Indische Regierung veröffentlicht kritischen Bericht über NSDC und SSC

Nach Unregelmäßigkeiten im finanziellen Bereich der National Skill Development Corporation (NSDC) beauftragte die indische Regierung eine genaue Analyse der Tätigkeiten der NSDC und der Sector Skill Councils (SSC). Die Regierung veröffentlichte den kritischen Bericht im April 2017. Lesen Sie hier wichtige Kritikpunkte des Komitees unter Leitung von Sharda Prasad.

Die Comptroller and Auditor General of India (CAP), eine dem deutschen Bundesrechnungshof vergleichbare Einrichtung in Indien, stellte bei der NSDC schwerwiegende Unregelmäßigkeiten im Umgang mit Finanzen fest. Daraufhin beauftragte der ehemalige Staatsekretär im Ministry of Skill Development and Entrepreneurship (MSDE), Shri Rohit Nandan, im Sommer 2016 ein Komitee, das die Tätigkeiten der NSDC und der SSC genau untersucht.

Zum Leiter und Berichterstatter berief Nandan den langjährigen Direktor des Directorate General of Employment and Training (DGET) im Ministry of Labour and Employment (MoLE), Sharda Prasad. Weitere Mitglieder der Arbeitsgruppe waren unter anderem Berufsbildungsexperten wie Ram Lakhan Singh, ehemaliger stellvertretender Direktor der DGET unter Sharda Prasad, und Professor Santosh Mehrotra, Generaldirektor des Institute for Applied Manpower Research der ehemaligen indischen Planungskommission, jetzt Lehrstuhlinhaber an der Jawaharlal-Nehru-Universität in Neu-Delhi.

Umfangreiche Fakten belegen mangelhafte Wirkung staatlicher Berufsbildung

Eine umfassende Einschätzung des Berichts würde zu weit führen. Daher konzentriert sich dieser Artikel auf Aspekte, die aus deutscher Perspektive besonders bemerkenswert erscheinen.

Mit umfangeichen Daten und Fakten zeigt der Bericht einen äußerst offenen und kritischen Umgang mit den unter der Ägide der NSDC ins Leben gerufenen, letztlich ausschließlich staatlich finanzierten, Berufsbildungsprogramme und Aktivitäten. Dabei schließt der Bericht selbst das Flaggschiff-Programm des MSDE zur Kurzzeitqualifizierung einer großen Anzahl indischer Jugendlicher, das Pradhan Mantri Kaushal Vikas Yojana (PMKVY), ein.

Im Mittelpunkt der Kritik stehen unter anderem Aspekte wie

  • die mangelhafte Qualität der über die staatlichen Programme geförderten Kurzzeitkurse,
  • die zu geringe Vermittlungsrate in den Arbeitsmarkt aufgrund industrieferner Inhalte der Kurse,
  • die praktisch nicht vorhandene Beteiligung der Wirtschaft an der Finanzierung der durch die NSDC geführten Aktivitäten,
  • die geringe Relevanz der National Occupational Standards / Qualification Packs, die von den durch die NSDC gebildeten SSCs vorgelegt wurden sowie
  • die ausschließliche Gewinnorientierung der bei der NSDC akkreditierten Bildungsanbieter und die daraus entstehenden Unregelmäßigkeiten.

Schlussfolgerungen und Empfehlungen für indische Berufsbildung

Erstmalig trägt der Bericht auch eine Reihe ordnungspolitischer Erwägungen vor. Hier ist die Funktion der NSDC hervorzuheben. Die Einrichtung ist gleichzeitig Umsetzer, Prüfer und Regulator von berufsbildungspolitischen Maßnahmen, was unweigerlich einen Interessenkonflikt zur Folge hat.

Als Konsequenz dieser Kritik an der NSDC schlägt der Bericht die Bildung einer unabhängigen, neutralen und gesamtindischen Prüfungsbehörde auf der Grundlage bereits bestehender Strukturen in Form des National Council for Vocational Training (NCVT) vor.

Die Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Komitees orientieren sich stark an einer aufzuwertenden institutsbasierten beruflichen Bildung in Form von Vocational Colleges. Gleichzeitig betonen die Fachleute aber mehrfach die große Bedeutung der Entwicklung von beruflichen Bildungsprozessen in Unternehmensstrukturen und gehen in diesem Zusammenhang auch mehrfach auf "das deutsche Beispiel" ein.

Interessant ist auch die Empfehlung einer Überführung bestehender gesetzlicher Grundlagen zur Berufsbildung in ein umfassendes Berufsbildungsgesetz in Form eines "Vocational Education and Training Act" (VETA). Mit dieser Formulierung weicht das Komitee explizit von der bisher üblichen Sprachregelung "Skill Development" ab.

Öffentliche Debatte über strukturelle Änderungen in Berufsbildung eingeleitet

Das Komitee legte den Bericht am 10. Dezember 2016 vor. Shri Rohit Nandan, der am 31. Januar 2017 in den Ruhestand versetzt wurde, überließ es seinem Nachfolger Dr. K. P. Krishnan, wie mit den Schlussfolgerungen und Empfehlungen des Berichts umgegangen wird. Letztlich entschied Krishnan, den Bericht am 26. April 2017 publik zu machen und eine öffentliche Debatte darüber anzustoßen.

In dieser Debatte werden sich auch die Verfechter der "NSDC-Linie" zu Wort melden. So ist damit zu rechnen, dass die Empfehlungen des Berichts nicht gänzlich umgesetzt werden.

Allerdings ist davon auszugehen, dass an der Struktur und der Arbeitsweise der NSDC und der ihr nachgeordneten Einrichtungen wie der SSCs erhebliche Korrekturen vorgenommen werden. Das wird notwendig, um die Qualitätsstandards der beruflichen Bildungsmaßnahmen zu heben und um die staatliche Berufsbildungslandschaft wieder mehr zu vereinheitlichen.

Inwiefern sich daraus praktische Konsequenzen wie die Verbesserung der Marktchancen für deutsche Anbieter in Indien ergeben, bleibt abzuwarten.

Auf jeden Fall bietet der ungewöhnlich offene und kritische Bericht eine Vielzahl von Anknüpfungspunkten für einen vertieften Dialog beispielsweise deutscher Experten mit den indischen Stakeholdern in Regierung und Wirtschaft.

  • Autor: Jürgen Männicke, iMOVE-Senior Berater Indien

Quelle: iMOVE