Südkorea will mehr berufsorientierte Bildung

Südkorea wendet erhebliche Mittel für Bildung auf. Die staatlichen Aufwendungen werden durch hohe Ausgaben der Privathaushalte ergänzt. Dabei streben die Familien danach, dass ihre Sprösslinge auf eine möglichst renommierte Universität kommen, um später sicher einen Arbeitsplatz zu bekommen. Das Ansehen der beruflichen Bildung bleibt dahinter weit zurück. Dennoch wird diese Art Ausbildung gebraucht. Die Regierung unter Präsident Lee Myung-Bak, der selbst einmal an einer berufsbildenden Schule lernte, setzt dafür auf ein System von "Meisterschulen".

Korea (Republik (Rep.)) gab 2008 laut der OECD 7,6 Prozent seines Bruttoinlandsprodukts (BIP) für Bildung aus. Dies war Rang zwei unter den OECD-Ländern und deutlich mehr als der Wert für Deutschland (4,8 Prozent). Während der Unterschied bei den öffentlichen Ausgaben für Bildung nicht so groß ist (Südkorea 4,7 Prozent, Deutschland 4,1 Prozent), stehen private Ausgaben für den Großteil des Unterschieds (Südkorea 2,8 Prozent, Deutschland 0,7 Prozent).

Es sind die Eltern, die befürchten, ihre Kinder könnten im harten Wettbewerb um gute Arbeitsplätze oder einen angemessenen Ehepartner gegenüber ihren Altersgenossen zurückfallen. Die Folge ist eine hohe Bereitschaft, Geld für die Ausbildung der Kinder auszugeben.

Die meisten Schulabsolventen studieren. Laut OECD lag die Studienanfängerquote 2009 bei 70,7 Prozent der gleichaltrigen Bevölkerung (Deutschland: 39,7 Prozent). Dabei steht nicht wie in Deutschland das Studienfach im Vordergrund, sondern der Name der Universität. Wer die Zulassung zu einer der Universitäten Seoul National, Korea oder Yonsei (SKY) erhält, hat sehr gute berufliche Perspektiven in Korea (Rep.). In letzter Zeit haben auch Postech und KAIST an Renommee gewonnen. Die größte Hürde ist die Aufnahmeprüfung zur Universität, und die ohnehin besseren Schüler besuchen abends und am Wochenende zusätzliche Angebote privater Anbieter (hagwon), die gezielt auf die Universitätsaufnahmeprüfungen vorbereiten.

Der Traumjob der Kinder ist eine Stelle bei einer der großen heimischen Unternehmensgruppen wie Samsung, LG oder Hyundai. Stellen bei kleinen und mittelständischen Unternehmen sind - auch weil diese in Südkorea in der Regel schwach sind - deutlich weniger beliebt.

Vor diesem Hintergrund genießt die berufliche Bildung nicht die Aufmerksamkeit der Eltern und Kinder und zieht somit nicht die besten Köpfe des Landes an. So fehlt dem Handwerker- und dem Technikerberuf, sofern nicht in prestigeträchtigen High-Tech-Branchen, bisher das Ansehen, dass er in Deutschland genießt.

Die Zahl der Schüler an berufsbildenden Schulen sank von 811.000 (1990) auf 466.000 (2010). Davon entfielen 170.000 auf technische Oberschulen, 110.000 auf kaufmännische Schulen und 95.000 auf "comprehensive high schools", eine Mischung aus Ober- und Berufsschule. Zu den dort angebotenen Fachrichtungen zählen vor allem Elektronik, Informatik und Agrarwirtschaft.

Hinzu kommt, dass Absolventen berufsbildender Schulen es nicht leicht auf dem Arbeitsmarkt haben. Fanden noch 1990 mehr als drei Viertel aller Absolventen direkt nach ihrem Abschluss eine Stelle, fiel dieser Anteil 2010 auf weniger als 20 Prozent. Mehr als 70 Prozent setzen dagegen ihre Ausbildung fort, oft an Hochschulen und Universitäten.

Gleichzeitig sank auf der tertiären Ebene des Bildungssystems die Zahl der fast ausschließlich privaten zwei- bis dreijährigen berufsbezogenen Fachhochschulen von 161 im Jahr 1999 auf 145 im Jahr 2010 mit aktuell um die 770.000 Studenten. Die meisten studieren an Fachhochschulen mit einer Ausrichtung auf Sozialwissenschaften (192.000), Kunst und Sport (129.000), Medizin und Pharmazie (101.000) sowie Naturwissenschaften (53.000).

Die Regierung unter dem seit 2008 amtierenden Präsidenten Lee Myung-Bak, der selbst Absolvent einer berufsbildenden Abendschule in Pohang ist, will dem rückläufigen Trend bei der beruflichen Bildung entgegenwirken. Hintergrund ist unter anderem, dass viele Universitätsabsolventen nach dem Studium keine Arbeit finden. Die Regierung hofft, mit neuen Bildungsangeboten, mehr junge Menschen für die Berufsbildung zu gewinnen, damit diese später - sei es direkt nach der Berufsausbildung oder nach einem darauffolgenden tertiären Abschluss - leichter Arbeitsplätze finden können.

Dabei setzt die Regierung, neben den existierenden Systemen, auf den Aufbau von "Meister-Schulen". Das Wort "Meister" wurde dabei direkt aus dem deutschen übernommen, da das deutsche duale System sowie deutsche Handwerker- und Ingenieursarbeit in Südkorea ein hohes Ansehen genießen.

