Technologisch versierte Mitarbeiter in Polen händeringend gesucht

Über das polnische Online-Rekrutierungsportal Pracuj.pl gaben Arbeitgeber im 3. Quartal 2010 fast 65.000 Fachkraft-Gesuche auf. Rund 65 Prozent der Vakanzen betrafen Absolventen von technischen Schulen und Berufsschulen. Doch besitzen die Bewerber oft nicht die erforderlichen Kenntnisse im Umgang mit neuen Technologien und Medien.

Experten sagen für die nächsten Jahre Fachkräftemangel voraus

Laut Untersuchungen von Hewitt Associates werden Unternehmen in Polen ihre Personal- und Lohnbudgets 2010 im Schnitt um 4,4 Prozent aufstocken. Im Vorjahr lag der Zuwachs bei 4,5 Prozent, 2008 noch bei rund 7,0 Prozent. Zum ersten Mal seit 20 Jahren verringert sich der Lohnabstand zwischen leitenden Angestellten und Fachkräften. Noch immer aber verdient ein Finanz- oder Verkaufsabteilungs-Leiter fast das Sechsfache einer Fachkraft im jeweiligen Bereich. In der Alt-EU-15 liegt dieser Faktor im Schnitt nur bei etwa drei.

Doch der Abstand schrumpft. Die Nachfrage nach Fachkräften - unter anderem Mechanikern, Elektrikern, Maurern und Maschinenbedienungspersonal - steigt in diesem Jahr wesentlich stärker als nach Managern. Ein Trend, der noch eine ganze Weile anhalten soll. Nach einer Analyse von Sedlak & Sedlak wollen 60 Prozent der Firmen im produzierenden Gewerbe im nächsten Jahr ihre Löhne für Fachkräfte erhöhen.

Womit noch nicht das Ende der Fahnenstange erreicht sein dürfte, da den in den Jahren 2011 bis 2015 zu erwartenden mehr als 2 Millionen Hochschulabsolventen gerade einmal knapp 1,2 Millionen Berufsschulabgänger gegenüberstehen dürften.

Allein über das Portal im Bereich Online-Rekrutierung Pracuj.pl haben Arbeitgeber im 3. Quartal fast 65.000 Fachkraft-Gesuche aufgegeben, rund ein Sechstel mehr als im Vorquartal und sogar um die Hälfte mehr als von Juli bis September 2009. Daten des Statistischen Hauptamts GUS zeigen, dass rund 65 Prozent der Vakanzen im 1. Halbjahr die Zielgruppe der Absolventen von technischen und Berufsschulen betrafen. Doch besitzen die Bewerber oft nicht die erforderlichen Kenntnisse im Umgang mit neuen Technologien und Medien.

Keine duale Ausbildung

Arbeitgeber in Polen bemängeln schon lange das Fehlen einer dualen Ausbildung wie etwa in Deutschland. Experten vermuten, dass im Zuge der Arbeitsmarktöffnung Deutschlands und Österreichs im Mai 2011 etwa 0,4 Millionen bis 0,5 Millionen Fachkräfte dort Beschäftigung suchen und sich die Mangelsituation im eigenen Land sowie der Lohndruck auch bei einfacheren Positionen dadurch noch verschärft.

Regional betrachtet, sind die Löhne in Mazowieckie (Masowien) mit der Hauptstadt Warschau landesweit am höchsten, gefolgt von Wielkopolskie (Großpolen). Der Lohnabstand zwischen beiden Regionen wird kleiner, doch vor allem im Logistikbereich ist er immer noch groß: So verdient ein Logistikleiter in Mazowieckie im Mittel etwa das Doppelte eines Kollegen in vergleichbarer Position in Wielkopolskie.

Wobei Produktions- oder Logistikleiter in Unternehmen, die sich außerhalb Warschaus in Masowien niedergelassen haben, teilweise schon mehr verdienen als in der Landeshauptstadt selbst. Darüber hinaus besteht ein deutliches Süd-Nord-Gefälle. Gerade in Leitungspositionen im Finanzbereich sind die durchschnittlichen Bruttolöhne im Landessüden deutlich höher als im Norden.

Laut Untersuchungen des Personaldienstleisters Randstad plant jedes vierte Unternehmen in Polen, seine Beschäftigung in der zweiten Jahreshälfte zu erhöhen. Am stärksten gesucht sind in diesem Jahr Spezialisten im Verkauf und Kundendienst.

Dank des anhaltenden Outsourcing-Booms und Aufbaus immer neuer IT-Zentren steigt auch der Bedarf an IT-Fachleuten wieder kräftig: Erst Anfang Oktober gaben der US-amerikanische Ciber-Konzern und die zur russischen Holding IBS gehörende Gesellschaft Luxoft bekannt, in Polen neue IT-Dienstleistungs- beziehungsweise Outsourcing-Zentren eröffnen zu wollen.

