Bildung wird zentrales Thema der Regierung Brasiliens

Ab 2011 hat Brasilien mit Dilma Rousseff zum ersten Mal in der Geschichte ein weibliches Staatsoberhaupt. Rousseff betonte, dass sie keine drastischen Änderungen beabsichtige. Stattdessen möchte sie die Politik der stabilen Wirtschaft bei sozialem Ausgleich ihres Vorgängers Lula da Silva fortsetzen. Zentrale Themen ihrer Amtszeit sollen Bildung und Infrastruktur sein.

Brasiliens designierte Präsidentin verspricht Stabilität
Solide Wirtschaftspolitik mit sozialem Ausgleich


Ab 1.1.11 hat Brasilien zum ersten Mal in der Geschichte ein weibliches Staatsoberhaupt. Am 31.10.10 gewann Dilma Rousseff von der linksorientierten Arbeiterpartei PT mit deutlichem Vorsprung die Stichwahl gegen ihren bürgerlichen Konkurrenten José Serra.

Sie betonte, dass sie keine drastischen Änderungen beabsichtige. Stattdessen möchte sie die Politik der stabilen Wirtschaft bei sozialem Ausgleich ihres Vorgängers Lula da Silva fortsetzen. Zentrale Themen ihrer Amtszeit sollen Bildung und Infrastruktur sein.

Der Infrastrukturausbau wird sich am unvollendeten Wachstumsprogramm PAC sowie am bereits vor der Wahl veröffentlichten PAC 2 orientieren. Im Mittelpunkt des "Wirtschaftsbeschleunigungsprogramms" ("Programa de Aceleramento do Crescimento, PAC 2") stehen die Energiewirtschaft und die Stadtentwicklung.

Unter der Präsidentin Rousseff wird der Hochgeschwindigkeitszug zwischen Rio de Janeiro, São Paulo und Campinas Aufwind bekommen. Hinsichtlich der neu entdeckten Öl- und Gasquellen im Pré-Sal-Gebiet steht Rousseff für einen starken Staat und wenig Privatisierung.

Nicht nur in Folge der Infrastrukturausgaben hat Brasiliens Bauindustrie volle Auftragsbücher. Es entstehen zahlreiche neue Hotels und Einkaufszentren. Außerdem stehen in der verarbeitenden Industrie, bei den Baustofflieferanten, in der Energiewirtschaft und im Bergbau umfassende Kapazitätserweiterungen an.

Rousseff hält es nicht für notwendig, die Staatsausgaben zu senken. Außerdem erwägt sie, den Mindestlohn vorzeitig zu erhöhen. Der Mindestlohn ist an das Wirtschaftswachstum und die Inflation von vor zwei Jahren gekoppelt, so dass 2011 in Anbetracht der Stagnation 2009 nur ein Inflationsausgleich stattfände. Infolge des starken Wachstums 2010 stünde 2012 erneut eine deutliche Steigerung an.

Hinsichtlich des künftigen Kabinetts ist die Rückkehr des ehemaligen Finanzministers Antonio Palocci an seine alte Wirkungsstätte oder seine Benennung als Stabschef in der Casa Civil wahrscheinlich. Als Minister für Entwicklung, Industrie und Außenhandel wird Einzelhandelsmagnat Abílio Diniz gehandelt.

Am flexiblen Wechselkursregime will die neue Präsidentin nichts ändern. Dagegen steht sie Eingriffen in die Zinspolitik der Zentralbank offener gegenüber.

Brasilien leidet unter starker Währung

Brasiliens Landeswährung Real erreicht eine Rekordstärke. Was zum einen die Attraktivität des Landes für Direktinvestitionen und internationales Anlagekapital sowie seine Exportstärke widerspiegelt, ruft in der Industrie die Sorge vor einer Deindustrialisierung hervor. Nicht zuletzt infolge der Überbewertung des Reals steigen die Importe 2010 um über 40 Prozent, während Brasiliens Exporteure auf Auslandsmärkten wie Mexiko Schaden nehmen.

Als erste Gegenmaßnahme erhöhte die noch amtierende Regierung die Steuer auf ausländische Kapitalanlagen auf 6 Prozent.

Brasiliens Währung war nie stärker. Unter den wichtigsten Schwellenländern wertete der Real seit 2003 mit Abstand am deutlichsten auf. Nach Angaben der Investmentbank JP Morgan ist der Real inflationsbereinigt sogar noch 8 Prozent stärker als 1998, als die Anbindung an den US-Dollar zu einer unnatürlich starken Aufwertung führte, die nach Ende des festen Wechselkurses eine Maxi-Abwertung nach sich zog. Hauptgrund für den derzeitigen Höhenflug des Reals ist zum einen die Nachfrage nach den begehrten brasilianischen Rohstoffen und Agrargütern.

Hinzu kommen hohe Zinsen und interessante Investitionsmöglichkeiten in einem stabilen Umfeld, beides attraktiv für internationales Kapital. Problematisch ist nur der spekulative, kurzfristige Geldzufluss, der nicht dem produktiven Potenzial der Wirtschaft entspricht und folglich eine Überbewertung bewirkt.

Dies ist gut am Big Mac-Index zu sehen, mit dem die Wirtschaftszeitschrift The Economist die reale Kaufkraft einer Währung im Vergleich zum US-Dollar misst. Dabei wird der Preis des international identischen Big Macs zum jeweiligen nominalen Wechselkurs in US-Dollar umgerechnet und verglichen. Statt einem Spiegelbild der Kaufkraft der brasilianischen Wirtschaft ergibt sich ein aber ein verzerrtes Bild. Nur im Bankenparadies Schweiz kostet der Big Mac noch mehr als in Brasilien, während die VR China die billigsten Burger bietet.

Unter den Folgen der starken Währung leiden am heftigsten die Exporteure, die im Ausland kaum noch Chancen haben. Gleichzeitig wird der Inlandsmarkt von verbilligten Importen überschwemmt, bis September fast 50 Prozent mehr als im Vorjahr. Als kurzfristige Gegenmaßnahme erhöhte die Regierung die Steuer auf Kapitalanlagen (Imposto sobre Operações Fianaceiras - IOF) von Ausländern auf 6 Prozent. Um dauerhaft wettbewerbsfähig zu bleiben, muss die brasilianische Industrie produktiver werden.

Quelle: Germany Trade and Invest, gtai Online-News vom 18.11.2010