Asien: Konjunktureller Aufschwung sorgt für Knappheit am Arbeitsmarkt

Um rund 9,3 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Region Asien und Pazifik 2010 laut Weltbank gestiegen. Die wirtschaftliche Dynamik dürfte sich in den nächsten Jahren fortsetzen, wenn auch etwas gemäßigter. Qualifizierte Fachkräfte zu finden, bereitet zunehmend jedoch Probleme. Als Lösung bietet sich die Investition in Aus- und Weiterbildung an.

Asiens Wirtschaft boomt - die Lohnkosten steigen

Konjunktureller Aufschwung sorgt für Knappheit am Arbeitsmarkt

Asien rückt weiter ins Zentrum der Weltwirtschaft. Nach teils spektakulären Wachstumsraten werden für 2011 gemäßigtere Zuwächse erwartet, wobei die Situation der Volkswirtschaften sehr unterschiedlich ist. Unternehmen treffen daher auch auf verschiedene Lohnniveaus und -entwicklungen.

Während in China nur noch in den Inlandsprovinzen niedrige Löhne gezahlt werden können, übernehmen südostasiatische Länder teilweise den Status als "Werkbank der Welt". Aufgrund des konjunkturellen Aufschwungs sind Arbeitskräfte gefragt und die Lohnkosten steigen.

Um rund 9,3 Prozent ist das Bruttoinlandsprodukt (BIP) der Region Asien und Pazifik 2010 laut der Weltbank gestiegen. Und die wirtschaftliche Dynamik dürfte sich in den nächsten Jahren fortsetzen, wenn auch etwas gemäßigter. Neben Hightech-Spezialisten wie Korea (Republik), Taiwan und Singapur, die schon lange Hochlohnländer sind, stehen vor allem China, Indien und auch Vietnam im Fokus ausländischer Investoren. Doch auch dort steigen die Lohnkosten rasch und nähern sich den schon entwickelteren Volkswirtschaften wie Malaysia und Thailand an.

Neue Niedriglohnländer rücken ins Blickfeld

Alle Schwellenländer kämpfen dabei darum, sich in der Wertschöpfung höher zu positionieren. Gleichzeitig steigen aber auch die Lohnkosten. Unternehmen mit arbeitsintensiver Fertigung sind gezwungen, sich nach neuen Produktionsstandorten umzusehen. "China + 1" lautet daher oftmals die neue Strategie und der Zusatzstandort liegt immer häufiger in Süd- oder Südostasien.

Ländern wie Kambodscha, Bangladesch und Sri Lanka fehlt aber noch das wirtschaftliche Umfeld und die Infrastruktur um ausländische Direktinvestitionen in großem Maße anzuziehen.

Vietnam hat sich zu einem Shootingstar unter den asiatischen Schwellenländern entwickelt und schickt sich an, China zumindest einen Teil der Werkbank der Welt abzunehmen. Da Vietnam allerdings bei weitem nicht das Arbeitskräftepotenzial des großen Nachbarn zur Verfügung hat, steigen bereits die Löhne und die Inflation. Im Wettbewerb um Investoren und Aufträge zählen die im regionalen Vergleich niedrigen Lohnkosten zu den Trümpfen.

Als Standort für arbeitsintensive Fertigung hat sich das Land in vielen Sparten bewährt. Zwar erreicht die Produktivität verglichen mit China nur rund die Hälfte, dafür liegt das Lohnniveau bei etwa einem Drittel. Engpässe bestehen weiter bei höher und hoch qualifiziertem Personal. Ein großer Schwachpunkt bleibt die Infrastruktur; Investoren beobachten außerdem die starken Währungsschwankungen aufmerksam.

Mit seiner großen Bevölkerung und niedrigen Lohnkosten bietet Indonesien gute Bedingungen für eine arbeitsintensive Produktion. Die Wachstumsraten in der verarbeitenden Industrie bleiben aber hinter der Entwicklung des Bruttoinlandsproduktes zurück. Arbeitskräfte in der Produktion sind meist ungelernt, daher tun sich ausländische Unternehmen schwer, qualifiziertes Personal zu finden.

Als Lösung bietet sich die Investition in Aus- und Weiterbildung an: Da den Indonesiern eine hohe Aufnahmefähigkeit und Lernbereitschaft bescheinigt wird, lohnen sich solche Anstrengungen.

Die zweitgrößte Volkswirtschaft der Welt China ist in weiten Teilen kein "Billiglohnstandort" mehr. Die einfache Lohnfertigung verlagert sich zunehmend in die inneren Provinzen oder gleich nach Vietnam und Bangladesch. Die Wirtschaftskrise hat dafür gesorgt, dass sich 2009 der Zuwachs bei den chinesischen Durchschnittslöhnen mit einem Plus von knapp 12 Prozent erheblich verlangsamte, die geringste Steigerungsrate der letzten zehn Jahre.

2010 stiegen die Lohnkosten aber wieder auf breiter Front, da die Wirtschaft weiter wuchs, der Export brummte und zusätzlich die Mindestlöhne deutlich erhöht wurden. Spektakuläre Arbeitskämpfe bei ausländischen Unternehmen beherrschten die Schlagzeilen mit hohen, häufig zweistelligen Lohnzuwächsen.

