Das 2. Deutsch-Arabische Bildungsforum am 12. und 13. Oktober 2010 in Berlin verschaffte deutschen und arabischen Bildungsanbietern, Unternehmern und Fachleuten aus dem öffentlichen und privatwirtschaftlichen Bildungssektor erneut die Gelegenheit, sich im direkten Austausch über Kooperationsmöglichkeiten zu informieren. Bildungsexperten aus den arabischen Ländern und Deutschland berichteten über neue Projekte und Trends.
Die Erhöhung der Teilnehmerzahl von 250 im vergangenen Jahr auf 280 stellte unter Beweis, welch großes Ansehen "Bildung – Made in Germany" in der arabischen Welt genießt. Die Veranstalter iMOVE und Ghorfa setzten mit dem Forum ihre strategische Zusammenarbeit im Bildungsbereich fort. Schirmherrin war wie im vergangenen Jahr Bundesbildungsministerin Annette Schavan.
Schwerpunktthemen des 2. Deutsch-Arabischen Bildungsforum
In ihrer Begrüßung stellte iMOVE-Leiterin Sabine Gummersbach-Majoroh die Schwerpunktthemen der Veranstaltung vor. Dazu zählten Bildungsinitiativen in der arabischen Welt, Kosten und Nutzen der Berufsbildung für die Industrie, Ausbildung für arabische Frauen und die Zusammenarbeit von Hochschulen.
Dr. Thomas Bach, Präsident der Ghorfa, trat für eine einheitliche Strategie beim Ausbau von Bildungssystemen in den arabischen Staaten ein. Zugleich nannte er Verständnis und Vertrauensaufbau als wichtigste Grundlagen, um Herausforderungen und Hindernissen bei Bildungskooperationen wirkungsvoll zu begegnen.
Der saudische Botschafter Professor Dr. Ossama Abdulmajed Ali Shobokshi hob die Bemühungen seiner Regierung im Bildungsbereich hervor. Er beklagte jedoch die geringe Zahl von saudischen Studierenden an deutschen Universitäten und forderte verbesserte Einreisebedingungen für Bildungswillige.
Der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesministerium für Bildung und Forschung Dr. Helge Braun überbrachte die Grüße der Schirmherrin. Er hob hervor, dass die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) in ihrem letzten Bildungsbericht die deutsche duale Ausbildung gelobt hat. Gleichzeitig lobte Braun das Engagement vieler arabischer Staaten im Bildungssektor als vorbildlich
Bildungsinitiativen in der arabischen Welt
In der ersten Panel-Session über Bildungsinitiativen in der arabischen Welt erläuterte der stellvertretende Bildungsminister von Saudi-Arabien, Dr. Mohammed Abdulaziz Al-Ohali, die Situation der Hochschulbildung in seinem Land. Er betonte die Unterstützung der Regierung, Bildungsreformen zum Wohle der Nation und zum Ausbau internationaler Wettbewerbsfähigkeit weiter voranzutreiben.
Professor Dr. Ashraf Mansour von der German University Cairo stellte seine Bildungsinstitution vor, die vor allem eine praxisorientierte Lehre verfolgt. Zur Vorbereitung auf das Arbeitsleben wurden in einem hochschuleigenen Industriepark bereits mehrere Produktionsstätten in Zusammenarbeit mit deutschen Industrieunternehmen eingerichtet.
Dirk Demtroeder von IPIC-Ferrostaal berichtete von einer Unternehmensinitiative zur Verbesserung der Bildungszusammenarbeit zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und Deutschland, in Rahmen derer die Unternehmen einen intensiven Austausch mit deutschen Partnerunternehmen zur Einrichtung von Stipendien, Praktika und Deutschkursen verfolgen.
Die Bemühungen der ägyptischen Regierung um die Reform ihres Systems der beruflichen Bildung erläuterte Mohamed Ahmed Helal vom Technical and Vocational Training (TVET)-Reform Project. Angestrebt werden vor allem die stärkere Einbeziehung aller beteiligten Interessensgruppen und die Verbindung der technischen Ausbildung mit der Hochschulbildung sowie nachhaltige Finanzierungslösungen.
