Indonesiens Berufsbildungswesen hat hohen Reformbedarf

Die berufliche Bildung in Indonesien weist derzeit kein befriedigendes Qualitätsniveau auf. Fachleute bemängeln die unzureichende Ausrichtung an den Bedürfnissen der Wirtschaft. Die Ausstattung der Schulen und die Ausbildung des Lehrpersonals lassen zu wünschen übrig, Lehrpläne sind veraltet. Die Regierung versucht, mit gezielten Maßnahmen den Standard zu verbessern. Der Bedarf ausländischer Investoren an Fachkräften wird meist durch eigene Lösungen gedeckt. 

Indonesien ist in steigendem Maße auf gut ausgebildete Arbeitskräfte angewiesen, um die hohen Wachstumsraten der letzten Jahre weiterhin zu erreichen. Dabei bildet die junge Bevölkerung des Inselstaates eine gute Grundlage für die Heranführung gut qualifizierter Fachkräfte. Doch das System der beruflichen Bildung ist in seiner derzeitigen Verfassung weit davon entfernt, den Anforderungen und Bedürfnissen der Wirtschaft gerecht zu werden. Die Ausstattung der Schulen ist schlecht. Lehrpläne und Trainingskonzepte sind nicht auf den Bedarf der lokalen Arbeitsmärkte zugeschnitten. Der Ausbildungsstand des Lehrpersonals wird als unzureichend beschrieben.

Darüber hinaus überwiegt an den indonesischen Berufsschulen der allgemeinbildende Auftrag. Nur etwa 30 Prozent des Unterrichts können für die Vermittlung von beruflichen Inhalten genutzt werden. Anders als in Deutschland ist eine parallele betriebliche Ausbildung nicht grundsätzlich vorgesehen.

Bemängelt wird von Experten die weitgehend fehlende Verbindung zwischen den Bildungseinrichtungen und der Wirtschaft. Absolventen von Berufsschulen sind meistens auf die bevorstehende berufliche Praxis unzureichend vorbereitet. Aus diesem Grunde lösen internationale Unternehmen beziehungsweise Investoren, die im Zusammenhang mit ihren Engagements im Lande Fachkräfte benötigen, in vielen Fällen die Probleme in eigener Initiative.

Der Regierung und vor allem dem Erziehungsministerium (Ministry of National Education) bescheinigen Fachleute ein hohes Problembewusstsein. Für die berufliche Aus- und Fortbildung werden in zunehmendem Umfang öffentliche Gelder bereitgestellt. Gleichzeitig sind Bemühungen im Gange, durch organisatorische Reformen das Bildungsangebot zu verbessern. Dabei werden auch Kooperationen mit internationalen Partnern mit guten Erfahrungen im Bildungssektor eingegangen.

Ein duales Ausbildungssystem nach deutschem Vorbild, in dem Theorie und Praxis miteinander verbunden werden, hat in Indonesien wegen des geringen Anteils der formalen Wirtschaft am gesamtwirtschaftlichen Ergebnis kaum Aussicht auf Erfolg. Es bestehen auf Seiten der Industrie zu wenige Partner, die eine gezielte Integration der Praxis in schulische Lehrprogramme erlauben würden. Bezogen auf die Beschäftigtenzahl schätzen Experten den Anteil der Schattenwirtschaft auf circa 70 Prozent.

Nach einer aus sechs Jahren Grundschule (Elementary School) und drei Jahren Mittelschule (Junior Secondary School) bestehenden neunjährigen Grundausbildung (Schulpflicht) haben Indonesiens Schüler die Wahl zwischen der höheren allgemeinbildenden Sekundarstufe/Sekundarschule (Sekolah Menengah Atas, SMA) mit Abiturabschluss und der polytechnischen Sekundarschule beziehungsweise (höheren) Sekundarschule mit beruflicher Ausrichtung (Sekolah Menengah Kejuruan, SMK). Absolventen sowohl von SMA wie auch SMK können sich an Hochschulen/Universitäten weiterqualifizieren. Für die Berufszertifizierung und Harmonisierung der Kompetenzstandards ist die Indonesian Professional Certification Authority (Badan Nasional Sertifikasi Profesi, BNSP) zuständig.

