Asien bietet weiter großes Potenzial für "Made in Germany"

Asien wird für deutsche Exporteure als Zielregion immer wichtiger. Deutsche Firmen müssen sich aber auf neue Trends einstellen. Vor Ort wird es für Unternehmen immer schwerer, geeignetes, qualifiziertes und bezahlbares Personal zu finden. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte wird intensiver und teurer. 

Die Ausfuhren "Made in Germany" nach Asien ziehen weiter an und der Anteil der Region am Lieferkuchen schießt in die Höhe. Gleichzeitig stellen sich die asiatischen Volkswirtschaften neu auf. Eine stärkere Fokussierung auf den regionalen Warenaustausch und die Herstellung höherwertiger Produkte rücken in den Vordergrund. Wenn deutsche Firmen die Trends rechtzeitig erkennen, können sie von neuen Geschäftschancen profitieren.

Zwischen 2008 und 2010 hat sich der Anteil Asiens an der deutschen Gesamtausfuhr um drei Prozentpunkte von 10 Prozent auf mehr als 13 Prozent erhöht. Andere Berechnungen gehen davon aus, dass der Anteil mittlerweile sogar rund 15 Prozent erreicht. Als Hauptantriebsfeder fungierten die Exporte in die Volksrepublik (VR) China, die allein 2010 um fast 50 Prozent in die Höhe schnellten. Im letzten Jahrzehnt (2000/2009) konnte Deutschland seine Ausfuhren in das "Reich der Mitte" vervierfachen.

Ein Ende dieses Trends nach Asien ist derzeit nicht absehbar. Angesichts der ökonomischen Friktionen in der Europäischen Union (EU) und in den USA dürften die asiatischen Länder als Kunden deutscher Erzeugnisse in Zukunft noch wichtiger werden. Für Unternehmen in Deutschland bedeutet dies, dass sie sich künftig intensiver mit den Gegebenheiten und wirtschaftlichen Entwicklungen vor Ort auseinandersetzen müssen. Denn die Rahmenbedingungen in Asien sind nicht konstant, sondern geprägt durch dynamische Veränderungsprozesse und Neuausrichtungen - die sich wiederum auf die Geschäftschancen von Erzeugnissen "Made in Germany" auswirken.

So zeichnet sich in Asien bereits seit einigen Jahren eine Neuausrichtung der Handels- und Investitionsströme ab. Die Länder gewinnen an Selbstbewusstsein und fokussieren sich auf ihre eigenen Stärken. Mit zunehmender Entwicklung der Volkswirtschaften sowie größerer Produktionstiefe und -breite ergeben sich mehr Möglichkeiten für den intraregionalen Handel und verringert sich die Abhängigkeit von Lieferungen aus den traditionellen Industrieländern, wie auch Deutschland.

Flankiert wird diese Entwicklung durch ein starkes Geflecht von neuen Freihandelsabkommen sowie den Ausbau der Gemeinschaft ASEAN (Association of Southeast Asian Nations) zu einem gemeinsamen Markt bis 2015. Europa und Deutschland bleiben bisher größtenteils außen vor. Als eine der wenigen Ausnahmen können deutsche Unternehmen seit 1.7.11 Vorteile aus dem Freihandelsabkommen der EU mit Korea (Republik) ziehen. Über weitere Abkommen verhandelt Brüssel mit Indien und Singapur, wobei letzteres als Modellfall für weitere Verträge mit Ländern aus den ASEAN-Staaten fungieren könnte.

Bis zum Abschluss von Verträgen mit der EU und in Ländern ohne Abkommen müssen deutsche Firmen flexible Lösungen finden, um die Konkurrenzfähigkeit ihrer Erzeugnisse erhalten zu können. Als Alternative wird unter anderem die Auslagerung von Teilen der Produktion in die Region oder die Implementierung verschiedener Produktlinien ("High-End" und "Standard") vorangetrieben.

Neben der zunehmenden Ausrichtung auf den intraregionalen Handel ist in Asien auch eine Verschiebung des Blickwinkels auf Kontinente auszumachen, die bisher noch wenig Beachtung fanden. Vor allem in der strategischen Wirtschaftspolitik der VR China spielt dabei die Rohstoffsicherung eine enorme Rolle, weshalb Australien, Afrika und Lateinamerika in den Vordergrund des Interesses rücken. Allerdings stoßen die expansiven Tendenzen nicht immer auf ungeteilte Gegenliebe. Investitionen aus dem "Reich der Mitte" werden von den Adressaten zwar begrüßt. Allerdings nehmen Bedenken zu, sich zu stark und einseitig in Abhängigkeiten zu begeben.

