Firmen müssen mehr Saudi-Araber einstellen

Neues Konzept zur "Nationalisierung" des Arbeitsmarktes

Die Privatwirtschaft in Saudi-Arabien soll durch neue Mindestquoten für die Beschäftigung von "Locals" hunderttausende zusätzliche Stellen für Saudi-Araber schaffen oder alternativ Ausländer durch Saudi-Araber ersetzen. Die Unternehmen zeigen sich beunruhigt. Das Arbeitsministerium arbeitet jetzt an einem System zur Kategorisierung privater Firmen entsprechend der erreichten Saudisierungsquote.

Auf das absolutistisch regierte Königreich Saudi-Arabien hat der "Arabische Frühling" bislang nur geringe Auswirkungen. Dennoch will das Herrscherhaus jetzt vorsorglich ein Problem mit erheblicher Sprengkraft, die hohe Arbeitslosigkeit unter den jungen Saudi-Arabern, kurzfristig deutlich entschärfen.

Die Privatwirtschaft soll durch neue Mindestquoten für die Beschäftigung von "Locals" hunderttausende zusätzliche Stellen für Saudi-Araber schaffen oder alternativ Ausländer durch Saudi-Araber ersetzen. Die Unternehmen zeigen sich beunruhigt.

König Abdullah hat Anfang Juni 2011 angeordnet, für Saudi-Araber kurzfristig 52.000 Stellen im Erziehungssektor und 14.000 Stellen im Gesundheitswesen zu schaffen. Ein Großteil dieser Stellen wird im Staatsdienst angesiedelt sein, aber auch die privaten Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen sollen einen erheblichen Beitrag leisten. Insbesondere die Versorgung arbeitsloser Lehrer ist aus Sicht des Herrscherhauses sehr dringlich.

Offiziellen Angaben zufolge beschäftigte der Privatsektor im Jahr 2009 insgesamt 6,89 Millionen Personen, nur 10 Prozent beziehungsweise 0,67 Millionen waren Einheimische. Diese Angaben passen zwar nicht zu anderen amtlichen Arbeitsmarktstatistiken. Die geringe Verbreitung von Saudi-Arabern im Privatsektor ist aber unbestritten. Der Anteil der Saudi-Araber soll nun durch eine neue "Saudization"-Initiative, die gemäß der offiziellen Sprachregelung "Promotion of Job Nationalization Program" heißt, deutlich angehoben werden.

Das Programm solle helfen, "well paid job opportunities for Saudis in the private sector" zu schaffen, so Arbeitsminister Al Faqih.

Diskussionen über "Saudization"-Maßnahmen gibt es seit den 90er Jahren. Eine entsprechende Quotenregelung im "Labor Law" findet aber keine Anwendung. Allerdings verlangt das "Labor Office" bei der Gründung einer Niederlassung oder Gesellschaft eine Verpflichtung zur Realisierung einer Saudisierungsquote von 10 Prozent, in einigen Branchen werden höhere oder niedrigere Quoten angesetzt. Dem Vernehmen nach können die vorgegebenen Quoten auch regional variieren.

Der Privatsektor zeigt hinsichtlich der Beschäftigung von Saudi-Arabern Zurückhaltung. Die geforderten Qualifikationsprofile decken sich häufig zu wenig mit der Ausbildung und/oder den Berufserfahrungen saudi-arabischer Bewerber. Einfache Tätigkeiten gelten als nicht angemessen. In der Regel streben Saudi-Araber gehobene oder Leitungspositionen (Manager, Executive etc.) an.

Unternehmen weisen auch darauf hin, dass die Gehaltsforderungen der Saudi-Araber zumeist signifikant über dem Niveau von Ausländern mit vergleichbarer Qualifikation liegen. Zudem genießen Saudi-Araber einen weitreichenden Kündigungsschutz.

"Ampelsystem" geplant

Das Arbeitsministerium arbeitet jetzt an einem System zur Kategorisierung privater Firmen entsprechend der erreichten Saudisierungsquote. Differenziert nach 40 Branchen erhalten Unternehmen je nach Anteil der einheimischen Beschäftigten ein grünes, gelbes oder rotes Label. Die Einstufungen der einzelnen Firmen sollen in Kürze auf der Webseite des Ministeriums veröffentlicht werden. Das "Ampel-System" (offiziell als Nitaqat-System bezeichnet) sieht für "grüne" Unternehmen keine neuen Auflagen oder Beschränkungen hinsichtlich der Beschäftigung von Ausländern vor.

Erhebliche Sanktionen drohen

"Gelbe" und "rote" Firmen werden hingegen mit Strafmaßnahmen belegt. Als eine Sanktion bei einer "gelben" Bewertung wurde die Nicht-Verlängerung von Arbeitsgenehmigungen ausländischer Mitarbeiter nach sechs Jahren Aufenthalt angekündigt. "Roten" sollen überhaupt keine neuen Arbeitsgenehmigungen für Ausländer mehr gewährt werden.

Unklar ist, ob diese Sanktionen auch für ausländische Spezialisten (Leistungsträger) gelten sollen oder nur für un- beziehungsweise angelernte Arbeiter aus Asien. Mit geschätzten 2 Millionen Personen bilden Inder die größte Ausländergruppe, gefolgt von Pakistanern (etwa 1 Millionen).

Von Kritik aus Kreisen der Wirtschaft am geplanten Sanktionssystem zeigt sich die Regierung unbeeindruckt. Die neuen Regelungen sollen offensichtlich schon im September 2011 in Kraft treten. Allerdings wurde in Aussicht gestellt, dass "gelbe" und "rote" Unternehmen weitere fünf Monate erhalten, um sich für "grün" zu qualifizieren. Dies sei die "last chance for companies who are lagging behind in Saudization", so der Arbeitsminister.