Zurzeit beginnen etwa 40 Prozent eines Jahrgangs nach Beendigung der neunjährigen Schulpflicht mit der beruflichen Bildung im SMK-Bereich, wo neben allgemeinbildenden Fächern schulbasierte berufliche Bildung in 121 verschiedenen Tätigkeitsfeldern angeboten wird. Die Regierung verfolgt das Ziel, den Anteil der SMK an der mittleren Ausbildung zu Lasten der Gymnasien bis 2014 auf 60 Prozent anzuheben.

Nach Angaben des Directorate of Technical and Vocational Education im Ministry of National Education existierten 2009 insgesamt 8.399 private und öffentliche SMK mit knapp 3,7 Millionen Schülern und 122.622 Lehrern. Nach einer "Roadmap" soll bis 2014 die Zahl der SMK 9.793 erreichen mit 6,6 Millionen Berufsschülern und 218.685 Lehrern. Außerdem soll mit einer Reihe von Maßnahmen die Qualität der Ausbildung in den Berufsschulen angehoben werden. So ist geplant, dass alle SMK eine praktische Fortbildung in "Teaching Industries" (betriebsähnliche Produktionsaktivitäten) anbieten, weil die Zahl der Praktikumsplätze in der Wirtschaft nicht ausreicht. Auch das Prüfungswesen und die Zertifizierung sollen verbessert werden.

Die derzeitige berufliche Ausbildung in den SMK lässt nach Angaben von Fachleuten und Wirtschaftsvertretern zu wünschen übrig. Lehrpläne und Unterricht seien wenig praxisbezogen, berichtet der Bildungsexperte der Deutsch-Indonesischen Industrie- und Handelskammer (Ekonid), Michael Grotehusmann. Da nicht wenige Schüler die Berufsschule als Durchgangsstation für ein späteres Universitätsstudium betrachteten und der Ausbildungsstand der Berufsschullehrer zu schlecht sei, blieben praktische Aspekte der Berufsvorbereitung weitgehend auf der Strecke.

Die fehlende Autonomie der Schulen trage dazu bei, dass es für die SMK schwierig sei, aus eigener Kraft Verbesserungen im Lehrangebot herbeizuführen, meint die Berufsbildungsexpertin der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), Kerstin Nagels, die als Beraterin des Erziehungsministeriums in Jakarta tätig ist. Die Finanzierung der SMK erfolge in der Regel über die Distrikt-Verwaltungen, die bei der Bereitstellung der Mittel nach unterschiedlichen Kriterien entschieden. Eigene Einnahmen seien eigentlich nicht vorgesehen und müssten je nach Absprache mit der Distrikt-Verwaltung abgeführt werden, ohne dass eine Garantie für Rückflüsse bestehe. Ein Gesetz, das den Schulen finanzielle Autonomie ermöglichen sollte, sei 2010 vom Verfassungsgericht für ungültig erklärt worden.

Um die unbefriedigende Situation zu verbessern, haben die Indonesische Industrie- und Handelskammer (KADIN) sowie einzelne Fachverbände der Industrie Maßnahmen eingeleitet. Für KADIN ist die Entwicklung des Humankapitals inzwischen eines ihrer Schwerpunktthemen. Sie hat unter anderem die Notwendigkeit eines leistungsstarken Berufszertifizierungssystems zur langfristigen Kompetenzverbesserung der indonesischen Arbeitskräfte erkannt und treibt die Verbreitung des Systems aktiv voran.

Die Industrieverbände sind bestrebt, die Aktivitäten in ihren Branchen besser zu koordinieren und Projekte der Berufsausbildung zu unterstützen. Der Fachverband der Textil- und Bekleidungsindustrie versucht zum Beispiel, Projekte auf die Beine zu stellen, mit denen eine verstärkte Ausbildung von qualifizierten Fachkräften im mittleren Management erreicht werden soll. Hier besteht ein erhebliches Defizit. Die Konfektionsbetriebe brauchen vor allem Personal für die Qualitätssicherung, die von Vorarbeitern mit Aufsichtsfunktionen in der Produktion übernommen werden muss. Wie es heißt, haben die Branchenfirmen in letzter Zeit ihre Ausgaben für Ausbildungsmaßnahmen erhöht. Die Mittel stammen teilweise aus den CSR-Budgets (Corporate Social Responsibility).