Als Gegenmaßnahme versuchen einige der betroffenen Länder, ihre Geschäftsbeziehungen zu diversifizieren und zeigen sich offen für Engagements europäischer Unternehmen. Darüber hinaus sind deutsche Firmen aufgrund der eigenen historischen Erfahrungen im Bergbausektor prädestiniert, Anlagen und Know-how im Bereich Umwelt- und Arbeitssicherheit sowie bei der Wiederherstellung von Kohlebergwerken beizusteuern - in Drittländern wie in Asien selbst.

In zahlreichen Volkswirtschaften Asiens wächst mittlerweile die Einsicht, dass die lokale Wertschöpfung erhöht und die Qualität der Erzeugnisse verbessert werden muss. Aus diesem Grund versuchen Regierungen und Unternehmen, den Mehrwert und die Breite ihrer Produktion auszudehnen. Mittelfristig besteht dadurch die Gefahr, dass deutschen Firmen neue Konkurrenten erwachsen. Auf dem Weg dorthin können aber Lieferungen "Made in Germany" einen Beitrag zur Modernisierung und zum "Upgrade" der lokalen Industrien leisten.

Allerdings sollten die Firmen auch in Asien darauf achten, dass "Know-how" im eigenen Haus verbleibt, und Produktpiraterie konsequent verfolgen. Heikle Bereiche dürfen nach Einschätzung von Landeskennern nicht ausgelagert werden, bei der Einstellung von lokalem Personal in sensiblen Bereichen ist Vorsicht geboten. Auf lange Sicht muss Deutschland seinen technologischen Vorsprung behaupten und sich auf Segmente fokussieren, in denen Komplementaritäten zwischen den jeweiligen Volkswirtschaften bestehen.

Als einer dieser Bereiche gilt der Gesundheitssektor. Denn in vielen Gesellschaften Asiens spitzt sich die Bevölkerungspyramide immer stärker zu. In Japan und Korea (Republik) ist diese Tendenz bereits stark fortgeschritten, aber auch in China und Thailand zeichnen sich ähnliche Trends und damit ein steigender Bedarf an medizintechnischen Produkten und Dienstleistungen ab. Gerade deutsche Firmen verfügen auf diesem Feld über Lösungen, die auf eine alternde Bevölkerung zugeschnitten sind und können daher mittelfristig gute Absatzmöglichkeiten in diesen Märkten erwarten.

 

Härterer Wettbewerb um Arbeitskräfte

 

Auf der anderen Seite wird es für Unternehmen immer schwerer, vor Ort geeignetes, qualifiziertes und bezahlbares Personal zu finden. Der Wettbewerb um Arbeitskräfte wird intensiver und teurer.

In der VR China werden in den nächsten zehn Jahren mehr Beschäftigte aus dem Arbeitsmarkt ausscheiden als neue hinzukommen. Ebenso stellt sich die Situation in südostasiatischen Ländern wie Thailand dar, wo sich ein immer größerer Mangel auch an niedrig qualifizierten Arbeitskräften abzeichnet.

Durch steigende Lohn- und Lohnnebenkosten dürften sich die Kostenvorteile asiatischer Erzeugnisse in Zukunft verringern. Als Ausnahmen gelten unter anderem Indien, wo pro Jahr 10 Millionen neue Beschäftigte auf den Arbeitsmarkt drängen, und kleinere Länder wie Kambodscha.

Des Weiteren führt der steigende Konkurrenzdruck zwischen den Ökonomien in der Region zu einer Ausweitung von Mergers and Acquisitions (M&A) und Direktinvestitionen in Drittländern. So forciert beispielsweise die japanische Regierung den Zusammenschluss von Unternehmen zur Steigerung der Wettbewerbsfähigkeit im Vergleich mit Firmen aus anderen asiatischen Ländern. Ähnliche Tendenzen sind in der VR China zu beobachten.

Zahlreiche Unternehmen drängen auf Auslandsmärkte, um mittels Kapitalbeteiligungen ihre Risiken zu streuen. Vor allem japanische Firmen dürften diese Strategie angesichts der jüngsten Katastrophen auf dem Heimatmarkt künftig stärker verfolgen.