Qualifizierte Fachkräfte immer schwerer zu finden

Qualifizierte Fachkräfte zu finden, bereitet zunehmend Probleme. Selbst Fließbandarbeiter bleiben den Produktionshochburgen in Süd- und Ostchina zunehmend fern und versuchen ihr Glück in ihrer Heimatprovinz.

Indien, das zweite bevölkerungsreiche Schwellenland in Asien, besticht durch seine dynamische Wirtschaftsentwicklung. Ein Großteil neuer Arbeitsplätze entsteht in den Wachstumsbranchen, wie der verarbeitenden Industrie und dem Dienstleistungssektor. Noch hinkt die Arbeitsproduktivität im asiatischen Vergleich aber deutlich hinterher. Grundsätzlich ist das Arbeitskräftepotenzial auf dem Subkontinent riesig.

Für qualifizierte Mitarbeiter treibt der hohe Bedarf aber auch in einer jungen Gesellschaft wie Indien die Löhne und Gehälter in die Höhe. Die Suche nach gut ausgebildeten Arbeitskräften wird daher auch für ausländische Unternehmen zunehmend schwieriger. Delhi will jedoch mit Hilfe einer Bildungsoffensive die Qualifikation auf breiter Ebene verbessern und setzt unter anderem auf die berufliche Bildung.

In Thailand stagnierte angesichts der schwachen konjunkturellen Entwicklung der Arbeitsmarkt in den vergangenen Jahren. Die Nachfrage der Unternehmen nach Arbeitskräften hielt sich aufgrund der internationalen Finanzkrise und interner politischer Probleme in Grenzen. Doch mit dem wirtschaftlichen Aufschwung 2010 zog auch die Beschäftigung wieder an. Neben dem Lohn leistet Umfragen zufolge das Schaffen einer familiären Kultur einen wichtigen Beitrag zur Mitarbeiterbindung. Thailand besticht im innerasiatischen Vergleich durch eine hohe Beteiligung von Frauen am Arbeitsleben allgemein sowie in Führungspositionen. Der Arbeitsmarkt befindet sich aufgrund der Globalisierung jedoch im Umbruch und traditionelle Konzepte, wie strenge Hierarchien, sind in der Veränderung.

Japan, Korea (Republik) und Taiwan sind als Hochtechnologieländer schon lange keine preiswerten Standorte mehr. Japan hat die höchsten Arbeitskosten in Asien, Südkorea folgt auf Rang 2. Dafür sind die Mitarbeiter im Schnitt gut ausgebildet, und quantitativ stehen bisher genügend qualifizierte Arbeitskräfte zur Verfügung. In Südkorea sind die Gewerkschaften trotz eines insgesamt geringen Organisationsgrads der Arbeitnehmer sehr stark. Das Lohnsystem gilt als sehr komplex und unübersichtlich. Besonders die Vielzahl an Boni und Zulagen macht es schwer, die effektive Lohnhöhe zu ermitteln.

Der japanische Arbeitsmarkt greift zunehmend auf nicht-reguläre Arbeitskräfte zurück. Die guten alten Zeiten, als eine fundierte Ausbildung lebenslange Festanstellung garantierte, sind wohl endgültig vorbei. Die Unternehmenstreue japanischer Mitarbeiter ist aber in der Regel immer noch sehr hoch.

In Taiwan sind die Löhne in der Krise gesunken. Die Arbeitnehmer auf der Insel stehen im Ruf anpassungsfähig und flexibel zu sein sowie Risiko- und Einsatzbereitschaft zu zeigen. Das eigenständige Arbeiten zählt dagegen nicht zu den Stärken.

Die Sonderverwaltungsregion Hongkong gehört offiziell zu China, die Wirtschaftsordnung bleibt aber eigenständig. Hongkong gilt weiterhin als eine der liberalsten Volkswirtschaften der Welt und ist ein Arbeitgeberparadies. Es gibt keine Gewerkschaften, keine Mindestlöhne, und die Sozialversicherungsbeiträge liegen bei nur 5 Prozent. Eine einmonatige Kündigungsfrist gewährt optimale Flexibilität.

Die internationale Wirtschaftskrise hat sich zur Überraschung von Experten kaum auf dem Arbeitsmarkt Hongkongs bemerkbar gemacht, für Firmen gestaltet sich die Personalsuche schwierig. Die ehemalige Kronkolonie bleibt ein Hochlohnstandort, der mit seiner weitgehenden Integration in die globalisierte Wirtschaft als Finanz- und Logistikstandort punkten kann.

Während der Arbeitsmarkt bislang durch eine sehr hohe Personalfluktuation geprägt war, verabschieden sich nun nicht nur die Firmen von ihrer "hire and fire"-Politik. Auch die Arbeitnehmer scheinen zunehmend weniger wechselfreudig zu sein.

 

 

  • Germany Trade & Invest analysiert regelmäßig die Arbeitsmärkte und hat für die wichtigsten asiatischen Volkswirtschaften jeweils eine länderspezifische Studie "Lohn und Lohnnebenkosten 2010" erstellt.

 

Autor: Achim Haug

Weitere Informationen

Für China, Indien, Indonesien, Philippinen, Thailand, Malaysia, Vietnam, Singapur, Hongkong, Japan, Korea (Republik) und Taiwan hat die gtai jeweils eine Studie "Lohn und Lohnnebenkosten 2010" erstellt.

Quelle: Germany Trade & Invest, gtai online-news vom 18.02.2011