Martina Ziebell von MENA Projektpartner e. V. stellte das System der beruflichen Bildung in Ägypten vor.
Laut Ziebell strömen jedes Jahr 700.000 Neuzugänge auf den ägyptischen Arbeitsmarkt. Im Zusammenspiel mit der bestehenden Arbeitslosigkeit entsteht ein enormer Druck auf das ägyptische System.
Die Ressourcen für Bildung sind seit 2005 kontinuierlich gesunken. Die Alphabetisierungsrate ist trotz der Schulpflicht von neun Jahren rückläufig. Das private Bildungssystem ist in vielen Bereichen exzellent. Dagegen steht das staatliche, unterfinanzierte Bildungssystem.
Ziebell stellte die verschiedenen Wege einer beruflichen Bildung in Ägypten dar. Neben dem klassischen Bildungssystem gibt es die Technical Secondary Schools (TSS), die dem Bildungsministerium unterstehen. Weitere Träger der beruflichen Bildung sind staatliche Berufsbildungszentren, die Industrie und private Bildungsanbieter. Darüber hinaus gibt es auch viele Direkteinsteiger, die von der Schule direkt in den Betrieb gehen und ihren Beruf durch "Learning by Doing" erlernen.
Jedes Ministerium hat ein Konglomerat von Berufsbildungszentren. Um das System zu reformieren, müssten alle Ministerien an einen Tisch gebracht werden und ein einheitliches Ausbildungssystem schaffen. Hier verwies sie mehrfach auf die Deutsche Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ), die in diesem Bereich aktiv ist.
Die Herausforderungen an ein einheitliches berufsbildendes System in Ägypten sind vielfältig. Defizite sind zum Beispiel die Unübersichtlichkeit, veraltete Einrichtungen und Lehrmaterialien oder unqualifizierte Lehrkräfte, die keine Fortbildungen erhalten. Berufsschullehrer haben meist nur eine theoretische Ausbildung absolviert.
Laut Ziebell muss sich die neue Regierung erst finden und wartet noch mit Entscheidungen. Die Unternehmen beklagen den Fachkräftemangel, zögern jedoch gleichzeitig, sich finanziell an einer Ausbildung zu beteiligen.
Neue Berufe wie Kraftfahrzeug-Mechatroniker oder Systemplaner sind im staatlichen System nicht zu finden. Eine fehlende Datenerhebung zum Bedarf der ägyptischen Wirtschaft schafft Probleme, weil es keine Zahlen gibt, aus denen ein Bedarf abgeleitet werden kann.
Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer stimmten der Referentin zu, dass eine Erhebung und Veröffentlichung solcher Daten die Unstimmigkeiten verdeutlichen würden und somit gleichzeitig ein Lösungsvorschlag aufgezeigt werden müsste, um keine weiteren Unruhen in Ägypten zu provozieren.
Durch private Einrichtungen zur beruflichen Weiterbildung versucht man in Ägypten, die Lücke zwischen erreichter Qualifikation der Auszubildenden und deren Beschäftigungsfähigkeit ("Employability") zu schließen.
Ziebell erläuterte die Rolle der Ministerien bei der beruflichen Bildung und die gesellschaftlich-kulturelle Stellung von Bildung in Ägypten.