China: Fachkräftemangel verschärft sich

Für deutsche Firmen in der Volksrepublik (VR) China bleibt die Lösung von Personalfragen zentral für ihre Geschäftstätigkeit. Aufgrund der sich abflachenden Konjunktur nimmt auch die Gehaltsdynamik ab. Die Fluktuation sinkt. Dennoch stellen steigende Lohnkosten besonders lohnintensive Unternehmen vor Herausforderungen. Ebenso dürfte der Fachkräftemangel in den kommenden Jahren zunehmen.

Seit Jahren bilden für das Gros der in der VR China aktiven deutschen Unternehmen drei Personalthemen die Hauptherausforderungen: steigende Lohnkosten sowie das Finden und Halten qualifizierter Arbeitskräfte. Dies ergab die erneute Umfrage des Geschäftsklimaindex 2014 der Deutschen Handelskammer in China.

Allerdings verlieren Personalfragen trotz der nach wie vor angespannten Situation ein wenig an Brisanz. Hierzu dürfte auch die zu erwartende geringere Nachfrage nach Arbeitskräften beitragen. Laut der Umfrage planten 50 Prozent der deutschen Unternehmen, ihren Personalbestand im laufenden Jahr aufzustocken, im Jahr davor waren es noch 61 Prozent gewesen. Dagegen wollten 10 Prozent Personal abbauen - statt 8 Prozent im Vorjahr.

Nachdem die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne 2013 noch um 10,1 Prozent gestiegen waren, dürfte der Zuwachs laut Career International 2014 aufgrund des geringeren Wirtschaftswachstums sowie der niedrigeren Inflation nur noch bei 8,3 Prozent gelegen haben und 2015 ähnlich hoch ausfallen. Morgan McKinley erwartet für 2015 einen durchschnittlichen Gehaltsanstieg zwischen 6 und 8 Prozent mit den höchsten Steigerungen im Informationstechnologie-Segment.

Bei deutschen Firmen ist der Trend derselbe, so die Umfrageergebnisse der Deutschen Handelskammer in China. Wie in den vorangegangenen Jahren sollten die Gehaltszuwächse 2015 für Arbeiter (Blue Collar Worker) höher ausfallen als im Angestelltenbereich (White Collar Worker): 8,8 zu 7,8 Prozent. Auch das berüchtigte Jobhopping hat nachgelassen.

Neben der Stärkung der Einkommen will die neue chinesische Führung das Land von einer Lowtech- in eine Hightechnation mit einem entsprechend höheren Lohnniveau überführen. Darüber hinaus ist die Politik seit Jahren bestrebt, die Schere zwischen Arm und Reich nicht zu groß werden zu lassen. Zum Erhalt der sozialen Stabilität werden die - regional unterschiedlichen - Mindestlöhne in der Regel jährlich nach oben angepasst: 2013 in 26 Provinzen um im Durchschnitt 18 Prozent, 2014 in 19 Provinzen um 14,1 Prozent.

In Shanghai beispielsweise war der monatliche Mindestlohn 1993 bei seiner Einführung auf 210 Renminbi Yuan (RMB) festgesetzt worden. Zuletzt wurde er 2015 auf 2.020 RMB aufgestockt (umgerechnet rund 304 Euro; 1 Euro = 6,64 RMB, Stand: 23.4.15). Dies entspricht nominal fast einer Verzehnfachung innerhalb von 22 Jahren. Ähnlich verlief die Entwicklung in nahezu allen Provinzen und regierungsunmittelbaren Städten, wobei die Unterschiede innerhalb der Provinzen mit bis zu 50 Prozent erheblich sein können.

In der Regel weisen die Provinzhauptstädte die jeweils höchsten Mindestlöhne auf. An den Erhöhungen orientieren sich die Steigerungen der darüber liegenden Lohn- und Gehaltsgruppen. Des Weiteren werden die Mindest- sowie die Durchschnittslöhne zur Berechnung der Lohnnebenkosten herangezogen. Es ist davon auszugehen, dass die Mindestlöhne auch künftig kontinuierlich angepasst werden. Zumindest bis 2015 will der Staatsrat eine jährliche Erhöhung von mindestens 13 Prozent durchsetzen. Politisches Ziel ist eine Höhe von 40Prozent der jeweiligen Durchschnittsgehälter.

