 2011 für schätzungsweise 280 Milliarden Euro Waren importiert haben, 13 Prozent mehr als im Jahr zuvor.

 

Deutschland lieferte in die Region Waren im Wert von rund 17,7 Milliarden Euro, lediglich 4 Prozent mehr als 2010 - ein Verlust an Marktanteilen.

 

Belastbar sind diese Zahlen allerdings noch nicht. Die arabischen Golfstaaten haben zum Teil noch nicht einmal ihre Handelszahlen für 2009 offengelegt, geschweige denn für 2011.

 

Der vermutete Trend lässt sich aber auch durch andere Beobachtungen erhärten. So blicken die GCC-Länder immer mehr Richtung Osten, weil sie dorthin ihr Öl und Gas liefern. Gleichzeitig steigt die Zahl hochrangiger Besucher aus Asien, sagen politische Beobachter und sprechen vor allem im Zusammenhang mit Südkorea und der Volksrepublik (VR) China von einer gut verzahnten Strategie von Wirtschaft und Politik.

 

Die Asiaten haben in der Vergangenheit nicht nur technisch dazugelernt, sondern ihren Markteintritt in die GCC-Staaten sehr sorgfältig vorbereitet und mit Hilfe unbedeutender Kleinaufträge die notwendigen Kontakte geschaffen. Wenn internationales Know-how benötigt wird, dann ist Korea (Republik) mittlerweile GCC-weit die erste Wahl, Deutschland dagegen, so eine Erhebung von Meed Projects, deutlich abgeschlagen.

 

Wer bei den einheimischen Entscheidungsträgern am Golf einmal vorsichtig und höflich nachfragt, was deutsche Unternehmen auf der Arabischen Halbinsel - insgesamt gesehen - besser machen könnten, bekommt nahezu immer die gleiche Antwort: Deutsche Firmen haben sehr gute Produkte, sind pünktlich und zuverlässig, aber sie sind schlechte Verkäufer. Angelsachsen, insbesondere die Briten, könnten das sehr viel besser und auch die Koreaner hätten in den letzten Jahren deutlich dazugelernt, heißt es.

 

Persönliche Kontakte entscheidend

 

Langjährige Kenner des Arabien-Geschäfts bestätigen dies. "Deutsche Qualität muss auch gut vermarktet und gut verkauft werden", sagt Dr. Peter Göpfrich, Chef der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer in Dubai, der neben den VAE auch für Bahrain, Katar, Kuwait und Oman zuständig ist. "Wir müssen da noch einiges hinzulernen und vor allem die Geduld mitbringen, persönliche Beziehungen aufzubauen. Den erhobenen Zeigefinger sollten wir dafür lieber zuhause lassen."

 

Germany Trade & Invest hat die Empfehlungen von Kennern der Region gebündelt. Nachstehend einige Tipps, die - gelegentlich etwas überzeichnet und sicherlich nicht allgemeingültig - den geneigten Leser für die Problematik sensibilisieren sollen.

 

Pluspunkte für Persönlichkeiten

 

Wer von arabischen Geschäftspartnern am Golf ernst genommen werden will, muss auf Augenhöhe sprechen. Dabei zählt kaum der Titel - jeder junge Assistent nennt sich hier schon Research Director - sondern nahezu ausschließlich die Persönlichkeit. So werden zum Beispiel Alter und Erfahrung besonders geschätzt, wenngleich aber auch jüngere Repräsentanten punkten können, wenn sie mit ausreichenden Vollmachten ausgestattet sind und die nachstehenden Kriterien erfüllen.

 

Der ideale deutsche Firmenrepräsentant ist eine Person von Welt: kommunikativ und extrovertiert, mit gutem Englisch, ausgeprägten sozialen Fähigkeiten, mit Manieren, Allgemeinbildung und ausreichenden Grundkenntnissen über die Arabische Welt. Die Produkte seines Unternehmens sollte der Repräsentant kennen - spezielle Fachfragen darf er gerne an einen Assistenten weiterreichen, der im Bedarfsfall einspringt.

 

"Wer sich auf internationalem Parkett bereits bewährt hat, braucht auch für die arabischen Golfstaaten keinen besonderen Vorbereitungskurs, in dem er etwa lernt, welche Themen er lieber meidet, wem er die Hand gibt und wem nicht", sagt Dr. Dalia Abu Samra-Rohte, stellvertretende Geschäftsführerin der Deutsch-Emiratischen Industrie- und Handelskammer in Abu Dhabi. Überall in der Welt würde man bei einem ersten Kennlernen nicht von sich aus persönliche Themen wie Religion, lokale Politik oder familiäre Dinge ansprechen.

 

Und an der Körpersprache des Gegenübers dürfte man sehr schnell erkennen können, ob ein Handschlag oder nur eine distanzierte Verbeugung angesagt sei, sagt Abu Samra-Rohte. Dass man in der arabischen Welt einer Frau normalerweise nicht die Hand reicht, sollte sich herumgesprochen haben, und dass ein kräftiger Männerhändedruck unüblich ist, lernt man auch recht schnell.