Ziel ist die Gründung von bis zu 50 berufsbildenden Meister-Schulen. Dies sind berufsbildende Oberschulen mit einer Spezialisierung auf ein bestimmtes Fach. Im Gegensatz zu den bisherigen Berufsschulen haben sie deutlich mehr Freiheit bei der Gestaltung ihrer Lehrpläne in Kooperation mit der Privatwirtschaft. Bereits 2009 nahmen die ersten zehn Schulen den Betrieb auf. Per Oktober 2011 stieg die Zahl auf 28. Die Schwerpunkte der jeweiligen Schulen reichen dabei von Maschinenbau und Automatisierungstechnik (6 Schulen), Elektronik, Halbleiter und Mobiltechnik (6) über Kraftfahrzeug (2) und Schiffbau (2) bis hin zu Biotechnologie oder Logistik.

Wie bei anderen Schulen gibt es keine Schulabgangsprüfung. Wer seine besondere berufliche Befähigung nachweisen will, legt - zum Teil nach einer gewissen Berufserfahrung - Fachprüfungen ab. Diese werden je nach Fachrichtung von Institutionen wie dem Human Resources Development Service of Korea, der Korea Chamber of Commerce and Industry oder der Korea Communications Agency organisiert.

Nachfrageseitig zeigt sich, dass eine Berufsausbildung auf dem Arbeitsmarkt durchaus auf Interesse stoßen kann. Laut Bildungsminister Lee Ju-Ho haben von den Schülern des ersten Jahrgangs in den Meisterschulen derzeit 70 Prozent bereits ein Jahr vor ihrem Abschluss Zusagen für einen Arbeitsplatz in der Tasche. Möglich machen dies demnach vor allem Kooperationsvereinbarungen mit Großunternehmen. Über Erfolge bei der Vermittlung der Absolventen hofft die Regierung die Wertschätzung, die der beruflichen Bildung in der Gesellschaft entgegen gebracht wird, zu verbessern und dadurch mehr und bessere Bewerber für eine solche Ausbildung zu gewinnen.

Koreanische Arbeitskräfte sind im Durchschnitt gut ausgebildet. Gerade die Absolventen der führenden Hochschulen verfügen im Regelfall über eine breite und solide theoretische Ausbildungsgrundlage. Nach unten lässt das Niveau allerdings nach. Hinzu kommt, dass Absolventen in Südkorea sehr häufig nicht in der Fachrichtung arbeiten, die sie an der Universität studiert haben.

Die Qualität der beruflichen Ausbildung ist bisher nach Erfahrungen deutscher Firmen vor Ort weit von der des deutschen dualen Systems entfernt. Deshalb haben diese dort, wo handwerkliche Fertigkeiten oder Ingenieurskunst gefragt ist, Schwierigkeiten gutes Personal, insbesondere qualifizierte Berufseinsteiger zu finden.

Die Vermittlung der praktischen Fähigkeiten erfolgt im Regelfall im Betrieb. Große koreanische Unternehmen bieten systematisch Training mit Job-Rotation an, welches die besten Mitarbeiter für Aufstiegspositionen qualifiziert. Demgegenüber investiert der Mittelstand nicht in eine breite Ausbildung.

Dies bedeutet für deutsche Firmen, dass sie entweder relativ teure Spezialisten von guten koreanischen Firmen abwerben oder aber ihre Mitarbeiter selbst ausbilden müssen. Letzteres führt angesichts der Bekanntheit der guten Qualität deutscher Ausbildung dazu, dass diese Mitarbeiter von koreanischen Firmen abgeworben werden, gerade auch vom koreanischen Mittelstand, wo sie Führungspositionen übernehmen können.

Im koreanischen Bildungsmarkt gibt es durchaus Chancen für deutsche Bildungsanbieter. So hat im März 2011 die Friedrich-Alexander-Universität Erlangen-Nürnberg (FAU) als erste deutsche Universität eine eigenständige Außenstelle in Korea (Rep.) eröffnet. In Busan betreibt sie ein Forschungszentrum für Life Science Engineering und eine Graduiertenschule. Koreanische Studenten können dort nach deutschen Standards Master-Abschlüsse in Chemie- und Bioingenieurwesen erwerben und nach erfolgreichem Abschluss im Rahmen von Forschungsprojekten promovieren.

Die FAU Busan wird finanziell durch das Ministry of Knowledge Economy, die Stadt Busan und den Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) unterstützt. Darüber hinaus profitiert sie von einer langjährigen Zusammenarbeit mit Universitäten im Großraum Busan. In den nächsten Jahren soll der Campus in Busan ausgebaut und um weitere Fachrichtungen ergänzt werden.

Eine Alternative ist das Angebot von Studienprogrammen in Kooperation mit einer Partneruniversität. Diesen Weg ist die Hochschule für Musik Franz Liszt aus Weimar gegangen. So können koreanische Studenten an der Kangnam Universität einen koreanisch-deutschen Bachelor-Studiengang in Musik belegen, wo mit anfänglicher Unterstützung des DAAD auch deutsche Professoren, zum Teil aus Weimar, lehren.

Michael Paulus, Leiter des DAAD-Büros in Seoul, sagt, dass eine Ansiedlung deutscher Universitäten in Südkorea interessant sein kann. Wichtig seien neben einer gründlichen Marktstudie erstklassige Partner, im hierarchischen Südkorea möglichst bei Top-Universitäten des Landes. Juristisch besteht die Möglichkeit, in Korea (Rep.) eine Außenstelle einer deutschen Universität ohne koreanischen Partner zu eröffnen, derzeit nur in den Free Economic Zones. In jedem Fall sind gute Netzwerke vor Ort für den Erfolg unabdingbar.

Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Artikel 12.12.2011