Berufsbildung in Ägypten

Szene Ausbildung Ägypterinnen an Nähmaschinen
© Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer
Informieren Sie sich über die Organisation und Struktur der beruflichen Ausbildung in Ägypten.

Der Artikel ist ein Auszug aus der iMOVE-Marktstudie Ägypten für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung, die in aktualisierter Fassung soeben erschienen ist.

Berufliche Ausbildung auf ägyptische Art

In Ägypten beginnt das, was man unter beruflicher Bildung verstehen kann, bereits mit dem Besuch einer Technischen Sekundarschule (TSS), einer rein schulischen Ausbildung.

Neben den TSS bieten die staatlichen Berufsbildungszentren die meisten Ausbildungsplätze an, beispielsweise in den Bereichen Bau, Industrie, Landwirtschaft und Gesundheit. Das Ministerium für Handel und Industrie (MoTI) betreibt rund 1.200 dieser Berufsbildungszentren.

Weitere Ausbildungsmöglichkeiten finden sich in der Industrie, bei privaten Bildungsanbietern oder im informellen Sektor, der vielen Jugendlichen über das Prinzip "Learning by Doing" einen Einstieg in das Berufsleben ermöglicht. Manche Unternehmen betreiben eigene Ausbildungszentren.

Trotz Abschluss keine Beschäftigungsgarantie

Auch mit dem Abschlusszeugnis einer Sekundarschule oder eines Berufsbildungszentrums finden viele Ägypterinnen und Ägypter keine Anstellung mit einer regelmäßigen Bezahlung.

Die Absolventen konkurrieren auf der einen Seite mit Universitätsabsolventinnen und -absolventen, die keine qualifizierte Anstellung finden und sich vermehrt auf die Stellen bewerben, die für die Abgänger der Berufsbildungszentren geeignet sind.

Auf der anderen Seite konkurrieren sie mit angelernten Arbeitskräften, die betrieblich ausgebildet wurden und von Unternehmen bevorzugt eingestellt werden, weil sie bereits über Erfahrungen in der Praxis verfügen.

Herausforderung Reform der Berufsbildung

Immer wieder wurden Versuche unternommen, das ägyptische Berufsbildungssystem zu strukturieren und zu reformieren, zuletzt mit dem Supreme Council on Human Resource Development (SCHRD) unter Führung des Ministeriums für Arbeitskräfte und Migration.

Allein die Vielzahl der beteiligten Ministerien zeigt jedoch, wie langwierig und mühselig dieses Unterfangen ist. Reformen müssen in vielen Bereichen ansetzen: bei veralteten Einrichtungen und Lehrmethoden, dem niedrigen Qualifikationsniveau der Lehrkräfte, fehlender Weiterbildung der Ausbilderinnen und Ausbilder, einem Lehrplan, der dem aktuellen Entwicklungsstand und den Ansprüchen der Industrie hinterherhinkt und mangelnder Kooperation mit dem Privatsektor, für den eigentlich ausgebildet werden soll.

Je nachdem welches Ministerium verantwortlich ist, kann ein und derselbe Ausbildungsberuf mit völlig unterschiedlichen Curricula und Anforderungen an den Auszubildenden unterrichtet werden. Das Ministerium für Handel und Industrie hat sich vor einigen Jahren des Themas "nationale Ausbildungsstandards" angenommen.

Akuter Reformbedarf bei Qualität der Ausbildung

Ein Bericht der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beklagt, dass Studierende der TSS kaum Chancen haben, auf dem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, und dass ihnen nur begrenzte Möglichkeiten zur Weiterbildung offenstehen.

Geld öffnet die Tür zur universitären Bildung. Diejenigen, die sich solche Privilegien nicht leisten können, müssen sich mit schlecht bezahlten Jobs für Geringqualifizierte abfinden oder besuchen eine TSS, ohne damit ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt wesentlich zu verbessern.

Laut einer Studie des Egyptian Center for Economic Studies werden für ein Drittel der Schülerinnen und Schüler auf allgemeinen Sekundarschulen beinahe genauso viele finanzielle Mittel aufgewendet wie für die zwei Drittel, die die TSS besuchen.

Die Verbesserung der Qualität der beruflichen Ausbildung wird bei den Reformbemühungen im Vordergrund stehen müssen. Arbeitgeber beklagen sich darüber, wie schwer es ist, Angestellte mit angemessener Qualifikation und Berufserfahrung zu finden, sei es bei sektorspezifischen Fachkenntnissen oder Soft Skills wie selbstständiges Arbeiten oder Pünktlichkeit.

Kurzfristig erwarten Expertinnen und Experten angesichts der angespannten Haushaltslage keine Änderungen bei der Finanzierung des öffentlichen Bildungssektors.

Szene Ausbildung in Autowerkstatt in Ägypten
© Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer

TVET-System Ägypten

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Marktstudie Ägypten

Titelbild mit Flagge Ägypten, Text: Marktstudie Ägypten für den Export beruflicher Aus- und Weiterbildung
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Marktinformationen Ägypten

wehende ägyptische Flagge
Informationen zum Bildungsmarkt Ägypten: News, iMOVE-Publikationen, Veranstaltungen, Links, Kooperationsgesuche

Fachartikel - Berufsbildung in Ägypten

Dieser Fachartikel ist ein Auszug aus der iMOVE-Marktstudie Ägypten (Kapitel 2.2 "Berufliche Ausbildung"), die Anfang 2017 vollständig überarbeitet neu erschienen ist.

Ein Schaubild mit der Darstellung des Bildungssystems in Ägypten finden Sie in der iMOVE-Marktstudie Ägypten auf der Seite 30.

  • Inhalt der Marktstudie: Deutsch-Arabische Industrie- und Handelskammer
  • Autorinnen und Autoren der Marktstudie: Karin El-Shafei, Martina Ziebell, Azza Bilal, Dr. Rainer Herret, Yasmin Fauzy, Yasmine Bakr

Quelle: iMOVE; Auszug aus iMOVE-Marktstudie Ägypten 2017, 27.03.2017