Transformation in Ägypten

Der Erfolg der Demokratie in Ägypten hängt auch entscheidend davon ab, dass sich die wirtschaftlichen Aussichten der Bevölkerung verbessern. Die Bundesregierung wird Bildung und Berufsausbildung unterstützen, damit die Beschäftigungschancen steigen.

Das ägyptische Volk hat durch friedliche Demonstrationen den Rücktritt des seit 30 Jahren regierenden Staatspräsidenten Mubarak und seiner Regierung erreicht. Das unerschrockene Eintreten junger Ägypter und Ägypterinnen für Demokratie, verantwortliche Regierungsführung und Rechtsstaatlichkeit hat die Weltöffentlichkeit beeindruckt.

Die Staatsgewalt liegt seither in den Händen des Obersten Militärrats (Vorsitz: Mohammed Tantawy), der am 8. März eine zivile Regierung unter Leitung von Premierminister Essam Sharaf ernannt hat. Er bereitet im Dialog mit den politischen Kräften des Landes, zu denen auch die politischen Aktivisten des Tahrir-Platzes gehören, den Übergang zu demokratischen Verhältnissen in Ägypten vor. Noch vor Ende des Jahres sollen freie und faire Wahlen zum Parlament und für einen neuen Staatspräsidenten stattfinden. Danach soll die Verfassung des Landes neu entworfen werden. Zahlreiche politische Akteure in Ägypten haben sich für eine Änderung dieses Zeitplans zugunsten späterer Wahlen ausgesprochen, um neuen zivilgesellschaftlichen Kräften eine längere Vorbereitungsphase zu ermöglichen.

Deutschland unterstützt den Demokratisierungsprozess in der Region und in Ägypten - einem Schlüsselland der arabischen Welt - aktiv. Bundesaußenminister Westerwelle hat deshalb bereits am 31. Januar 2011 Vorschläge für eine neue "Transformationspartnerschaft" eingebracht, die breite Resonanz hatten – in Deutschland und auch in der EU: Ägypten und Tunesien erhalten auf Augenhöhe Unterstützung beim demokrati­schen Wandel.

Maßgeschneiderte Hilfe

Die Hilfe wird sich nach den Bedürfnissen und Prioritäten in den Ländern richten. Am 25. Februar hatte Minister Westerwelle in Kairo gemeinsam mit dem Bundesminister für Entwicklung und Wirtschaftliche Zusammenarbeit Niebel und dem Parlamentarischen Staatssekretär des Bundesministeriums für Wirtschaft Burgbacher erste Vorhaben und Ansätze erörtert. Im April hat Minister Westerwelle Kairo ein zweites Mal besucht, um sich über die Entwicklungen seit der Vereidigung der zivilen Übergangsregierung am 8. März zu informieren.

Zahlreiche Maßnahmen im Rahmen der Transformationspartnerschaft sind angelaufen. Das Auswärtige Amt hat Projekte unter anderem zur Förderung des demokratischen Austauschs, einer unabhängigen Menschenrechtsarbeit und einer freien und professionellen Medien­arbeit auf den Weg gebracht.

Einige Beispiele:

Wir fördern ägyptische Filmemacher, die Kurzfilme produzieren, um ihre Landsleute vor den Wahlen über ihre demokratischen Rechte zu informieren. Wir unterstützen Projekte, die ägyptischen Journalisten das Handwerkszeug für eine unabhängige Wahlberichterstattung an die Hand geben. Wir helfen jungen demokratischen Aktivisten dabei, ihre Positionen in den Medien und damit in der breiten Bevölkerung darzustellen. Wir unterstützen eine ägyptische Menschenrechtsorganisation, die sich für Menschen einsetzt, die während der Revolution verhaftet wurden oder verschwunden sind.

Die "Tahrir-Lounge"

Das Goethe-Institut Kairo eröffnete mit Unterstützung des Auswärtigen Amtes in seinen Räumlichkeiten die "Tahrir-Lounge". Mit diesem Versammlungsort wird denjenigen, die den demokratischen Wandel in Ägypten maßgeblich mit angestoßen haben, im Herzen von Kairo ein Treffpunkt geboten, um sich über die Zukunft Ägyptens auszutauschen. Aktivisten von Nichtregierungsorganisationen über Menschenrechtsgruppen bis hin zu Bloggern erhalten so ein Forum, mit dessen Hilfe sie sich in den laufenden Transformationsprozess in Ägypten wirksam einbringen können.

Der demokratische Wandel darf sich aber nicht nur auf Kairo konzentrieren, deshalb ist die Eröffnung weiterer Tahrir-Lounges in kleineren Städten geplant, unter anderem im Nil-Delta. Dabei arbeitet die deutsche Botschaft in Kairo eng mit ägyptischen Nichtregierungs- organisationen und deutschen Partnern, wie der Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) zusammen.

Demokratieförderung

Das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) reagierte mit der Bereitstellung von 5,25 Millionen Euro zur Förderung des Demokratisierungsprozesses und für die Förderung unabhängiger Medien. Insgesamt 8 Millionen Euro stehen für die Beschäftigungsförderung Jugendlicher und weitere 20 Millionen Euro für Mikrofinanzmaßnahmen zur Förderung von Kleinen und Mittleren Unternehmen bereit.

Im Haushalt des Auswärtigen Amts sollen 2012 und 2013, so der Vorschlag des Bundeskabinetts an den Bundestag, für Maßnahmen im Rahmen der Transformations­partnerschaft in der Region jeweils zusätzlich 50 Millionen Euro bereitgestellt werden.

Unterstützung der EU

Derzeit werden erste EU-Maßnahmen­pakete für die Zivilgesellschaft im Umfang von knapp 20 Millionen Euro auf den Weg gebracht. Die Europäische Investitionsbank wird ihr Engagement für die wirtschaftliche Entwicklung in der Region um 1 Millarde Euro aufstocken.

Unterstützung durch die G8

Auf ihrem Gipfel in Deauville im Mai 2011 kamen die G8-Staaten überein, dass die internationale Finanzinstitutionen, darunter Weltbank, Internationaler Währungsfonds und die Europäische Investitionsbank umfangreiche finanzielle Unterstützung (circa 20 Millarden US-Dollar) für den "Arabischen Frühling" zur Verfügung stellen sollen.

Zukunft des Demokratieprojekts

Nach Wahlen und Verfassungsreform wird es in Ägypten verstärkt darauf ankommen, alle staatlichen Strukturen in den demokratischen Wandel einzubinden und rechtsstaatliche Prinzipien zu verankern. Deutschland ist bereit, Ägypten dabei zu unterstützen, sei es durch rechtliche Zusammenarbeit oder Beratung im Verwaltungsbereich.

Der Erfolg der Demokratie hängt aber auch entscheidend davon ab, dass sich die wirtschaftlichen Aussichten der Bevölkerung verbessern. Die Bundesregierung wird Bildung und Berufsausbildung unterstützen, damit die Beschäftigungschancen steigen. Deutsche Unternehmen vor Ort haben gemeinsam mit der deutschen Entwicklungszusammenarbeit bereits eine Beschäftigungs- und Qualifizierungsinitiative gestartet.

Quelle: Pressemitteilung Auswärtiges Amt, 22.06.2011