Auch die IT-Dienstleistungsgruppe Tieto sucht Spezialisten in diesem Bereich für ihre FuE-Zentren in Wroclaw und Szczecin. Unter den etwa 250 Arbeitskräften, die der Krakauer Dienstleistungs- und Software-Anbieter Comarch 2010 neu einstellt, befinden sich 200 IT-Fachleute.

Nach Branchen betrachtet sucht vor allem die Handelssparte nach neuen Mitarbeitern. Auch im Finanz- und Bankensektor steigt die Arbeitsnachfrage wieder, gefolgt von der Bauwirtschaft. Lohnerhöhungen sind in gesamtwirtschaftlichem Maßstab bislang aber moderat geblieben. Im Unternehmenssektor sind die Durchschnitts-Bruttolöhne von Januar bis August 2010 (3.372 Zl, in der Industrie mit 3.410 Zl leicht darüber) im Vergleich zum selben Vorjahreszeitraum nominal um 2,8 Prozent gestiegen, was lediglich den Anstieg der Konsumentenpreise (2,7 Prozent) ausglich.

In vielen Branchen sind die Löhne indes real gesunken. Ein nur schwaches nominales Plus verzeichneten von Januar bis August 2010 die Transport- (0,9 Prozent), Bau- (1,4 Prozent) und Handelsbranche (2,2 Prozent).

Auch im Getränke- (2,5 Prozent), Tabakwaren- (0,5 Prozent), polygraphischen (1,0 Prozent) und pharmazeutischen Gewerbe (-1,8 Prozent) sind die Löhne geringer als die Konsumentenpreise gestiegen oder entwickeln sich im Schnitt sogar rückläufig. Reale Lohnrückgänge gab es auch im Banken- und Versicherungsgewerbe (nominal +1,1 Prozent im 1. Halbjahr).

Überdurchschnittliches Lohnwachstum in der Kfz-Industrie

Überdurchschnittliches Lohnwachstum verzeichneten neben der Kfz-Industrie (8,7 Prozent von Januar bis August 2010) vor allem Branchen, in denen der Staat noch erhebliche Anteile an den Unternehmen hält, so etwa in der Petrochemie (10,9 Prozent) oder der Wasserver- und Abwasserentsorgung (7,2 Prozent). Zumindest staatseigene Betriebe werden auch 2010 in der übergroßen Mehrheit ein dreizehntes Monatsgehalt zahlen, so dass sich erst im Dezember das wahre Ausmaß der Lohnanstiege in diesem Jahr zeigen dürfte.

Laut einer Untersuchung des Markt- und Meinungsforschungsinstituts ARC Rynek i Opinia bieten rund 40 Prozent der Firmen ihren Mitarbeitern als Gehaltsnebenleistungen zweckgebundene Gutscheine an. Den Markt für Warengutscheine schätzen Beobachter in Polen auf rund 3 Millarden Zl im Jahr (umgerechnet 0,75 Millarden Euro; 1 Euro = 3,9548 Zl im September-Mittel).

Die größten Anbieter in diesem Bereich sind Sodexho Pass, Bonus Systems, Edenred (ehemals Accor Services), Wasza Zywieniowa und TravelPass. Die französische Cheque Déjeuner hat sich bereits vor einigen Jahren wieder aus dem polnischen Markt zurückgezogen.

Im Trend liegen neuerdings Internetgeschäfte, in denen der Arbeitnehmer Punkte, die er im Unternehmen zum Beispiel bei der Realisierung eines Projekts gesammelt hat, gegen ihn interessierende Güter und Leistungen einlösen kann. Das können unter anderem Versicherungsprodukte, Flugtickets oder Abonnements für Fitnessklubs sein. Unbestätigte Meldungen legen nahe, dass es sich um ein lukratives Marktsegment handelt, da sich immer mehr Firmen auf solche Mittlerdienste spezialisieren.

Entgegen der Empfehlung der Dreiseitigen Kommission, der Arbeitgeber, Gewerkschaften und Regierungsvertreter angehören, wird die Minimalvergütung zum 1.1.11 von derzeit 1.317 nun doch nicht auf 1.408 Zl, sondern nur auf 1.386 Zl (circa 250 Euro) angehoben. Zu groß waren die Befürchtungen, dass der vorgeschlagene, höhere Satz den Staatshaushalt schließlich doch zu stark belasten und in strukturschwachen Regionen Arbeitsplätze gefährden könnte.

 

  • Hintergrundinformationen finden Sie auf der Internetseite der gtai.

Quelle: Germany Trade and Invest, gtai Online-News vom 03.11.2010