 

Rückgang der Erwerbsbevölkerung

 

Abgesehen von den steigenden Lohnkosten häufen sich Klagen über Engpässe bei der Rekrutierung von Arbeitskräften - sowohl quantitativer als auch qualitativer Natur.

Tatsächlich war 2012 das erste Jahr seit Erfassung dieser Zahl, in dem sich die chinesische Bevölkerung im Arbeitsalter von 15 bis 59 Jahren verringerte, nämlich gegenüber 2011 um 3,45 Millionen auf 937 Millionen Personen. 2014 betrug die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter (15 bis 59 Jahre) 915,83 Millionen Menschen, das waren 3,71 Millionen weniger als im Vorjahr. Bis 2023 soll sich der jährliche "Schwund" auf 8 Millionen Personen erhöhen, analysierte die China Daily.

Allerdings könnte der Primärsektor mit 31,4 Prozent der erwerbstätigen Bevölkerung sowie die Heraufsetzung des Rentenalters von derzeit 60 Jahren für Männer und 55 Jahren für Frauen eine "Stellschraube" zur Erhöhung der Erwerbsbevölkerung in der Industrie darstellen. Laut Ministry of Human Resources and Social Security (MOHRSS) soll bis 2017 ein Plan zur Erhöhung des Rentenalters ausgearbeitet werden.

Auch in anderer Hinsicht bleibt der Druck auf den Arbeitsmarkt: Arbeitgeber sehen kurz- und mittelfristig einen verstärkten Trend zur sogenannten Hochschulausbildung. Mit 7,13 Millionen Universitätsabgängern wurde 2014 erneut eine Rekordmarke erreicht. Für 2015 erwartet das Ministry of Education 7,49 Millionen Absolventen. Parallel sinke bei jungen Leuten die Bereitschaft, körperliche oder handwerkliche Arbeiten zu übernehmen.

In der Folge verschärft sich der ohnehin bestehende Facharbeitermangel. Viele Arbeitgeber klagen, dass Bewerber zu wenig Interesse an Einsteigerjobs mitbrächten oder ihre Fähigkeiten überschätzten. Laut einer CASS-Studie liegt die Arbeitslosigkeit von Hochschulabsolventen bei 30 Prozent. Li Keqiang kündigte deshalb im März 2015 an, durch die Förderung von Startups insgesamt 10 Millionen neue Arbeitsplätze schaffen zu wollen.

Der Mangel an qualifiziertem Personal ist speziell auch für Firmen ein Problem, die dem "Ruf der Regierung in Chinas Westen" folgen. Hier ist die Diskrepanz zwischen offenen Stellen und der Zahl geeigneter Bewerber besonders groß. Doch selbst im Osten lassen sich nicht alle offenen Positionen besetzen. Besonders stark ist der Wettbewerb um Ingenieure, aber auch um andere Fachkräfte und Leitungspersonal. Einem Bericht der China Daily zufolge auf Basis von Daten der amerikanischen Beratungsgesellschaft Hay besteht der größte Mangel in den vier Bereichen Lifesciences, Informationstechnologie, Banken und Finanzen sowie Ingenieurwissenschaften.

 

Titel lassen nicht auf Qualifikation schließen

 

Bei der Personalsuche ist in der VR China vieles anders als in Deutschland. Zwar brillierten Shanghaier Schüler im Dezember 2012 in Mathematik, Naturwissenschaften und Lesen und gewannen damit das zweite Mal in Folge den alle drei Jahre stattfindenden PISA-Test der OECD (Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung). Doch weist das chinesische Bildungssystem landesweit enorme Qualitätsunterschiede auf. Trotz ähnlich klingender Titel lässt sich die Qualifikation eines Großteils der Abgänger nicht mit denen deutscher Hochschulen vergleichen, so die Einschätzung deutscher Personalchefs.

