Schlüsseldaten Bildung in Europa

Eurydice, das europäische Netzwerk zur Information über Bildungssysteme und Bildungspolitik, veröffentlichte jetzt den Bericht "Schlüsselzahlen zum Bildungswesen in Europa 2012" (Key Data on Education in Europe 2012) in Zusammenarbeit mit Eurostat, dem statistischen Amt der Europäischen Union (EU).

 

Der Bericht gibt Aufschluss über die Veränderung der europäischen Bildungssysteme während der letzten Dekade. Für all jene, die in der Bildungsplanung mit Zahlen operieren, liegen nun mit dem englischsprachigen Report "Key Data on Education in Europe 2012" aktuelle Schlüsseldaten zur Bildung in Europa vor.

 

Der Bericht beinhaltet sowohl statistische Daten zur Bildung in Europa als auch Informationen zur Organisation und Entwicklung der europäischen Bildungssysteme in der letzten Dekade. Die Daten beziehen sich auf 33 europäische Länder mit ihren insgesamt 37 Bildungssystemen.

 

Höhere Bildungsabschlüsse bringen bessere Chancen am Arbeitsmarkt

 

Wie es viele Bildungsstatistiken schon festgestellt haben, bestätigt auch dieser Bericht: Höhere Bildungsabschlüsse bringen bessere Chancen am Arbeitsmarkt.

 

So können sich Akademikerinnen und Akademiker dem Bericht zufolge doppelt so schnell im Arbeitsmarkt integrieren als Personen mit einem geringeren Bildungsabschluss.

 

Hinsichtlich der Integration in den Arbeitsmarkt hat der Bericht aber einen Gender-Gefälle ausgemacht: Weibliche Studierende finden sich zwar in allen akademischen Bereichen in einer höheren Anzahl, bleiben aber im Schnitt eher arbeitslos als Männer. Der Anteil an Menschen mit tertiärem Bildungsabschluss ist seit 2000 in allen Altersgruppen gestiegen. Damit geht allerdings einher, dass ein zunehmender Anteil an Akademikerinnen und Akademikern (ein Fünftel) überqualifiziert für ihre jeweilige Arbeit ist.

 

Fairere Teilnahmemöglichkeiten an Bildung

 

Für Jugendliche wird der Besuch weiterführender Schulen zunehmend kostenlos.

 

Viele europäische Staaten, die für weiterführende Schulen Schulgelder einheben, haben in den letzten Jahren die Schulgelder vom Familieneinkommen abhängig gemacht oder sozial schwächere Familien vom Schulgeld befreit. Diese Entwicklungen gelten im Bericht als einer der Gründe für die Steigerung der Anzahl Schülerinnen und Schüler im sekundären Bildungssektor.

 

Im tertiären Bildungsbereich wurden in den letzten Jahren verstärkt Studiengebühren eingeführt. Gleichzeitig machen aber Studienzuschüsse und Studiendarlehen einen hohen Teil der öffentlichen Ausgaben aus (über 16,7 Prozent).

 

Qualitätssicherungssysteme im Einsatz oder in Entwicklung

 

In allen europäischen Ländern sind Qualitätssicherungssysteme im Bildungsbereich bereits etabliert oder sie werden gerade entwickelt. Dies sind vor allem Evaluierungssysteme (intern und extern) und Lernergebnis- beziehungsweise Leistungsüberprüfungen, beispielsweise in Form von nationalen Tests.

 

Qualifikationsniveau der Lehrenden gestiegen

 

Die Bildung der Lehrerinnen und Lehrer hat sich in Europa stark verändert. In den meisten Ländern ist sie auf Hochschulniveau. Ein Bakkalaureat ist die Minimumanforderung für die Ausübung des Lehrberufs.

 

Auch die Weiterbildung von Lehrenden hat sich verändert: Waren Lehrerfortbildungen 2002/2003 in den meisten europäischen Ländern noch optional, sind sie heute in 26 Ländern verpflichtend.

 

In manchen Ländern ist die Teilnahme Lehrender an Weiterbildung die Voraussetzung für Lohnerhöhungen und berufliche Aufstiegsmöglichkeiten.

 

Mehr Autonomie für Schulen und höhere Bildungseinrichtungen

 

Generell gibt es dem Bericht zufolge einen Trend zu einer höheren Autonomie für Schulen und höhere Bildungseinrichtungen - beispielsweise hinsichtlich des Personalmanagements oder der Administration. Der Lehrplan wird in allen Ländern zentral erstellt, die Schulen haben aber tendenziell mehr Freiheiten, die täglichen Bildungsaktivitäten zu gestalten, beispielsweise wenn es um die Wahl von Lehr-/Lernmethoden geht.

 

Formales Bildungssystem: Trend zu längeren Ausbildungszeiten

 

Dem Bericht zufolge wurden in Europa seit 1980 die Pflichtschulzeiten um ein bis zwei Jahre ausgeweitet, um den Erwerb von Grundkompetenzen zu sichern. So steigen Kinder heute früher ins formale Bildungssystem ein als noch vor zehn Jahren.

 

Jugendliche besuchen tendenziell häufiger weiterführende Schulen, nur in einigen Ländern stagniert der Anteil an weiterführenden Schulbesuchen.

 

Der Anteil der Studierenden im tertiären, universitären Bildungssektor ist im EU-Schnitt ebenfalls gestiegen (um rund 22 Prozent).

Laut Bildungsbericht droht großer Lehrkräftemangel

Einem aktuellen Bericht der Europäischen Kommission zufolge könnte es in einigen Mitgliedstaaten, darunter Deutschland, das Vereinigte Königreich, Italien, die Niederlande, Österreich und Belgien, in Zukunft zu einem erheblichen Mangel an Lehrkräften kommen.