 

Beim Wissen über die Arabische Welt kommt es weniger auf auswendig gelernte Fakten an, als auf ein ehrliches Interesse für die Kultur und das Wertesystem der Gastregion. Dieses muss man sich nicht zu eigen machen oder für gut heißen, man muss jedoch bereit sein, sich damit intellektuell auseinanderzusetzen.

 

Im Klartext: Wer über die arabischen Bekleidungsgewohnheiten lästert, demonstriert damit, dass er an einer differenzierten Auseinandersetzung mit der Region nicht interessiert ist. Arabisch braucht man als Ausländer am Golf nicht zu sprechen, Kenntnisse können allerdings hilfreich sein.

 

Ein Dutzend arabischer Höflichkeitsworte wie "Danke", "Bitte", "Entschuldigung", "Guten Morgen", "Guten Abend", "Hallo" und "Auf Wiedersehen" sollten selbstverständlich sein. Ein tiefer Einstieg in den Islam ist nicht notwendig, wenngleich eine fundierte Allgemeinbildung wünschenswert ist.

 

Zu besonders wichtigen Gesprächen muss der Firmenchef aus Deutschland persönlich anreisen - auch wenn er selber kein gutes Englisch spricht und auf dem internationalen Parkett möglicherweise etwas unerfahren ist. Er muss auch nicht viel sagen, sondern kann das meiste seinem lokalen Repräsentanten oder auch einem Juniorchef überlassen - ein gelegentlich zustimmendes Nicken mit dem Kopf reicht.

 

So mancher ältere arabische Firmenchef am Golf beherrscht auch kein geschliffenes Englisch und kann auch keinen spannenden Vortrag halten. Fachgespräche oder Reden überlässt er deshalb gerne wohlwollend einem Jüngeren oder auch einem angelsächsischen Berater. Es ist durchaus beliebt, die eigenen Söhne bei Verhandlungen mitzubringen, damit sie das Geschäft vom Vater lernen. Ein deutscher Firmenchef, der einem Jüngeren eine Chance gibt, entspricht so voll dem arabischen Wertesystem und kann nur Sympathiepunkte sammeln.

 

Bei den vorgenannten Anforderungen an den Repräsentanten vor Ort versteht es sich von selbst, dass die arabischen Golfstaaten kein Markt sind, in dem man seine ersten Auslandserfahrungen sammeln sollte. Dies gilt übrigens nicht nur für die Person, sondern auch für das Produkt. Nur wer internationale Referenzen vorweisen kann, hat die Chance auf einen Geschäftsabschluss.

 

Besondere Sprachregelungen müssen beachtet werden

 

Die arabische Sprache kann eine sehr höfliche und blumige sein. Im Englischen geht das auch, im österreichischen Dialekt vielleicht auch noch, in der hochdeutschen Geschäftssprache eher nicht. Deutsche tun sich deshalb schwer, den arabischen Partner erst einmal für seine Weisheit oder seine Visionen zu preisen. Engländer scheinen damit ganz offensichtlich weniger Probleme (und Skrupel) zu haben.

 

Was aus deutscher Sicht schon als "Einschleimen" gilt, wird aus arabischer und englischer Perspektive oft noch als völlig normale Höflichkeit empfunden. Ob sich der deutsche Geschäftsmann nun treu bleiben oder verbiegen will, muss jeder für sich selber entscheiden. Wer kein perfektes Theater spielen kann, sollte es auf jeden Fall bleiben lassen.

 

Es dürfte allgemein bekannt sein, dass man in den arabischen Golfstaaten selten direkt zur Sache kommt. Potenzielle Partner müssen sich erst "beschnuppern". Wenn die Chemie nicht stimmt, sieht es für die Geschäftsbeziehungen schon mal schlecht aus. Dass solche Gespräche in höflichem, freundlichem Rahmen ablaufen, versteht sich von selbst.

 

Gewöhnungsbedürftig dürfte für viele Deutsche derweil sein, dass sie während Geschäftsverhandlungen ein paar Worte aus ihrem aktiven Wortschatz verbannen sollten. Ganz oben auf der Liste der unglücklichen Idiome stehen die in Deutschland so beliebten Worte "Problem" und "sparen".

 

Es gibt keine Probleme - nur Herausforderungen

 

In der stolzen Welt der Golfaraber gibt es, übertrieben formuliert, keine Probleme. Es gibt höchstens "challenges", Herausforderungen. Aus dem negativen "Riesenproblem" wird dann eine positiver klingende "gewaltige Herausforderung" (formidable challenge - was im Englischen sogar noch besser klingt als im Deutschen). Wer in Deutschland ein Problem lösen muss, darf am Golf eine Herausforderung bewältigen (to meet a challenge).

 

Eine Maschine ist auch nicht kaputt gegangen, weil sie falsch bedient wurde, sondern die Maschine muss noch einmal ordentlich gewartet oder optimiert und das Personal weiter geschult werden.