Zunächst zeichnen sich die meisten Ausbildungsgänge durch eine geringere Praxisnähe aus. Darüber hinaus trainieren die Studenten vor allem, Aufgaben anhand eines vorgegebenen Standardmodells abzuarbeiten. Wenig gefördert werden Analysefähigkeit und die Entwicklung eigener Problemlösungskompetenz. Entsprechend erwarten Berufsanfänger von ihren Vorgesetzten genaue Vorgaben und sind, zumindest in der ersten Zeit, kaum in der Lage, selbstständig Projekte durchzuführen.

Bewerber erfüllen vielfach nur einen kleinen Prozentsatz der Anforderungen im Stellenprofil. Bewerbungsunterlagen nach deutschem oder internationalem Standard sind in der Regel unbekannt, das heißt, wesentliche Daten fehlen, sind unvollständig oder falsch. Arbeitszeugnisse sind häufig entweder nicht vorhanden oder wenig aussagekräftig. Der Arbeitgeber muss auf Echtheit der Qualifikationsnachweise achten; wenn Zweifel bestehen, sollte das Unternehmen die Angaben direkt bei der Hochschule überprüfen.

Viele Unternehmen laden daher deutlich mehr Kandidaten zu Gesprächen ein als in Deutschland und testen diese ausgiebiger. Andere schalten bei ihrer Suche, insbesondere, wenn es sich um Stellen im mittleren oder oberen Management beziehungsweise um andere wichtige Leitungsfunktionen handelt, professionelle Personalvermittler ein. Dies ist nicht ganz preiswert (die Kosten liegen bei drei oder vier Monatsgehältern), spart aber Zeit und schafft Personalkontakte, die sonst nicht zustande gekommen wären. Allerdings führt selbst der Einsatz solcher Vermittler nicht immer zu den gewünschten Ergebnissen.

In den vergangenen zehn Jahren bewegten sich die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne um zum Teil weit über 10 Prozent pro Jahr nach oben. Das nachlassende Wirtschaftswachstum und die geringe Inflationsrate tragen jedoch derzeit zu einer Verlangsamung der Lohnentwicklung bei. Dies gilt speziell, wenn auch nicht flächendeckend, für die östlichen Landesteile. Dagegen findet in den Zentralprovinzen und im Westen - nicht zuletzt politisch forciert - eine nachholende Entwicklung statt. Im Schnitt übertreffen die Löhne und Gehälter in den 1st-Tier-Städten diejenigen in den 2nd-Tier-Städten um 40 Prozent.

Die durchschnittlichen Bruttomonatslöhne der städtischen Arbeiter und Angestellten erreichten 2013 nach jüngsten NBS-Veröffentlichungen 4.290 RMB - das waren umgerechnet rund 693 US-Dollar - ein nominales Plus von 10,1 Prozent (aber 1,8 Prozentpunkte unter dem Zuwachs von 2012). Die Beschäftigten von privaten Unternehmen verdienten mit 3.192 RMB pro Monat am wenigsten, während Unternehmen mit ausländischer Kapitalbeteiligung mit 5.264 RMB die höchsten Durchschnittsgehälter bezahlten.

Aktiengesellschaften folgten an zweiter Stelle mit 5.095 RMB. Generell ist eine Verringerung der Lohndifferenz zwischen Unternehmen mit Auslandskapital und denjenigen anderer Eigentumsformen zu beobachten. Verdienten beispielsweise Angestellte in Unternehmen mit Auslandskapital 1995 im Durchschnitt noch 58Prozent mehr als Angestellte in Staatsbetrieben, so waren es 2013 nur noch knapp 20 Prozent.

 

Hinweis

 

Der Artikel wurde stark gekürzt. Die Vollversion der Publikation "Lohn- und Lohnnebenkosten - VR China" steht Ihnen nach kurzer Registrierung kostenlos auf der Internetseite von Germany Trade and Invest GTAI zum Herunterladen zur Verfügung.

Sie finden darin weitere Informationen zur Personalsuche, zu Lohnentwicklung und Lohnbestandteilen, dem Einfluss von Gewerkschaften sowie der Vertragsgestaltung. Zusätzlich erhalten Sie eine Reihe von nützlichen Kontaktadressen.


Quelle: Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Länder.Märkte.Chancen. Die GTAI Online-News, 03.08.2015