Indien: Deutsche Ausbildungsbetriebe und das Nachwuchsproblem

30.000 junge Menschen strömen täglich auf den indischen Arbeitsmarkt und sie alle wissen: Ein Ausbildungsplatz ist wichtig. Ausbildungsplätze, wie sie deutsche Firmen wie Bosch oder Volkswagen auch in Indien anbieten, sind daher heiß begehrt. Das Problem: Nur wenige Bewerber eignen sich wirklich für die Lehrstellen.

Stolz steht Dashwini im so genannten Mechatronics-Lab, in der Hand einen Joystick. Teja Swini ist 19 Jahre alt, sie trägt einen grauen Arbeitsanzug, Sicherheitsschuhe und steuert einen kleinen Roboter, der seine Greifarme zu allen Richtungen ausfahren kann.

"Wenn der Roboter etwa etwas schrauben oder bohren soll, dann macht er das, weil wir ihn so programmieren können. Wir schreiben die Software dazu. Schrauben und Bohren geht natürlich auch per Hand, aber der Roboter spart uns Zeit."

Teja Swini ist Auszubildende beim Maschinenhersteller Bosch in Bangalore und in ihrem dritten Lehrjahr.

"Mein Vater arbeitet auch hier, und er hat mir von der Ausbildung erzählt. Das hat mich interessiert. Und so bin ich bei Bosch gelandet. Und handwerklich und in der Technik hier bin ich jetzt ziemlich gut!"

 

Schwierige Auswahl

 

Insgesamt 180 Jugendliche machen bei dem deutschen Konzern ihre Ausbildung. Bosch ist nicht der einzige Exporteur der deutschen Lehre. Auch Volkswagen bildet in seinem Werk südlich von Mumbai Lehrlinge aus. In Indien gibt es eine riesige Nachfrage nach guter Bildung - entsprechend hart sind die Aufnahmeverfahren, sie erstrecken sich über drei Runden.

Steffen Berns ist der Indienchef bei Bosch und verantwortlich für mehr als 28.000 Mitarbeiter. Für ihn ist es nicht einfach, in Indien Fachkräfte zu finden.

"In Summe ist das ein großes Problem in Indien. Es gibt extrem viele Inder. 50 Prozent der 1,2 Milliarden Inder sind jünger als 25 Jahre. Und das Ausbildungsniveau ist nicht so gut, wie man sich das wünscht.
Das fängt mit der Schule an und geht mit der gewerblichen Ausbildung weiter. Wenn man es schafft, junge Menschen in Arbeit zu bringen, dann schafft man einen gewaltigen Markt. Und eine Voraussetzung ist eine gute Ausbildung."

 

Bildung als Wirtschaftsmotor

 

30.000 junge Menschen strömen im Schnitt jeden Tag auf den Arbeitsmarkt. Die Wenigsten sind gut ausgebildet.

Für die Industrie ist das ein Problem, für die Politik auch - denn aus der sogenannten demografischen Dividende, einer jungen Bevölkerung, die tatkräftig das Wirtschaftswachstum stützt, kann auch schnell ein demografischer Albtraum werden - wenn die meisten nicht teilhaben können am Boom.

Das weiß auch die indische Regierung. Amitabh Kant, Staatssekretär im Industrieministerium, sieht im deutschen Ausbildungsmodell ein Vorbild für sein Land:

"Natürlich, das ist ein Schlüssel für unser Wirtschaftswachstum. Das wird nicht ohne eine gute Ausbildung für die jungen Menschen gehen. Deshalb muss Indien auf diesem Feld mit Deutschland zusammen arbeiten."

Das indische Bildungssystem weist zwar auch so genannte Vocational Centers auf, in denen ausgebildet wird. Aber, sagt Goel, der Ausbildungsleiter bei Bosch:
"Wir haben mehr als 10.000 solcher Schulen, für 250 Gewerbe. Es ist also eine große Infrastruktur vorhanden. Aber wenn es um Qualität geht, sieht es schlecht aus."

 

Bildungsstandards sind wichtig

 

Bosch hat mit der Regierung deshalb eigene Standards ausgehandelt: 50 Prozent der Ausbildungszeit findet im Betrieb statt. 30 Prozent stehen für das Training in der Ausbildungswerkstatt zur Verfügung, und 20 Prozent für die eigene Berufsschule.

"Das, was die staatlichen Schulen vermitteln, machen wir hier auch. Und die Leute sagen, dass unser Modell das Erfolgreichste in Indien ist. Ich zeige ihnen mal die Beweise."

Und die sehen eindrucksvoll aus: Beinahe im Jahresrhythmus zeichnen der indische Präsident oder der Premierminister die Ausbildung von Bosch als Musterbeispiel aus, seit Jahrzehnten bereits. In Wettbewerben gewinnen Bosch-Azubis regelmäßig nationale Preise, die Urkunden pflastern die Wände im Ausbildungszentrum. Eine Gruppe bereitet sich gerade auf einen internationalen Wettbewerb in Brasilien vor.

Aber nur 25 Prozent der Azubis bleiben bei Bosch, sagt der Ausbildungsleiter OP Goel. Die meisten Azubis folgen dem indischen Trend und studieren Ingenieurwissenschaften, bestätigt auch Indien-Chef Steffen Berns. Für gut ausgebildete Arbeitskräfte sind die Jobchancen in Indien gut.

"Vor 20, 30 Jahren haben wir alle halten können. Die haben teilweise hier Karriere gemacht. Mittlerweile hat sich die Aspiration geändert, dass viele junge Mitarbeiter Spaß dran haben, eine weiterführende Ausbildung zu machen. Wir haben aber nach wie vor genug Mitarbeiter, die wir rekrutieren aus unserer gewerblichen Ausbildung."

Teja Swini könnte bald zu diesen eigenen Mitarbeitern gehören, wenn sie ihr drittes Lehrjahr abgeschlossen hat. Sie sagt, sie will bei Bosch in Bangalore bleiben.


Quelle: Deutschlandfunk, Campus & Karriere, 03.04.205