Al Faqih schätzt, dass sich die Mehrheit der Unternehmen im "grünen" Bereich befinden, ein Viertel im "roten". Etwa 1.000 Inspektoren werden mit der Überwachung des "Nitaqat-Systems" beauftragt. Als Anreiz zur Beschäftigung von Saudi-Arabern sind befristete Gehaltszuschüsse durch den staatlichen Human Resources Development Fund (Hadaf) im Gespräch.

Schon die von saudi-arabischer Regierungsseite offiziell für die einheimische (also nicht-ausländische) Bevölkerung genannte Arbeitslosenquote ist hoch und trotz der seit 2010 wieder lebhaften Wirtschaftsentwicklung tendenziell weiter steigend. Für 2009 weist die amtliche Statistik einen Anstieg der Arbeitslosenquote auf 10,5 Prozent aus, Zahlen für 2010 fehlen bislang.

Die Banque Saudi Fransi geht in ihrer aktuellen Konjunkturanalyse (veröffentlicht Mitte Mai 2011) davon aus, dass 2010 die amtliche Arbeitslosenquote auf Vorjahresniveau stagniert hat, was einer Arbeitslosenzahl von etwa einer halben Million Personen entspricht. Für 2011 und 2012 wird eine leichte Erhöhung der Quote auf 10,7 beziehungsweise 10,9 Prozent prognostiziert.

Die Regierungszahlen für 2009 zeigen eine besonders hohe Arbeitslosigkeit in den Altersgruppen, die den Kern möglicher sozialer und politischer Proteste bilden würden. In der Gruppe der unter 30-Jährigen waren 27 Prozent der Erwerbsbevölkerung als arbeitslos registriert. Der Wert in der Gruppe der bis 24-Jährigen lag sogar bei 40 Prozent. Die Verteilung der Arbeitslosigkeit auf die verschiedenen Altersgruppen dürfte auch noch für die aktuelle Situation weitgehend gelten.

Obwohl bereits die offiziellen Daten die Arbeitsmarktlage für die junge Generation der Saudi-Araber(innen) als prekär erscheinen lassen, spiegeln sie augenscheinlich die Brisanz der tatsächlichen Verhältnisse eher unzureichend wider. Die im Februar 2011 angekündigte Einführung eines Arbeitslosengeldes (Hafiz-Programm), das ab November gezahlt werden soll, hat zutage gefördert, dass offensichtlich ein Großteil der Stellensuchenden von der Statistik nicht als arbeitslos erfasst wird.

Arbeitsminister Adel Al Faqih spricht zwar immer noch von aktuell 0,5 Millionen Arbeitslosen, gibt aber gleichzeitig bekannt, dass sich mittlerweile 3,5 Millionen Personen im Rahmen des Hafiz-Programms als arbeitslos registriert haben. Selbst unter der Annahme, dass viele der Registrierten nicht wirklich eine Erwerbstätigkeit anstreben, sondern lediglich versuchen, das Arbeitslosengeld in Höhe von monatlich 2.000 Saudi Riyal (S.Rl.; 530 US-Dollar) als willkommenes Zusatzeinkommen zu beziehen, bleibt wahrscheinlich die Diskrepanz zu den bisherigen Arbeitslosenzahlen enorm.

Projekt soll ein realistischeres Bild des Arbeitskräfteangebots erstellen

Das Arbeitsministerium hat jetzt ein Projekt gestartet, um sich ein realistischeres Bild des Arbeitskräfteangebots zu schaffen. Es sollen unter anderem die derzeit getrennt erfassten Datenbestände verschiedener staatlicher Organisationen zusammengeführt werden. Aufzuklären wären auch die teilweise nicht zu harmonisierenden Angaben in den verschiedenen Datensätzen zum Arbeitsmarkt.

Die große Mehrheit der Hafiz-Antragsteller dürfte nicht als "Job Seeker" erfasst sein, da sehr viele angesichts äußerst geringer Erfolgschancen nicht aktiv auf Stellensuche sind (stille Reserve). Dies gilt insbesondere für Frauen: Die Statistik des Arbeitsministeriums für 2009 rechnet nur 12 Prozent der Frauen zur erwerbstätigen Bevölkerung. Als nicht zur Erwerbsbevölkerung gehörend werden 5,2 Millionen der 5,9 Millionen Frauen im Alter ab 15 Jahren klassifiziert.

Details zu den Anspruchsvoraussetzungen für die Zahlung von Arbeitslosengeld, das zunächst nur für ein Jahr gezahlt werden soll, sind noch nicht bekannt. Der stellvertretende Arbeitsminister, Abdul Wahid Al-Humayyid, versucht, die Erwartungen zu dämpfen. Nur Personen, die an Berufsförderungsmaßnahmen teilnehmen, sollen Arbeitslosengeld erhalten, so Al-Humayyid. Es stellt sich allerdings die Frage, woher kurzfristig das entsprechend große Angebot an Qualifizierungsmaßnahmen kommen soll.

Als weitere Bedingung wird das Vorliegen eines "Genuine Need" genannt. Dies könnte beispielsweise bedeuten, dass arbeitsuchende Frauen, die von ihren Ehemännern oder Eltern "versorgt" werden, keine Zahlungen erhalten.

Eine (im Vergleich zum Privatsektor) gut bezahlte Beschäftigung im öffentlichen Dienst ist traditionell die soziale Absicherung der saudi-arabischen Staatsbürger. Über 90 Prozent der öffentlich Bediensteten sind Saudi-Araber. Im März 2011 wurde die Schaffung von zusätzlichen 61.700 Stellen angekündigt, davon 60.000 bei den Sicherheitskräften des Innenministeriums.

Autor: Robert Espey

Quelle: gtai online-news, 15.06.2011