Auch internationale Organisationen stellen finanzielle Ressourcen bereit. So will die Asiatische Entwicklungsbank (ADB) Gelder für den Aufbau von 16 polytechnischen Lehreinrichtungen bewilligen. Vorbildlich im Konfektionsbereich ist das International Garment Training Centre (IGTC) in Bogor, das von der gemeinnützigen Stiftung German Garment Training Centre betrieben und dabei unter anderem durch einen integrierten Experten des CIM (Centrum für Internationale Migration und Entwicklung) unterstützt wird.

Ferner sind in der Schuhindustrie, wo neue Investitionen internationaler Hersteller erwartet werden, Maßnahmen zur Verbesserung der Ausbildung im Gange. Dem Vernehmen nach verfolgt der zuständige Verband die Einrichtung einer eigenen Akademie. Weiterhin zählt die Logistikbranche zu den Bereichen, in denen die Aus- und Fortbildung an Bedeutung gewinnt. Zu erwähnen ist ein nach dem PPP-Modell (Public-Private Partnership) durchgeführtes Programm im Post-Polytechnikum unter Beteiligung der deutschen DHL. Das Projekt soll zu einer Berufsakademie ausgebaut werden.

Im Maschinenbau arbeitet die ATMI-Akademie (Akademi Tehnik Mesin Industri) in Surakarta (Zentral-Java) erfolgreich. Die von einer christlichen Stiftung (Yayasan Karya Bakti) betriebene Einrichtung, in der auch CNC-Werkzeugmaschinen für die Metall verarbeitende Industrie hergestellt werden, gilt in Fachkreisen als ein innovatives Exzellenzzentrum mit hohem Standard und mit guter Vernetzung zur Wirtschaft. Die ATMI wird durch die Schweiz und Deutschland gefördert. Nicht zuletzt braucht die stark expandierende Automobilindustrie eine steigende Zahl von Fachkräften. Hier versuchen die Unternehmen, durch eigene Ausbildungsmaßnahmen ihren Bedarf zu decken. Mercedes-Benz Indonesia unterhält beispielsweise eine Ausbildungsstätte. Auch der marktbeherrschende Automobilkonzern Astra International (Toyota, Daihatsu) mit einem weitverbreiteten Kundendienstnetz von Kraftfahrzeug-Werkstätten betreibt in eigener Regie Aus- und Fortbildung.

Neben dem Erziehungsministerium können Auszubildende und Firmen auch auf Angebote des Arbeitsministeriums (Ministry of Manpower and Transmigration) zurückgreifen. Diese bestehen in Lehr- und Fortbildungsgängen durch insgesamt 183 Trainingszentren mit den Bezeichnungen BBLK (Balai Besar Latihan Kerja) und BLK (Balai Latihan Kerja). Die Zentren arbeiten auf Provinz- und Distrikt-Ebene und werden überwiegend von Arbeitssuchenden genutzt. Lehrinhalte und -dauer richten sich nach dem jeweiligen Fachgebiet. Nach einigen Fehlschlägen wurden kürzlich elf BLK wieder zentralisiert.

Die Förderung der beruflichen Bildung ist auch Bestandteil der Wirtschaftlichen Zusammenarbeit (WZ) zwischen Indonesien und Deutschland. Die KfW-Entwicklungsbank stellt im Rahmen der Finanziellen Zusammenarbeit (FZ) für die Förderung von 22 Berufsbildungseinrichtungen, darunter 16 SMK, 20 Millionen Euro bereit. Die Mittel werden für Ausstattung, erste Inbetriebnahme und spätere Instandhaltung zur Verfügung stehen.

Die GIZ unterstützt die indonesische Regierung im Rahmen der Technischen Zusammenarbeit (TZ) bei qualitativen Verbesserungen im beruflichen Bildungssystem. Dabei geht es unter anderem um die Zusammenarbeit mit der Industrie, Formulierung von Schulentwicklungsplänen sowie Verbesserungen des Qualitätsmanagements und des regulatorischen Rahmens. Außerdem werden Programme zur Qualifizierung von Lehr- und Schulmanagement sowohl in Deutschland als auch in Indonesien umgesetzt. Seit 2010 stehen Mittel für Arbeitsmarktinformationen und zur Etablierung eines anerkannten Systems der Prüfung und Zertifizierung zur Verfügung.

Quelle: Artikel Internetseite Germany Trade and Invest (gtai.de), 22.02.2011