Bildungsmarkt Afrika: Yes, we're open!

Berufliche Selbstständigkeit durch die Gründung eines Unternehmens zu erlangen, gilt als besonders nachhaltiges Instrument zur Schaffung von Arbeitsplätzen in Afrika. Unternehmerisches Denken und Handeln im Rahmen beruflicher Bildung zu fördern, kann dazu beitragen, die wirtschaftliche Entwicklung Afrikas zu stärken.

junger Mann, mutmaßlich Afrikaner, in der Gastronimie
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Millionen von Afrikanerinnen und Afrikanern verdienen ihren Lebensunterhalt in der "informal economy", also im informellen Wirtschaftssektor als nicht angemeldete Gewerbetreibende. Auf dem Kontinent, wo jährlich 20 Millionen neue Jobs benötigt werden, sind viele Menschen gezwungen, in dieser Art beruflicher Selbstständigkeit für sich und ihre Familien zu sorgen. Zwar wachsen viele afrikanische Volkswirtschaften, teilweise auch sehr kräftig, aber nicht stark genug, um ausreichend Arbeitsplätze für die schnell wachsenden Bevölkerungen zu schaffen.

Um sich in den Wirtschaftskreislauf zu integrieren, entscheiden sich aber auch immer mehr junge Menschen freiwillig für die berufliche Selbstständigkeit. Die Bedeutung von Unternehmensgründungen unterstrich bereits der Global Entrepreneurship Summit (GES) in der kenianischen Hauptstadt Nairobi 2015, an dem neben Unternehmern aus über 100 Ländern auch der damalige US-Präsident Barack Obama teilnahm. Er pries Unternehmertum als wichtiges Werkzeug im Kampf gegen Jugendarbeitslosigkeit in Afrika, der Region mit der jüngsten Bevölkerung weltweit.

Das Interesse an erfolgreichen Gründungen in Afrika wächst und die Zahl der Start-ups steigt stetig. Unter der neuen mobilen Generation junger Afrikanerinnen und Afrikaner macht sich eine Gründerstimmung breit, die beispielsweise auf Softwarelösungen für Handys und Smartphones basiert, die den Alltag in Afrika einfacher gestalten und sich großer Beliebtheit erfreuen. Afrika hat den zweitgrößten Markt für Mobilfunkgeräte weltweit. Die meisten Investitionen fließen in die Infrastruktur für Telekommunikation.

Im mobilen Internet sehen nicht nur Investoren die Zukunft für den Kontinent, sondern auch viele junge Menschen ihre Chance, ihr Land mitzugestalten, den Alltag zu verbessern und damit gleichzeitig Geld zu verdienen. Sie erarbeiten und vermarkten digitale Lösungen für Herausforderungen in Bereichen wie Bildung, Nahrungsmittelsicherheit und Gesundheit und konzentrieren sich etwa auf die Verbesserung der Zugänge zu Produkten und Dienstleistungen für die Bevölkerung außerhalb der städtischen Zentren.

Gründerstimmung

In mehreren Ländern Afrikas fallen Touristen und anderen Besuchern sofort die vielen M-Pesa-Schilder ins Auge. M-Pesa startete bereits 2007 und macht sich die gute mobile Infrastruktur zunutze. Rund 65 Prozent der Afrikanerinnen und Afrikaner besitzen ein Handy und können darüber mit M-Pesa ihren Zahlungsverkehr abwickeln. Das in Kenia entwickelte System ermöglicht ihnen, ihren Familien in entlegenen Gegenden Geld zukommen zu lassen, die sich dieses als Bargeld mittels ihres Handys im nächsten Kiosk auszahlen lassen können. Die Nutzerzahlen bewegen sich in zweistelliger Millionenhöhe, denn das System funktioniert auch auf alten Handys.

Ein weiteres Beispiel ist die in Ghana entwickelte App MPawa, eine Jobbörse für Arbeitssuchende und Arbeitnehmer. Wer eine neue Stelle sucht, hinterlässt seinen Lebenslauf auf MPawa, während Unternehmer eine Stellenanzeige aufgeben können. MPawa verbindet die beiden potenziellen Partner miteinander und informiert bei einer passenden Übereinstimmung per SMS oder E-Mail.

In dem von der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) veröffentlichten Bericht über die afrikanische Wirtschaftsentwicklung "African Economic Outlook 2017" wird der Einfluss von Entrepreneuren auf die Industrialisierung in Afrika untersucht und als eine Ursache für eine positive Prognose hinsichtlich der afrikanischen Wirtschaftsentwicklung genannt. Dazu sei es aber wichtig, dass Bildungssysteme mit Blick auf die Qualifizierung zu unternehmerischem Denken und Handeln optimiert werden.

Fachartikel Bildungsmarkt Afrika

Dieser Fachartikel ist im aktuellen iMOVE-Exportmagazin xPORT, Ausgabe 2/2019, im November erschienen. 
 

  • Autorin: Silvia Niediek

xPORT 2/2019

Titelbild des Magazins
junge Frau, mutmaßlich Afrikanerin, arbeitet an einem Tisch mit Textilien
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Entrepreneurship Education

Dieser Hinweis ist nicht ungehört geblieben. Um der teilweise sehr hohen Arbeitslosigkeit zu begegnen und ihre Wirtschaft zu beleben, intensivieren viele Länder Afrikas ihre Bemühungen um junge Unternehmensgründerinnen und -gründer. Dazu finden auch Bildungseinheiten Eingang in die Lehrpläne von Schulen und Universitäten, die die unternehmerischen Kompetenzen und Werte junger Menschen stärken und sie ermutigen sollen, Arbeitsplätze zu schaffen statt sich in die lange Schlange der Arbeitssuchenden einzureihen.

