"Russland – viel besser als sein Ruf"

Marktchancen im russischen Aus- und Weiterbildungssektor

"Russland – viel besser als sein Ruf!" Unter diesem Motto eröffnete Katharina Schöne von der AHK Moskau das Russland-Seminar beim Deutschen Industrie- und Handelskammertag im Berliner Haus der Wirtschaft.

Schöne informierte die Anwesenden über die aktuellen wirtschaftlichen Entwicklungen in Russland aus der Sicht deutscher Mitgliedsunternehmen.

Russland befindet sich nach wie vor in einer Krise. Für 2017 erwartet man aber eine Erholung. So wird prognostiziert, dass das Bruttoinlandsprodukt um etwa zwei Prozent steigt. Im Vergleich zu den übrigen BRICS-Staaten Brasilien, Indien, China und Südafrika hat sich Russland laut Doing Business Report, der wirtschaftsrelevante Daten in 185 Ländern weltweit untersucht, verbessert. Dennoch kann man keine rosigen Zeiten erwarten, sagte Schöne.

Für einen Markteintritt in Russland sprechen vor allem die Größe des russischen Marktes und der gesamten Eurasischen Wirtschaftsunion sowie die strategische Bedeutung Russlands für Deutschland. Außerdem ist das Geschäftsklima nicht so schlecht, wie es deutsche Medien mitunter darstellen, befand Katharina Schöne. In Russland sind immer noch 5.200 deutsche Unternehmen ansässig. Nach China ist Deutschland der zweitgrößte Handelspartner Russlands. Deutsche Unternehmen sind führend bei Lokalisierung und bei Investitionen.

Baustellen sehen die Unternehmen bei der Inflation, bei Wechselkursschwankungen und beim Vertrauensverlust wegen Sanktionen. Die Korruption ist nach wie vor ein Thema in Russland.

Schöne beendete ihren sehr informativen Beitrag mit Markteintrittsstrategien und hilfreichen Tipps für die Kontaktanbahnung. Vor Ort bietet die AHK Moskau zahlreiche Serviceleistungen an und ist seit vier Jahren auch in der Berufsbildung aktiv.

Ramona Neuse stellte das Projekt VETnet vor [VETnet: German Chambers worldwide network for cooperative, work-based Vocational Education and Training].

Bereits seit 2013 fördert das Bundesministerium für Bildung und Forschung (BMBF) das Projekt. Es zielt auf die Implementierung dualer Elemente in die Berufsbildungssysteme ausgewählter Länder ab und startete an elf AHK-Standorten. Bis 2018 sollen die Voraussetzungen für weitere pilothafte duale Ausbildungsgänge geschaffen werden – unter anderem über Ausbilder- und Prüferschulungen.

Russische Bildungsreform bringt viel Neues

Dr. Sabine Carl vom BMBF berichtete von der deutsch-russischen Kooperation in der Berufsbildung. Die letzte Sitzung fand im Juni 2017 in Sankt Petersburg statt, die nächste Sitzung folgt 2018 in Hamburg.

Dr. Hannelore Kress von Zentralstelle der Bundesregierung für internationale Berufsbildungskooperation (GOVET) im Bundesinstitut für Berufsbildung (BIBB) ergänzte die aktuellen Entwicklungen zur Reform des russischen Berufsbildungssystems und der Berufsbildung insgesamt.

So passt Russland jetzt die Finanzierungsgesetzgebung an und schafft Voraussetzungen für eine innerbetriebliche Weiterbildung. In die regionale Gesetzgebung werden Standards für die Ausbildung von innerbetrieblichen Ausbildern in Anlehnung an die deutsche Ausbildungseignungsprüfung (AEVO) einfließen. Auch der derzeitige Praxisanteil in der Ausbildung soll deutlich erhöht werden, von momentan 70 Prozent Theorie und 30 Prozent Praxis auf ein Verhältnis von 50 Prozent Theorie und 50 Prozent Praxis.

Eine sehr wichtige Rolle in der russischen Berufsbildungswelt spielen die internationalen Berufswettbewerbe WorldSkills. Per präsidialen Dekret soll die russische Nationalmannschaft für die heimische Weltmeisterschaft 2019 in Kazan fit gemacht werden. Bei den WorldSkills in Leipzig 2013 belegte Russland noch den letzten Platz im Medaillenspiegel. Bereits 2017 gewann die russische Mannschaft in Abu Dhabi 6 Gold- und 4 Silbermedaillen. Entsprechend feierlich empfing ein stolzer Präsident Putin die russische WorldSkills-Mannschaft.

Die neue konservative Bildungsministerin Olga Yurevna Vasilieva unterstützt die Internationalisierung der Bildung grundsätzlich. Dennoch lässt sie beispielsweise Schulbücher hinsichtlich orthodoxer Werte überarbeiten.

Als neue Themenfelder, die für die russische Föderation von Interesse sind, nannte Dr. Hannelore Kress:

  • digitale Kompetenzen/Qualifikationen,
  • neue Berufe (zum Beispiel Drohnenführer, Nanotechnologe),
  • Umweltberufe,
  • Pflege und Gesundheitsberufe sowie
  • Berufe in der Landwirtschaft.

BMBF-Förderrichtlinie: Skizzen noch bis Mai 2018 einreichen

Antje Wessels vom Projektträger im Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt (DLR) stellte die Förderrichtlinie des BMBF "Internationalisierung der Berufsbildung" vor.

Das BMBF versteht die Aus- und Weiterbildungsanbieter aus Deutschland als Botschafter für "Training – Made in Germany". Deshalb ist es für das Bildungsministerium besonders wichtig, Bildungsanbieter durch Fördermaßnahmen bei der Erschließung internationaler Märkte zu unterstützen. Die neue Förderrichtlinie soll auch dazu beitragen, das große Potenzial der deutschen Bildungswirtschaft im Rahmen der bilateralen Berufsbildungskooperationen des BMBF nutzbar zu machen.

In Russland wurden bereits zwei Calls zum Thema unabhängige Prüfungsstandards für Kraftfahrzeugmechaniker und Fliesenleger veröffentlicht.

Noch bis zum 31. Mai 2018 können Bildungsanbieter Skizzen für die offene Förderrichtlinie C "Stärkung der Internationalisierung deutscher Berufsbildungsanbieter, Unterstützung des nachhaltigen Zugangs zu Auslandsmärkten" einreichen.

Langer Atem für Bildungsmarkt Russland

Nadja Parcsami von der Firma Dr.-Ing. Paul Christiani GmbH & Co. KG berichtete über ihre Erfahrungen im russischen Markt.

Für den Markteintritt hat Christiani einen Partner in Ekaterinenburg identifiziert. Ekaterinenburg ist eine Hochburg der metallverarbeitenden Industrie und hat renommierte private Universitäten. Der Partner verfügte über gute Kontakte und Netzwerke und hat bereits internationale Projekte angebahnt. Dank der guten Kontakte unterzeichnete der Partner zum Beispiel ein Kooperationsabkommen in Anwesenheit des damaligen Bildungsministers. Dennoch kam es bisher zu keinem konkreten Auftrag für Christiani.

Gründe vermutet Parcsami in Sanktionen und Wechselkursschwankungen in Russland. Dennoch sieht sie weiterhin großes Potenzial im russischen Bildungsmarkt und wird mit langem Atem dranbleiben.
Blick in den Seminarraum auf einige Bildungsanbieter
zwei Bildungsanbieterinnen im Gespräch
zwei Bildungsanbieter im Gespräch
Referentin bei ihrem Vortrag

Berufsbildung in Russland

wehende Nationalflagge

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