Dr. Stefan Weber, Direktor des Museums für Islamische Kunst Berlin, stellte abschließend die Pläne des Museums für ein modular aufgebautes System von Bildungsgängen zur Verfügung.
Kosten und Nutzen von beruflicher Aus- und Weiterbildung für die Industrie
Die zweite Session beleuchtete Kosten und Nutzen von beruflicher Aus- und Weiterbildung für die Industrie.
Saeb Nahas, Präsident der Nahas Enterprises aus Syrien, bezeichnete die Ausbildung als besondere Verantwortung und gleichzeitig als vorteilhaftes Langzeit-Investment der Unternehmen angesichts der sehr jungen Bevölkerung in den arabischen Staaten.
Dr. Hussein Omran, ehemaliger syrischer Botschafter und Direktor des Syrian-German Business Council forderte, Bildung müsse mehr darauf abgestimmt werden, die Talente und Fähigkeiten der Auszubildenden zu formen und sie gleichzeitig gezielt für die Weiterentwicklung und den Fortschritt der Gesellschaft nutzbar zu machen.
Für das Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) stellte Dr. Günter Walden neueste Erhebungen zu Kosten und Nutzen der beruflichen Bildung in Deutschland vor. Danach übertrifft der Wert des Nutzens, den die Unternehmen aus der Ausbildung ziehen, den der Kosten für die Ausbildung.
Dr. Nader Imani von Festo Didactic stellte vom Unternehmen offerierte Seminare zu Prozessoptimierung und Techniken der Problemlösung vor und berichtete von Partnerschaften zwischen Festo und lokalen Bildungseinrichtungen, etwa in Syrien, Libanon und Oman.
Martin Stöckmann präsentierte die Siemens AG als einen der größten Bildungsanbieter Deutschlands. Er hob hervor, dass ausbildende Unternehmen davon profitieren, dass sich die Mitarbeiter besonders stark mit den Zielen des Unternehmens identifizieren und dadurch einen erhöhten Einsatz leisten.
Deutsch-Arabische Erfolgspartnerschaften in der beruflichen Bildung
Deutsch-Arabische Erfolgspartnerschaften in der beruflichen Bildung waren Thema der dritten Session.
Christian Staab-Schmidt von Lucas-Nülle stellte den weltweit tätigen Lehr- und Lernmittelhersteller vor, dessen größter Markt der Nahe Osten darstellt.
Dr. Klaus Bader-Labarre der deutschen Non-profit-Organisation InWEnt konzentrierte sich in seinem Vortrag auf E-Learning als Schlüsseltechnologie für Veränderung und Innovation durch steigende Nutzerzahlen in der arabischen Welt.
Qualifikationsbedarfe im Solarenergie-Sektor erläuterte Tina Völker von Renac. Zu den Bildungsangeboten des Unternehmens zählen Berufsbildungskurse, Spezialisierungen in Hochschulkursen, individuelle Trainings weltweit und weitere Dienstleistungen wie Beratung und internationale PR.
Dr. Frank Renken von der Deutschen Gesellschaft für Technische Zusammenarbeit (GTZ) präsentierte Arabterm.org., ein technisches Universalwörterbuch zur Übersetzung technischer Anleitungen und zur Unterstützung lokaler Initiativen zur Standardisierung des technischen Arabisch.
Imane Shoukry von der ägyptischen HEDO Academy for Human Treasure Development zeichnete die Entwicklung ihrer Organisation zu einem privatwirtschaftlichen Schweißunternehmen nach. Auf Grundlage einer Zusammenarbeit mit der deutschen Gesellschaft für Schweißtechnik International will HEDO der Branche auch in Ägpyten zu noch größerem Erfolg verhelfen und auch eine Ägyptische Schweißgesellschaft ins Leben rufen.
Frauen und Bildung im Oman
Moderatorin Dr. Gabi Kratochwil leitete die vierte Session mit einem Zitat von Königin Rania von Jordanien ein: "Die Bildung eines Mädchens stellt wahrscheinlich den größtmöglichen Return on Investment dar."