 

"Sparen" ist unterdessen geradezu ein Unwort. Vor allem die VAE und Katar sind Länder der ultimativen Verschwendung. Energie, Wasser, Nahrungsmittel - es wird alles in kaum vorstellbarem Maße vergeudet. Ein Auto ist toll und "classy" (ein lokales Lieblingswort), wenn es viel Hubraum und viele PS hat und dementsprechend jede Menge Benzin schluckt.

 

Die Golfstaaten verdanken ihren Reichtum, wenn nicht gar ihre Existenz, ausschließlich dem Ölhunger der Welt. Würden alle Autofahrer sparsame Kleinwagen fahren, wäre der Ölpreis im Keller und die Staaten müssten ihre Budgets herunterfahren. Da wird man am Golf kaum mit "schlechtem" Beispiel vorangehen.

 

In den neureichen arabischen Golfgesellschaften ist die offene Darstellung des Reichtums geradezu eine gesellschaftliche Notwendigkeit. Selbst bei bescheidenen Regierungseinladungen wird zum Beispiel in Saudi-Arabien oder in den VAE fünf bis zehnmal mehr Essen aufgetragen, als man überhaupt essen kann. Der Rest wird entsorgt.

 

Auch das öffentliche Dienstleistungsangebot ist auf Verschwendung ausgelegt: Die überdimensionierten Metrostationen von Dubai müssen mit unglaublichem Energieaufwand im Sommer herunter gekühlt werden, das große Shoppingcenter nahe des Emirates Palace Hotels in Abu Dhabi hat lediglich ein Dach aus Segeltuch.

 

Ein neues Auto, das Benzin spart, hat deshalb in der Sprachregelung am Golf ein "neues Aggregat, das leistungsfähiger, moderner und effizienter ist". Eine neue, gut isolierte Wohnung, bei der man Strom für die Klimaanlage spart, "kann besser, leichter, dezenter und gleichmäßiger gekühlt werden, ohne dass einem ständig der kalte Luftstrom um den Nacken streift und es an der Fensterseite deutlich wärmer ist als in einer schattigen Zimmerecke."

 

Auch Phrasen wie "das geht nicht", "das wäre zu teuer", "das macht keinen Sinn", "darf ich Ihnen das einmal erklären", "wenn sie das nicht verstehen, dann rufen Sie noch einmal an", "ich helfe Ihnen gerne" und ähnliches mehr, sind nach Möglichkeit zu vermeiden. Ganz schlimm ist die Wortwahl "Sie sollten" (you have to) in Verbindung mit einem oberlehrerhaften Zeigefinger. Insbesondere in den reichen Golfstaaten haben viele arabische Zeitgenossen ein persönliches Problem damit, dass sie auf all die Heere von Ausländern angewiesen sind, und dass diese eher ungeliebten Ausländer vieles besser können als sie selbst.

 

All die genannten Sprachtipps sind natürlich nicht allgemeingültig. Die Omaner sind zum Beispiel sehr viel bodenständiger als ihre Nachbarn in den VAE. Und selbstverständlich macht es einen Unterschied, ob ich etwa einen mittellosen Saudi-Araber vor mir habe - und davon gibt es viele - oder einen verwöhnten Prinzen. Das Fazit: Es kann lohnen, sich mit der Frage einer vorteilhaften Wortwahl auseinanderzusetzen.

 

Realistische Erwartungen beim Geschäftseinstieg

 

Wer mit lokalen Golfarabern Geschäfte machen möchte, muss in den meisten Fällen vor Ort präsent sein. Eine Arbeit von der angemieteten Wohnung aus ist offiziell nicht erlaubt. Mindestanforderungen sind in der Regel ein kleines Gemeinschaftsbüro, das als offizieller Firmensitz fungiert, und ein Sponsor oder eine Freizone. Beides ist mitunter schon für wenig Geld zu bekommen. Die ersten bürokratischen Schritte einschließlich der Einrichtung eines Firmenkontos können aufwendig und nervenaufreibend sein, mit professioneller Hilfe sind sie jedoch zu stemmen.

 

Danach fangen die Schwierigkeiten allerdings erst an: Auch wer das beste Produkt, den besten Preis und einen fähigen Firmenvertreter hat, braucht locker zwei Jahre, bis er weiß, ob sich ein Engagement lohnt oder nicht. Ein neuer Firmenvertreter, auch wenn er sehr gut ist, braucht eine lange Zeit, bis er die notwendigen Kontakte aufgebaut hat und als vertrauenswürdig eingestuft wird. Und erst dann kommen die ersten Aufträge.

 

Hinweis:

 

Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Weitere Informationen zum Thema - insbesondere zum Markteintritt und zu Delegationsreisen - bietet die Vollversion des Artikels "Deutsche Firmen müssen sich am Golf besser präsentieren", die auf der Internetseite von Germany Trade & Invest zum kostenlosen Download bereit steht.


Quelle: Germany Trade & Invest Online News, 20.03.2012