Mehrere afrikanischen Regierungen haben berufliche Selbstständigkeit als Unterrichtsfach und Unternehmer-Trainings in ihr Bildungssystem integriert. In Uganda beispielsweise lehren einige Sekundarschulen und Colleges das Fach "Entrepreneurship". In anderen Ländern wie Südafrika, Botswana und Nigeria ist Gründertraining Teil technisch orientierter Schulfächer.

Gemeinsam mit der Privatwirtschaft und Entwicklungsgesellschaften hat die ugandische Regierung zudem Informations-, Kommunikations- und Innovations-Hubs eingerichtet, damit junge Unternehmer erfolgreiche Start-ups gründen können. Der staatliche Youth Venture Capital Fund stellt nicht nur Startkapital zur Verfügung, sondern auch Trainingsmaßnahmen für angehende Unternehmerinnen und Unternehmer. Andere afrikanische Staaten halten ähnliche Angebote bereit.

Um Jugendlichen die Option auf eine eigene unternehmerische Selbstständigkeit als Variante zur klassischen Erwerbstätigkeit zu eröffnen, könnte eine systematische "Entrepreneurship Education" im Sinne einer Gründerausbildung oder eines Gründertrainings einen wichtigen Beitrag leisten. Dadurch könnten allgemeine Kompetenzen wie Kreativität, kritisches Denken und Risikobereitschaft gezielt gefördert und auch konkrete betriebswirtschaftliche Fachkenntnisse zur Unternehmensgründung, Geschäftskultur sowie Innovations- und Wettbewerbsfähigkeit vermittelt werden. Studien zeigen, dass viele junge Menschen gute Geschäftsideen haben, aber nicht wissen, wie man sie vorantreibt.

Bislang konzentriert sich Entrepreneurship Education allerdings weitgehend auf den Hochschulbereich und Studierende gelten als wichtigste Zielgruppe. Das spiegelt sich beispielsweise im Programm "Praxispartnerschaften zwischen Hochschulen und Unternehmen in Deutschland und in Entwicklungsländern" wider, mit dem der Deutsche Akademische Austauschdienst (DAAD) unter anderem Projekte im Bereich Entrepreneurship-Ausbildung fördert. Auch die African German Entrepreneurship Academy (AGEA), eine gemeinsame Initiative des International SEPT-Programms der Universität Leipzig mit Partnern aus Afrika und Deutschland, richtet sich vorrangig an Hochschulen und ihre Absolventinnen und Absolventen.

Selbstständigkeit als Karriereoption

An den Hochschulen stößt die Einrichtung entsprechender Kurse auf viele Widerstände, etwa umständliche und langwierige bürokratische Prozesse und einen großen Mangel an Lehrkräften. Außerdem dominiert die Vermittlung von Lehrbuchwissen die Lehre an afrikanischen Universitäten. Praxisbezogener Unterricht, der für die Entwicklung von Geschäftsideen notwendig ist, lässt sich kaum durchsetzen. Die Lehrenden ziehen die Forschung praktischer Arbeit vor. Die Unterstützung von Studierenden bei unternehmerischen Aktivitäten gilt als wenig förderlich für die eigene Karriere.

Einige Untersuchungen zeigen außerdem, dass die Motivation zur Unternehmensgründung in manchen Ländern gerade unter Hochschulstudierenden sehr gering ist, die eher eine Karriere als Angestellte im öffentlichen Dienst oder bei großen Unternehmen anstreben.

Umso mehr empfiehlt es sich, Elemente der Entrepreneurship Education stärker in Maßnahmen der beruflichen Bildung aufzunehmen und damit auf die Selbstständigkeit als Karriereoption aktiv hinzuarbeiten. Die integrierte Vermittlung von fachlichen und unternehmerischen Fähigkeiten kann Lernende im Rahmen ihrer Ausbildung gezielt auf eine Karriere als Geschäftsmann oder -frau vorbereiten.

Für deutsche Bildungsanbieter kann es ihren afrikanischen Kunden gegenüber von Vorteil sein, die eigenen Angebote durch die Vermittlung unternehmerischer Kompetenzen zu ergänzen und aufzuwerten. Da auch Organisationen der Entwicklungszusammenarbeit die Bedeutung des Themas für ihre Arbeit erkannt haben, bieten entsprechende Angebot auch Anknüpfungspunkte für Bildungsanbieter, die beispielsweise im Unterauftrag der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) tätig werden möchten.

Obwohl ein Gründertraining kein Allheilmittel gegen Jugendarbeitslosigkeit darstellt, kann es viele Menschen bei der Verwirklichung ihrer Zukunftspläne fördern und unterstützen. Zusätzlich zu entsprechend verbesserten Berufsbildungsangeboten sind für die Förderung beruflicher Selbstständigkeit allerdings auch die passenden Rahmenbedingungen wichtig, die von Land zu Land variieren. Dazu zählen politische und makroökonomische Stabilität, Eigentums- und Rechtssicherheit, eine wettbewerbsorientierte Wirtschaftsordnung, niedrige Korruption, Zugang zu Kapital und das Vorhandensein von Investitionsanreizen.


Quelle: iMOVE, xPORT 2/2019