Deutsche Unternehmer sehen gute Chancen im Baltikum

Deutsche Unternehmen glauben trotz des Russland-Konflikts weiterhin an gute Perspektiven auf den drei baltischen Märkten. Neun von zehn der deutschen Investoren geben in einer aktuellen Umfrage der Auslandshandelskammer (AHK) Baltische Staaten an, dass sie heute wieder in die Region investieren würden.

96 Prozent der von der Deutsch-Baltischen Handelskammer für Estland, Lettland und Litauen befragten deutschen Unternehmer in Estland würden sich derzeit wieder für ihr Gastland als Investitionsstandort entscheiden. In Lettland sind es 82 Prozent und in Litauen 93 Prozent.

"Diese Einschätzung ist über die vergangenen zehn Jahre konstant geblieben", kommentiert AHK-Präsident Thomas Schöllkopf: "Auch die Einschränkungen aufgrund der russischen Sanktionspolitik können die dauerhafte Attraktivität der baltischen Standorte nicht brechen. Alle drei Werte sind im Vergleich zu 2014 in diesem Jahr sogar noch leicht gestiegen."

Schöllkopf räumt ein, dass seit Beginn des Ukraine-Konflikts vor einem Jahr die Unternehmen in den baltischen Staaten besorgt seien. "Dennoch zeigen die Ergebnisse unserer Umfrage deutlich, dass ihre wirtschaftliche Situation, Erwartungen und Zukunftspläne weiterhin sehr gut sind."

Die aktuelle Wirtschaftslage in den baltischen Staaten wird von den dort aktiven deutschen Unternehmen bereits im fünften Jahr in Folge mit mehrheitlich gut oder befriedigend bewertet. Tatsächlich lag die wirtschaftliche Entwicklung aller drei baltischen Staaten auch 2014 wieder deutlich über dem Durchschnitt der Europäischen Union (EU).

Im regionalen Vergleich bewerten die in Litauen ansässigen Unternehmen die Lage an ihrem Standort am positivsten: 61 Prozent urteilen mit "gut", 37 Prozent mit "befriedigend". In Estland zeigen sich insgesamt 96 Prozent mit der Lage zufrieden ("gut", "befriedigend"). Mit Lettlands Wirtschaftslage sind im Frühjahr 2015 immerhin 88 Prozent zufrieden.

Die überwiegende Mehrheit der Umfrageteilnehmer ist zufrieden mit der aktuellen Lage ihrer Branche. Mit 86 Prozent in Estland, 89 Prozent in Lettland und beeindruckenden 98 Prozent beurteilte die Mehrheit der Befragten die gegenwärtige Lage in der jeweiligen Branche als "gut" und "befriedigend". Auch blickt die Mehrheit zuversichtlich auf die weitere Entwicklung.

Die Stimmung der befragten Unternehmensvertreter in den baltischen Staaten in Bezug auf das eigene Geschäft ist im Vergleich zur Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Lage wie in den Vorjahren durchweg positiver. So haben mit je 97, 98 und 100 Prozent für Estland, Lettland und Litauen fast alle Befragten die gegenwärtige Lage des eigenen Geschäfts als "gut" oder "befriedigend" bewertet.

Auch das Vertrauen in die Zukunft bleibt. Nur wenige der Befragten erwarten für das Jahr 2015 eine Verschlechterung der Geschäftslage des eigenen Unternehmens. Zudem rechnet in Estland und Lettland jeder zweite mit steigenden Umsätzen – unabhängig von ihrer Einschätzung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung. In Litauen sind es sogar 65 Prozent.

Im Hinblick auf die Gesamtwirtschaft gehen dagegen etwas weniger Unternehmen als im Vorjahr von einer Verbesserung aus. Immerhin erwarten aber in Litauen weiterhin 40 Prozent der deutschen Betriebe, dass sich die wirtschaftliche Gesamtsituation positiv entwickelt. Gleichzeitig zeigt sich nur ein kleiner Teil der Befragten besorgt um die Lage. Die Mehrheit rechnet damit, dass die Situation unverändert bleibt. Nur in Lettland befürchten derzeit 33 Prozent, dass sich die lettische Wirtschaftsleistung 2015 verschlechtern könnte.