 

Der Bericht "Schlüsselzahlen zum Bildungswesen in Europa 2012" wurde den EU-Bildungsministern am 10. Februar 2012 auf ihrer Tagung in Brüssel vorgelegt.

 

Aus dem Bericht geht hervor, dass die Zahl von Hochschulabsolventen für das Lehramt zurückgeht, während gleichzeitig viele der jetzigen Lehrkräfte das Rentenalter erreichen.

 

Der Bericht weist jedoch auch auf positive Zeichen hin: In den meisten Mitgliedstaaten ist die Mittelausstattung des Bildungsbereichs stabil. Außerdem hält der Bericht fest, dass ein Hochschulabschluss nach wie vor die beste Absicherung gegen Arbeitslosigkeit darstellt und für Hochschulabsolventen die Chance, schnell einen Arbeitsplatz zu finden, höher ist als für Nicht-Akademiker.

 

"Dieser Bericht ist ein wertvolles Instrument für politische Verantwortungsträger und liefert nützliche Anhaltspunkte für künftige Entscheidungen. Die berufliche Entwicklung der Lehrkräfte ist ein Schlüsselfaktor für eine hochwertige Ausbildung unserer Schülerinnen und Schüler. Aus diesem Grund stellt das Programm 'Erasmus für alle' (das neue von der Kommission vorgeschlagene Programm für allgemeine und berufliche Bildung und Jugend) darauf ab, die berufliche Entwicklung der Lehrkräfte zu stärken und gleichzeitig die Bildungssysteme zu modernisieren", so Androulla Vassiliou, EU-Kommissarin für Bildung, Kultur, Mehrsprachigkeit und Jugend.

 

Laut des Berichts sind gezielte Schulungsmaßnahmen für Lehrer, wie Mentoring oder Anleitung bei der Bewertung und Beobachtung der Klassenführung, in Europa nun stärker verbreitet. Gleichwohl reichen diese Maßnahmen nicht aus, um den Lehrberuf attraktiver zu machen.

 

Im Rahmen des Programms "Erasmus für alle" beabsichtigt die Kommission daher, zur Attraktivität und Qualität dieses Berufs beizutragen und 1 Million Lehrkräften die Möglichkeit zu bieten, Unterrichtserfahrung in einem anderen europäischen Land zu sammeln.

 

Der Bericht hält fest, dass der Anteil der Hochschulabsolventen gestiegen ist und dass diese doppelt so schnell einen Arbeitsplatz wie Geringerqualifizierte finden (innerhalb von 5 Monaten gegenüber 9,8 Monaten). Dies zeigt, dass das Ziel der Europäischen Union, den Anteil der Hochschulabsolventen bis zum Jahr 2020 auf 40 Prozent zu erhöhen, auf soliden Fakten beruht.

 

Tatsache ist allerdings auch, dass Hochschulabsolventen zunehmend für die von ihnen ausgeübte Tätigkeit überqualifiziert sind und bestimmte Berufe mit besseren Beschäftigungschancen verbunden sind als andere: Der Wahl des Studiengangs kommt somit wachsende Bedeutung zu.

Hintergrund

Der Bericht "Schlüsselzahlen zum Bildungswesen 2012" wurde den EU-Bildungsministern zusammen mit einem gemeinsamen Bericht des Rates und der Kommission mit dem Titel "Die allgemeine und berufliche Bildung in einem intelligenten, nachhaltigen und integrativen Europa" unterbreitet.

 

Der Bericht wurde gemeinsam vom Netzwerk Eurydice und von Eurostat ausgearbeitet.

 

Er skizziert die wichtigsten Entwicklungen der europäischen Bildungssysteme in den letzten zehn Jahren und liefert statistische Daten und qualitative Informationen zur Organisation, Verwaltung und Funktionsweise von 37 europäischen Bildungssystemen, von der Vorschulerziehung bis hin zur Hochschulbildung.

 

Die Daten werden über die nationalen Eurydice-Stellen, Eurostat und die internationale PISA-Studie 2009 (Programme for International Student Assessment) der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) erhoben. Der letzte Bericht mit Schlüsselzahlen zum Bildungswesen wurde 2009 veröffentlicht.

 

Die Veröffentlichung greift die Prioritäten für die europäische Zusammenarbeit auf dem Gebiet der allgemeinen und beruflichen Bildung und die europäische Strategie für intelligentes, nachhaltiges und integratives Wachstum auf.

 

Die 95 Indikatoren im Bericht betreffen unter anderem folgende Bereiche: demografischer Kontext, Bildungsstrukturen, Beteiligung, Ressourcen, Lehrkräfte und Verwaltungspersonal, Bildungsprozesse, Qualifikationsniveaus und Übergang zur Beschäftigung.

 

Das Eurydice-Netz stellt Informationen und Analysen zu den europäischen Bildungssystemen und -strategien bereit. Es besteht aus 37 nationalen Eurydice-Stellen mit Sitz in allen 33 Ländern, die am EU-Programm für lebenslanges Lernen teilnehmen (EU-Mitgliedstaaten, EFTA-Länder, Kroatien und die Türkei). Es wird von der EU-Exekutivagentur "Bildung, Audiovisuelles und Kultur" in Brüssel koordiniert und verwaltet.

Schlüsselzahlen zum Bildungswesen in Europa

Der aktuelle Bericht steht kostenlos auf der Eurydice-Internetseite zur Verfügung.

 

  • Englisch
  • 212 Seiten
  • Februar 2012

Quellen: erwachsenenbildung.at, 27.02.2012 (oben) und Pressemeldung Europäische Kommission, 10.02.2012 (unten)