Kroatiens Schulabgänger sind überqualifiziert

Kroatiens Schul- und Hochschulabgänger sind sehr häufig für die Beschäftigungsmöglichkeiten am Markt überqualifiziert oder haben Abschlüsse in den falschen Fächern. Sowohl Kroatiens Arbeitsminister, Mirando Mrsic, als auch Wissenschaftsminister, Vedran Mornar, erkennen hier großen Handlungsbedarf. Ausländische Arbeitgeber wollen die duale Ausbildung voranbringen. Rechtlich wurde die Grundlage dafür schon geschaffen, in der Praxis dürfte aber noch ein weiter Weg zu gehen sein.

Zum Thema "Duale Ausbildung" fand auf Initiative der Botschafter von Deutschland, Österreich und der Schweiz im März 2015 in Zagreb ein Fachforum statt. Nach den Erfahrungen eines großen deutschen Unternehmens in Kroatien sind rund 75 Prozent der Stellenbewerber überqualifiziert, sowohl Abgänger von Hochschulen als auch von Berufsfachschulen. Den kroatischen Akademikern bescheinigt er ein sehr hohes Niveau, Abwerbungen des Mutterhauses von der Niederlassung in Kroatien seien nicht selten. Die Praxis würde im Studium jedoch völlig ausgeblendet. Gewöhnlich sei noch eine unternehmensinterne Ausbildung von sechs bis zwölf Monaten nötig.

Auch die Statistik des kroatischen Arbeitsministeriums zeigt, dass Angebot und Nachfrage am Arbeitsmarkt qualitativ auseinanderfallen: Demnach verfügen 59 Prozent der rund 330.000 Arbeitslosen über eine drei- bis fünfjährige fachliche Berufsausbildung, während 26 Prozent nur maximal die Grundschule absolviert haben, 12 Prozent einen Hochschulabschluss und drei Prozent das Abitur in der Tasche haben.

Berufsabschlüsse können inzwischen zwar grundsätzlich dual erworben werden. Dies ermöglicht das "Gesetz über das kroatische Qualifikationssystem" von 2013. In der Regel findet das praktische Lernen jedoch nur in Schulwerkstätten statt.

Knapp 130.000 oder gut 70 Prozent aller Schüler in der Sekundarstufe II nehmen gegenwärtig an den fachlichen Berufsausbildungsprogrammen teil. Besonders populär sind Ausbildungsgänge, die vier Jahre oder länger dauern. Seit 2004/05 seien insgesamt 61 Fachrichtungen in die Ausbildung aufgenommen worden, die meisten in den Bereichen Maschinenbau, Schiffbau, Metall, Elektrotechnik, Buchhaltung sowie Gaststättengewerbe und Tourismus.

Die schlechte Arbeitsmarktsituation dürfte die Schüler dabei oft unnötig lange die Schulbank drücken lassen und im Ergebnis zu theoretischen Überqualifizierungen führen.

Als ein Problem stellt Arbeitsminister Mirando Mrsic die übermäßige Spezialisierung der fachlichen Ausbildung dar. Statt einer Ausbildung zu einem vielseitig verwendbaren Installateur gebe es beispielsweise nur die Spezialausbildung zu einem Installateur jeweils für Heizung, Wasser oder Gas. Unter anderem würden auch Grafikdesigner ausgebildet, für die es am Arbeitsmarkt keine Stellen gebe.
Hürden für duale Ausbildung

Bei der dreijährigen Ausbildung in einem Handwerk besteht grundsätzlich die Möglichkeit, parallel in einem Betrieb als Lehrling zu arbeiten. Das Angebot an Lehrstellen ist jedoch sehr gering. Als verantwortlich dafür gelten in Kroatien die schlechte Konjunkturlage sowie das Schließen vieler Handwerksbetriebe, seit ein neues Handwerksgesetz in Kraft ist. Dieses regelt unter anderem auch die rechtlichen Verhältnisse zwischen ausbildendem Betrieb und Lehrling. Anders als in Ungarn oder der Slowakei gibt es in Kroatien nur wenige größere ausländische Unternehmen, die eigene Trainingsprogramme für Lehrlinge haben.

Wissenschaftsminister Vedran Mornar hält nur eine sehr allmähliche Entwicklung auf dem Weg zu einem umfassenderen dualen Ausbildungssystem für realistisch. Wie in vielen mittelost- und südosteuropäischen Ländern sind die Widerstände des etablierten Schulsystems und auch der Eltern sehr groß. Die Mittelschicht strebt für ihren Nachwuchs mit großem Einsatz eine akademische Ausbildung an.

Optimistischer zeigt sich Arbeitsminister Mrsic. Im Rahmen des operativen Programms "Zur Erschließung der Humanressourcen" soll mit Strukturhilfen der Europäischen Union aus dem Sozialfonds (ESF) bis 2020 auch das duale Berufsausbildungssystem gefördert werden. Für die Verbesserung der Berufsausbildung stehen für Kroatien insgesamt 500 Millionen Euro bereit. Denkbar sei, dass Schüler der Metallfachschule parallel praktisch auf einer Werft ausgebildet würden, wobei ausländische Ausbilder zum Einsatz kämen. Aus den ESF-Mitteln könnte den Lehrlingen dann ein kleines Gehalt gezahlt werden. Durch die bessere Anpassung der beruflichen Bildung an die Marktverhältnisse könne auch die hohe Arbeitslosigkeit vor allem bei jüngeren Menschen angegangen werden.

Auf Initiative unter anderem der Deutsch-Kroatischen Industrie- und Handelskammer ist in Kroatien die Stiftung "Wissen am Werk" gegründet worden, die speziell die berufliche Ausbildung entsprechend den Anforderungen der Wirtschaft unterstützen will, und zwar auf allen Ebenen, der schulischen, beruflichen und akademischen.

Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Die GTAI Online-News, 20.04.2015