Der gedämpfte Optimismus für das aktuelle Geschäftsjahr hängt mit den gegenwärtigen Beziehungen zu Russland zusammen. Bei einer Blitzumfrage der AHK Baltische Staaten im Juni 2014 zeigte sich bereits ein erstes Abklingen der im Februar 2014 noch sehr optimistischen Konjunkturaussichten.

Trotz guter Bewertung der gegenwärtigen Wirtschaftslage, ist diese Besorgnis in Lettland im Februar 2015 bestehen geblieben. In Estland und Litauen erwarten dagegen weniger Unternehmen, dass sich die Lage verschlechtern wird, als dies noch im Juni 2014 der Fall war. Die Frage nach spürbaren Auswirkungen der russischen Sanktionen zeigt den Einfluss der gegenwärtigen Beziehungen: In Litauen spüren 60 Prozent bereits Auswirkungen oder erwarten diese, in Lettland sind es 70 Prozent der Befragten. In Estland hingegen sieht jeder zweite sein Geschäft von den Sanktionen unbeeinflusst.

Die befragten deutschen Unternehmen in der baltischen Region gehen im laufenden Jahr mehrheitlich von zumindest gleichbleibenden Investitionsausgaben aus. "Dies ist ein sehr positives Signal", so Schöllkopf. Mit 31 Prozent in Lettland und 46 Prozent in Litauen ist der Anteil derer, die mit steigender Investition rechnen, nahezu gleich geblieben. In Estland planen mit 14 Prozent weniger Befragte als 2014 höhere Investitionen, doch erwarten gleichzeitig weniger Betriebe sinkende Investitionen. Trotz erwarteter Lohnsteigerungen planen die Investoren außerdem, auch in diesem Jahr wieder in Estland, Lettland und Litauen neue Arbeitsplätze zu schaffen.

Die weiter verbesserten Noten für die Standortfaktoren in Estland, Lettland und Litauen zeigen auch in diesem Jahr die generell große Zufriedenheit der Befragten mit ihrem operativen Umfeld. Im Vergleich zu den anderen Staaten in Mittel- und Osteuropa bezeugen die Befragten die überdurchschnittliche Attraktivität der drei Standorte. Der Euro als einheitliche Währung trägt zur positiven Bewertung der Standorte bei. In Lettland und Litauen, zwei der jüngsten Mitglieder der Eurozone, bewertet die große Mehrheit der Umfrageteilnehmer den Währungswechsel als positiven Schritt in die Zukunft.

Allerdings wird auch in diesem Jahr wieder deutlich, dass Handlungsbedarf der Regierungen in Estland, Lettland und Litauen in Bezug auf das Verwaltungswesen, das Steuerrecht und die Effizienz der Steuerbehörden besteht. Vor allem in Lettland und Litauen fordern die deutschen Unternehmen eine bessere Bekämpfung der Korruption.

Weiterer Kritikpunkt bleiben die Arbeitsmarktbedingungen, insbesondere die Verfügbarkeit von Fachkräften. Damit einhergehend bekamen die Bildungssysteme in Estland und Litauen ebenfalls eine schlechte Bewertung.

"Dass die Beurteilungen dieses Themenbereiches in Lettland gegenüber den Vorjahren positiver ausfallen, liegt sicher auch an den dort begonnen Initiativen und Pilotprojekten, mit denen eine bedarfsorientierte Berufsausbildung entwickelt werden soll", so Maren Diale-Schellschmidt, Geschäftsführerin der Deutsch-Baltischen Handelskammer. "Dabei werden Elemente des deutschen Dualen Berufsbildungssystems aktiv einbezogen. Im Rahmen unseres Projektes VETnet [German Chambers worldwide network (AHK) for cooperative, work-based Vocational Education & Training] beteiligt sich die Deutsch-Baltische Handelskammer am Standort Lettland sehr aktiv an der Einführung einer solchen praxisorientierteren Berufsausbildung."

Konjunkturumfrage

Ergebnisse der aktuellen und vergangenen Umfragen in den Baltischen Staaten stehen bei der Deutsch-Baltischen Handelskammer zum kostenlosen Herunterladen bereit.

Quelle: Deutsch-Baltische Handelskammer in Estland, Lettland, Litauen, ahk-balt.org, Aktuelle Nachrichten, 21.04.2015