Russlands Wasserwirtschaft leidet unter Personalmangel

Russlands Regierung will 2011 mit der Umsetzung des Programms "Sauberes Wasser" beginnen. Eines der großen Probleme der russischen Wasserwirtschaft ist der Personalmangel. Es fehlen 15.000 Ingenieure, Betriebswirte und andere Spezialisten mit Hochschulausbildung. Hier könnten sich deutsche Dienstleister für Fort- und Weiterbildung engagieren.


Russland investiert in Wasserversorgung und Kläranlagen

Erst ein Zehntel der Abwassermenge normgerecht gereinigt / Private Betreiber haben Marktanteil von 16 Prozent

Autorin: Gerit Schulze

Russlands Regierung will 2011 mit der Umsetzung des Programms "Sauberes Wasser" beginnen. Ziel ist es, die Qualität der Trinkwasserversorgung und Abwasseraufbereitung zu verbessern. Dafür sollen in den kommenden drei Jahren jeweils rund 500 Millionen Euro zur Verfügung gestellt werden. Bei der Umsetzung von Investitionsprojekten muss Russland verstärkt auf private Partner setzen. Bislang befindet sich die Wasserwirtschaft überwiegend in staatlicher Hand.

Sauberes Trinkwasser ist eine der Grundvoraussetzungen für Moskaus Ziel, den Gesundheitszustand seiner Bevölkerung zu verbessern und damit die Lebenserwartung zu erhöhen. Jährlich fallen in Russland rund 18 Millarden Kubikmeter Abwasser an. Bislang werden nach offiziellen Angaben zwar 80 Prozent davon gereinigt, doch nur ein Zehntel erreicht bei der Klärung die Normwerte. Um die Qualität der Trinkwasserversorgung und Abwasserreinigung anzuheben, sind in den kommenden Jahren mehrere Milliarden Euro Investitionen nötig.

Dafür braucht Russland private Partner, die im Rahmen von Public Private Partnerships die Anlagen modernisieren und das entsprechende Know-how für den Betrieb mitbringen. Bislang werden noch 84 Prozent der Bevölkerung von staatlichen Wasserwirtschaftsbetrieben versorgt. Die Übertragung der örtlichen Wasserwerke an Investoren ist in den letzten Jahren ins Stocken geraten (2003: 7 Betriebe, 2008 und 2009: nur je 1 Betrieb). Die wichtigsten privaten Versorger sind Roswodokanal (Alfa Group, 5 Prozent Marktanteil), Rossijskie kommunalnye sistemy (Renova Group, 3 Prozent Marktanteil) und Ewrasijski (Wneschekonombank, 3 Prozent Marktanteil).

Auch deutsche Unternehmen sind bereits im Geschäft. Die Essener WTE Wassertechnik GmbH zum Beispiel betreibt in Moskau zwei Kläranlagen und eine Trinkwasseranlage nach dem BOOT-Modell (build, own, operate, transfer). Bis 2012 errichtet das Unternehmen in Moskau außerdem eine Produktionsstätte für Natriumhypochlorit, das zur Wasseraufbereitung genutzt werden soll.

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Ein großes Problem der russischen Wasserwirtschaft ist der Personalmangel. Viele Mitarbeiter der Wasserwerke und Kläranlagen haben das Pensionsalter überschritten. Jede zehnte Stelle bleibt mangels Bewerbern unbesetzt. Laut Russlands Regierung fehlen in der Branche 15.000 Ingenieure, Betriebswirte und andere Spezialisten mit Hochschulausbildung. Hier könnten sich deutsche Dienstleister für Fort- und Weiterbildung engagieren. Auch Technologielieferanten für die Wasserwirtschaft, die Russland bei der Ausbildung seiner Fachkräfte unterstützen wollen, sind ausdrücklich willkommen.

Ein wichtiger Baustein der russischen Wasserpolitik soll in den nächsten Jahren die Aufklärung der Bevölkerung sein. Bislang ist das Wassersparen im Alltag kaum verbreitet, da die Ressource sehr billig und in Überfluss vorhanden zu sein scheint. Ähnlich sorglos leiten gerade Bewohner im ländlichen Raum ihre Abwasser in die Seen und Flüsse ein. Hier sollen Informationskampagnen der Wasserwirtschaftsbetriebe, Schulen und öffentlichen Einrichtungen für eine Bewusstseinsänderung sorgen.

Nach Berechnungen der Agentur Global Water Intelligence kostet Wasser in Russland nur ein Drittel des weltweiten Durchschnitts. Während Russen für einen Kubikmeter 0,60 $ zahlen müssen, kostet das nasse Element in Berlin über 6 $, in Paris über 4 $ und in New York über 2 $. Dafür steigen die Tarife in Russland besonders schnell, allein 2009 um rund ein Drittel.

Höhere Preise sollen auch industrielle Verbraucher für die Wasserentnahme aus Flüssen, Stauseen und anderen Gewässern zahlen. Derzeit liegt dafür die Wassersteuer je nach Gewässer bei 250 bis 500 Rubel je 1.000 Kubikmeter (für Produktionszwecke). Diese Sätze werden sich nach Berichten der Tageszeitung Kommersant in den nächsten drei Jahren nahezu verdoppeln. Das würde den Druck auf die Industrie erhöhen, in Wasser sparende Technologien zu investieren. Russische Betriebe benötigen bei der Produktion von einer Tonne Zellstoff fast 400 Kubikmeter Wasser, bei der Stahlproduktion rund 250 Kubikmeter. Das übersteigt die Werte in westlichen Industriestaaten um das Zwei- bzw. Fünffache.

Zur ersten Kontaktaufnahme mit der Wasserwirtschaftsbranche in Russland empfiehlt sich ein Besuch des zweiten internationalen Forums "Sauberes Wasser - 2010" (20. bis 23.10.2010, Expozentr Moskau, http://www.waterforum.ru/). Ein interessanter Ansprechpartner könnte auch der Verband Nazionalny sojus wodokanalow (NSW) sein. Darin haben sich 2009 sechs große Wasserwirtschaftsbetriebe des Landes zusammen geschlossen. Sie haben einen Marktanteil von 30 Prozent bei der Wasserversorgung und -entsorgung in Russland.

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Quelle: Auszüge eines Artikels der gtai, 24.08.2010