Zum Thema Frauen und Bildung, speziell im Oman, äußerte sich zunächst die omanische Botschafterin Dr. Zainab bint Ali bin Said Al Qasmiah in einer Keynote. Ihre Zahlen und Fakten verdeutlichten die großen Fortschritte auf diesem Gebiet und die gute Zusammenarbeit mit Deutschland. Die rasante Entwicklung des Omans unter dem derzeit regierenden Sultan wird deutlich daran, dass bis 1970 keinerlei Bildung und Ausbildung für Mädchen vorgesehen war, es inzwischen jedoch etwa genauso viele weibliche wie männliche Schüler und Studierende gibt.
Dass zunehmend mehr Frauen ausgebildet, aber noch zu wenige angestellt werden, bestätigte Sonia Zoghlami vom deutschen Bildungsanbieter gpdm. Das Unternehmen für Personalentwicklung hat ein spezielles Qualifizierungsprogramm namens "Fatima" entwickelt, das sich speziell an Frauen aus der arabischen Welt richtet und sich durch flexibles Modulsystem an den Bedarfen der Frauen anpasst.
Tarek Abulzahab von der German Education and Training GmbH berichtete von der Einrichtung eines Traininginstituts für Frauen im Jemen, dessen größter Erfolgsfaktor die Berücksichtigung sozialer Aspekte und der realen Lebensumstände der Frauen war.
Hochschulkooperationen in der arabischen Welt
In der fünften Session über Hochschulkooperationen erläuterte Professor Dr. Günter Meyer von der Universität Mainz die deutsch-arabische Zusammenarbeit im Hochschulbereich anhand von deutschen Universitäten im Ausland und bilateralen Bildungsprogrammen.
Professor Dr. Rolf Granow von der Fachhochschule Lübeck zeigte die Vorteile von E-Learning auf: Das Programm Oncampus, das Granow als Direktor vertritt, eröffnet einen Zugang zum berufsbegleitenden Online-Studium.
Das Ziel von Professor Dr. Elias Jammal von der Universität Heilbronn ist es, die Beschäftigungsfähigkeit von Absolventen im Bereich der Wirtschaftswissenschaften zu erhöhen. Dazu wurden zwei englischsprachige Studiengänge eingerichtet und in Zusammenarbeit mit der Universität in Kairo ein neues Master-Programm mit dem Titel "Business Economics" entwickelt.
Klaus Stark vom Deutschen Akademischen Austausch Dienst (DAAD) präsentierte den Master-Studiengang "Integrated Water Resources Management", der bereits zum vierten Mal jeweils in Kooperation einer deutschen mit einer arabischen Universität realisiert wird. Ziel ist es, dass Absolventen unterschiedlicher Herkunft während des Studiums gemeinsam an der Lösung der Wasserkrise in der arabischen Region arbeiten.
Perspektiven deutsch-arabischer Zusammenarbeit im Bildungssektor
Die abschließende Session konzentrierte sich auf Perspektiven deutsch-arabischer Zusammenarbeit im Bildungssektor.
Eingangs appellierte Professor Dr. Salah M. Aliwi Al-abbadi, Kulturberater der irakischen Botschaft in Deutschland, angesichts des nach wie vor schwer angeschlagenen Bildungssystems in seinem Land Qualifizierungsmöglichkeiten für irakische Bürger in Deutschland zu schaffen.
Professor Dr. Ashraf Monsour von der German University Cairo schlug die Gründung eines Verbandes der German Universities vor und plädierte dafür, mehr Studierenden als bislang einen Auslandsaufenthalt zu ermöglichen.
Dr. Claus W. Biermann von Philips trat für den Aufbau medizinischer Simulationszentren im Nahen Osten ein, um die Ausbildung von Ärzten zu verbessern.
Saeb Nahas von Nahas Enterprises in Syrien wies darauf hin, dass eine qualifizierte Bildung und Ausbildung im eigenen Land nicht nur gesellschaftliche Probleme vor Ort entschärft, sondern auch den Zuzug illegaler Flüchtlinge nach Europa deutlich verringert.
iMOVE-Leiterin Sabine Gummersbach-Majoroh hob in ihren Schlussbemerkungen die Bedeutung der Bildung und Ausbildung für alle industriellen Branchen hervor und forderte eine noch engere Zusammenarbeit von Bildungsanbietern und Industrie.