Dabei werden zunächst benachbarte Regionen, immer stärker aber auch europäische Märkte ins Visier genommen. Für deutsche Unternehmen resultieren daraus einerseits ein zunehmender Konkurrenzdruck auf Drittmärkten, auf der anderen Seite aber auch bessere Chancen für Kooperationen und Joint Ventures mit asiatischen Firmen. Gleichzeitig profitiert der Standort Deutschland von dieser Entwicklung. So explodierte der Bestand chinesischer Direktinvestition in Deutschland zwischen 2003 und 2010 wertmäßig um das Vierfache. Die Zahl der Projekte schoss im gleichen Zeitraum sogar um den Faktor 20 in die Höhe.

Da die Wachstumsraten der meisten asiatischen Länder in den kommenden Jahren deutlich über dem globalen Schnitt liegen werden, finden deutsche Unternehmen in der Region in zahlreichen Sektoren ein enormes Geschäftspotenzial vor. Neben der Medizintechnikbranche wird häufig der Bereich Umwelt und Erneuerbare Energien genannt. Industrialisierung und zunehmende Urbanisierung verschärfen die Umweltproblematik in den aufstrebenden Metropolen, was wiederum gute Absatzmöglichkeiten für Umwelttechnik und Geräte zur Steigerung der Energieeffizienz induziert, ebenso wie bei der Wasser- und Nahrungsmittelversorgung: Durch Bevölkerungswachstum und Verbauung von Ackerflächen zeichnet sich in der Region ein Mangel an Wasser in ausreichender Menge und Qualität ab. Auch die Angebotssituation bei Lebensmitteln könnte sich in Zukunft verschärfen.

Daraus resultiert vermutlich eine hohe Nachfrage nach Lager- und Agrartechnik, (Landmaschinen, Bewässerungsanlagen und Wasseraufbereitungsgeräten), Dünge- und Pflanzenschutzmitteln, Nahrungsmittelmaschinen sowie Consultingleistungen. Gleichzeitig werden steigende Einkommen zumindest bei Teilen der Bevölkerung sowie Technikbegeisterung und Prestigebedürfnis vieler junger Konsumenten zu einer höheren Nachfrage nach Konsum- und Luxusgütern führen, was die Absatzchancen für hochwertige Verbrauchsgüter "Made in Germany" steigern könnte.

Maschinen und Ausrüstungen für die Produktion werden künftig aufgrund der Bestrebungen, den Mehrwert der Produktion zu erhöhen, auf breiter Ebene in Asien gefragt sein. Der vielfältige Ausbau der Kraftfahrzeug-Produktion erhöht vor allem die Nachfrage nach Werkzeugmaschinen. Viele Länder haben auch umfangreiche Pläne, die Infrastruktur mittels immenser Investitionen auszubauen und zu modernisieren. Dies wiederum wird sich positiv auf die Nachfrage nach Baumaschinen, Baustoffen und Energietechnik auswirken.

 

Lieferchancen für Bildungsdienstleister

 

Die Bestrebungen der Regierungen, den Bildungsstand der Bevölkerung zu erhöhen, sollten darüber hinaus die Lieferchancen für Bildungsdienstleister und Labortechnik auf hohem Niveau stabilisieren.

Beim Marketing in Asien/Pazifik sind jedoch die Größenunterschiede der Märkte und der jeweiligen Lieferpotenziale zu beachten. So hat Indien beispielsweise 60 Mal mehr Einwohner als Australien, das Bruttoinlandsprodukt (BIP) Japans liegt fast um das 25fache über dem von Singapur und die deutschen Lieferungen in die VR China sind 19 Mal höher als diejenigen nach Thailand.

Mittelständische Unternehmen verfügen jedoch in der Regel nicht über das Potenzial, gleichzeitig und flächendeckend in mehreren Märkten aktiv zu werden. Daher bedarf es einer intensiven Analyse, welche Destinationen als Einstieg für das jeweilige Unternehmen ideal sind. Hierbei können die Informations- und Beratungsangebote der deutschen Außenwirtschaftsförderung, wie Germany Trade & Invest und Auslandshandelskammern (AHK) vor Ort, gute Hilfestellung leisten.


Quelle: Germany Trade and Invest, Artikel gtai.de, 21.10.2011