Ausländische Fachkräfte zieht es nach Russland

Der russische Arbeitsmarkt zieht hochqualifizierte Fachkräfte aus dem Ausland an. Vor allem Unternehmen mit mehrheitlich ausländischen Kapitalanteilen greifen bei der Besetzung von Schlüsselpositionen auf entsandte Mitarbeiter zurück.

 

Nach Angaben des Föderalen Migrationsdienstes sind im Jahr 2011 circa 11.000 Manager und Ingenieure auf der Grundlage des Gesetzes Nr. 115-FS "Zum rechtlichen Status ausländischer Bürger in der Russischen Föderation" eingereist.

 

Das Gesetz "Zum rechtlichen Status ausländischer Bürger in der Russischen Föderation" wurde 2010 verabschiedet. Somit liegen erste Erfahrungen für das Jahr 2011 vor: Demnach haben sich die neuen Bestimmungen für hochqualifizierte Fachkräfte mit einem Jahreseinkommen von über 2 Millionen Rubel (rund 50.000 Euro) als vorteilhaft erwiesen. Die Erteilung von Visa, Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen war für sie vereinfacht worden.

 

Von den 2011 eingereisten Fach- und Führungskräften verfügen nach Angaben des Föderalen Migrationsdienstes 10.300 Personen über befristete Arbeitsverträge mit Laufzeiten von bis zu drei Jahren. Die begleitenden Aufenthaltsgenehmigungen werden gleichfalls für einen Zeitraum von bis zu drei Jahre erteilt und können um jeweils drei Jahre verlängert werden.

 

Alle anderen eingereisten Fachkräfte sind Beschäftigungsverhältnisse von bis zu einem Jahr eingegangen. Unter den Aufenthaltsorten überwog Moskau mit 68,4 Prozent aller Fälle. Wichtigste Herkunftsländer sind laut dem Föderalen Migrationsdienst Deutschland, Großbritannien, die USA, Frankreich, die Türkei, die Volksrepublik China sowie die Ukraine.

 

Die meisten eingereisten Spezialisten nahmen eine Tätigkeit in der Immobilienwirtschaft auf mit 28,0 Prozent, gefolgt vom Groß- und Einzelhandel mit 21,5 Prozent, von der verarbeitenden Industrie (13,7 Prozent), der Bauwirtschaft (9,8), dem Finanzsektor (8,6), dem Bergbau einschließlich der Förderung von Öl und Gas (7,6) sowie dem Dienstleistungssektor (3,7 Prozent).

 

Das neue Aufenthaltsrecht hat im Fall hochqualifizierter Fachkräfte aus dem Ausland eines seiner Ziele, den Wissens- und Technologietransfer in der Industrie zu fördern, erreicht. Überproportional viele ausländische Spezialisten sind jedoch im tertiären Sektor wie der Immobilienwirtschaft und dem Handel tätig.

 

Vor allem Unternehmen mit mehrheitlich ausländischen Kapitalanteilen greifen bei der Besetzung von Schlüsselpositionen auf entsandte Mitarbeiter zurück.

 

Damit sollen unter anderem die Unternehmenskultur, interne Abläufe, die Zusammenarbeit der Auslandsniederlassungen mit der Zentrale, unternehmensspezifische Standards sowie die Qualität der in Russland produzierten Waren oder der angebotenen Dienstleistungen gewahrt bleiben.

 

Weiterhin obliegt es den ausländischen Führungskräften in der Regel, bis zum Ablauf ihrer zeitlich befristeten Arbeitsverhältnisse potenzielle Nachfolger aus dem Pool des einheimischen Personals auszubilden und über eine gewisse Periode hinweg fachlich zu begleiten.

 

Russische Arbeitsmarkt- und Sozialexperten bewerten die Tätigkeit gut bezahlter ausländischer Fachkräfte als positiv. Eine Verdrängung einheimischer Arbeitnehmer sei dadurch nicht zu beklagen, leisten hochqualifizierte Ausländer doch in der Regel Aufbauarbeit und besetzen eigens für sie geschaffene Führungs- und Kontrollpositionen. Im Gegenteil, im Fall von Nachbesetzungen kommt häufig russisches Personal zum Zug, das den Unternehmen weniger Personalkosten verursacht und das darüber hinaus mit der russischen Geschäftskultur bestens vertraut ist.

 

Sobald Niederlassungen ausländischer Unternehmen in die Gewinnzone kommen, lassen ein Personalwechsel in den Führungsetagen sowie die Übertragung der Geschäftsführung auf örtlich rekrutierte Fachkräfte meist nicht lange auf sich warten. Russland bildet dabei keine Ausnahme; eine ähnliche Entwicklung vollzog sich in der jüngsten Vergangenheit in anderen Ländern Mittelosteuropas.

 

Ausländische Unternehmensvorstände geben sich in der Aufbauphase einer Niederlassung vorsichtig und wollen die fachlichen Fähigkeiten der neuen örtlichen Managergeneration zunächst kennen lernen. Wie die Rossijskaja Gazeta in diesem Zusammenhang anmerkte, sollen unter anderem geschäftliche Unregelmäßigkeiten und Nepotismus nach dem anvisierten Führungswechsel ausgeschlossen werden.

 

Die Russische Vereinigung der Industriellen und Unternehmer (RSPP) sieht sogar einen fortgesetzt hohen Bedarf an ausländischen Fachkräften. Nur so lasse sich die Modernisierung der Wirtschaft beschleunigen. Neben Managern betrifft das Ingenieure, die mit dem neuesten Stand der Technik vertraut sind, denn diese werden in den strategisch wichtigen Branchen wie Erdöl- und Erdgaswirtschaft, Maschinenbau, Chemie sowie Elektronik und Elektrotechnik gesucht.

 

Diesen Tatbestand hat das Ministerium für Gesundheitsschutz und soziale Entwicklung zum Anlass genommen, um für die kommenden Jahre eine Reform der Hochschulausbildung vorzubereiten. Demnach würden neben den allgemeinen Abschlussexamina zusätzliche Kurse und Prüfungen eingeführt, wodurch die Absolventen enge Spezialisierungen erwerben und nachweisen können. Diese Spezialisierungen würden sich an den konkreten Bedürfnissen der Wirtschaft ausrichten, so das Ministerium. Bislang befindet sich die Abstimmung zwischen den Hochschulen und der Industrie in Ausbildungsfragen noch in den Kinderschuhen.


Quelle: Germany Trade and Invest, 16.03.2012