China: Qualitätssicherung im Bau durch Berufsbildung

Berufliche Bildung ist einer der Erfolgsfaktoren bei der Einführung energieeffizienter Bautechnologien. Ein Beispiel in China veranschaulicht das Zusammenspiel verschiedener Akteure.

Am 30. September 2014 öffneten sich am chinesischen Zhejiang College of Construction (ZCC) in der ostchinesischen Stadt Hangzhou erstmals die Türen des "Internationalen Showrooms für Technologien des energieeffizienten Bauens". Unter den Augen 70 geladener, nationaler und internationaler Vertreter aus Wirtschaft, Politik und Bildung wurde der neue Ausstellungsraum im Rahmen einer feierlichen Zeremonie mit anschließender Fachkonferenz zu Technologien des energieeffizienten Bauens unter großer medialer Anteilnahme eröffnet.

Hintergrund der öffentlichkeitswirksamen Feierlichkeiten an einem der modernsten, einflussreichsten Baucolleges Chinas ist die langjährige Kooperation des ZCC mit internationalen Unternehmen der Baubranche und baubegleitenden Gewerben sowie dem deutschen Bildungspartner Berufsförderungswerk Bau Sachsen e. V. (BFW).

Seit 2008 unterstützt das BFW als Bildungspartner der Bauindustrie deutsche und deutschsprachige Unternehmen beim Markteintritt in China. Jens-Uwe Strehle, der Geschäftsführer des BFW, erklärt warum: "Zwar ist energieeffizientes Bauen in China ein großes Thema, allerorten werden energieeffizient geplante Eco-Cities, Stadtteile oder einzelne Gebäude errichtet. Allerdings bleiben diese häufig hinter ihren Erwartungen zurück. Dies liegt nicht an deren Planung, sondern an der Umsetzung. Ein Gebäude muss als Gesamtsystem funktionieren, damit optimale Energieeffizienz entsteht. Trotz der Verfügbarkeit entsprechender Produkte auch aus Deutschland sind nur die wenigsten chinesischen Fachkräfte bislang in der Lage, moderne Technologien und Produkte so anzuwenden oder zu verarbeiten, dass die optimale Energieeinsparung auch erreicht wird. Es fehlt das Know-how. Resultat ist nicht allein die nicht erzielte Energieeinsparung, sondern auch ein vermeintliches Versagen des Qualitätsversprechens deutscher Produkte. Anders ausgedrückt, der nicht sachgerechte Umgang mit neuen Technologien ist eine nicht zu unterschätzende Bremse für deutsche Unternehmen bei der Markterschließung im Reich der Mitte."

Uwe Münchow, Geschäftsführer des Unternehmens Baumit Building Material China, welches bereits seit dem Markteintritt 2005 in China über ein umfassendes Netzwerk in den Bereichen Politik, Bildung und Industrie verfügt, unterstreicht dies:

"Wenn man sich die rasante Entwicklung des Landes in den vergangenen gut 25 Jahren aus der Nähe – sprich im Baugewerbe auf den Baustellen – ansieht, ist auffallend und auch beeindruckend, wie Heerscharen an Wanderarbeitern und Tagelöhnern diese Millionenstädte aus der Erde gestampft haben. Ausreichend Zeit für Bildung und Ausbildung von Arbeitskräften hat es eigentlich nie gegeben. Der großen Nachfrage an Wohnraum sind viele Baumängel geschuldet. Der richtige Einsatz moderner Baustoffe scheiterte oft an Kenntnissen in der Bauausführung. Für die zukünftige Entwicklung der Bauindustrie Chinas werden wir eine Nachfrage nach qualifizierten Fachkräften erleben. Das Engagement der Industrie in Bildung wird einen entscheidenden Beitrag zu dieser Entwicklung leisten können und müssen. Unternehmen, die sich am Ausbildungsmarkt aktiv und sichtbar positionieren, haben die Möglichkeit, die Fachkräfte von morgen bei ihrer Ausbildung zu begleiten. Wer sich für ein bildungsgestütztes Marketing entscheidet, sollte jedoch auf die entsprechende professionelle Unterstützung von Bildungspartnern nicht verzichten."

Münchow spricht aus Erfahrung: "In einem zweijährigen Projekt mit dem Titel 'Umweltschonende und ressourceneffiziente Anwendung von Außen- und Innenputze durch Know-how- und Technologietransfer unter Nutzung maschineller Putzverfahren' wurde ein Ausbildungskonzept für diese auf dem chinesischen Markt neue Technologie entwickelt. Das BFW und das ZCC galten für das Unternehmen Baumit Building Material hierbei als wichtige Projektpartner. Das BFW konnte seinen großen Erfahrungsschatz der deutschen Berufsbildung bei der Erstellung von Schulungsunterlagen und der didaktischen Umsetzung in der Lehrerausbildung am ZCC einbringen. Beide Bildungspartner bildeten eine erfolgreiche Plattform, auf welcher für das Unternehmen Baumit in China Marketing durch Bildung mit nachhaltiger und überregionaler Wirkung umgesetzt werden konnte."

In dem gemeinsamen Projekt ist es Baumit gelungen, bereits bestehende Verbindungen zu intensivieren und neue Netzwerkverknüpfungen aufzubauen. Dabei waren Projektplanung und -umsetzung als Ganzes wichtig und die harmonische Zusammenarbeit der einzelnen Projektpartner von besonderer Bedeutung.

Besonders wertvoll sei, dass das Projekt auch über das offizielle Ende hinaus durch die Umsetzung mit Bildungspartnern einen langfristigen Effekt erzielen konnte. "Eine einmalige Chance zur Nachhaltigkeit", so Münchow.

Eine herausgehobene Rolle während des gesamten Projektverlaufs misst der Geschäftsführer von Baumit China dem deutschen Bildungspartner bei: "Das BFW hat sich als kompetenter Partner von der Projektplanung bis zur Projektbeendigung gezeigt. Die Unterstützung für das Kooperationsprojekt begann in der Führungsetage. Dort wurde dem Projekt bereits besondere Priorität zugeteilt. Die zahlreichen Fachkräfte des BFW konnten dem Projekt mit der Kompetenz für Lehr-Methodik und Lehr-Didaktik sehr viel Sicherheit vermitteln. Besonders positiv erwies sich hierbei die langjährige Erfahrung des BFW in der Zusammenarbeit mit chinesischen Bildungspartnern. Daher konnten während des Projektes auch die Unterschiede zwischen deutschem und chinesischem Bildungssystem ausreichend berücksichtigt werden."

Neben großen, international agierenden Baustoffherstellern wie der Baumit Building Material sind auch deutsche Mittelständler mit verstärkt Know-how- und technikbasierter Ausrichtung, wie die Leipziger bau msr GmbH, überzeugt von der Wirkung einer konzertierten Kooperation ihres Unternehmens mit erfahrenen, landeskundigen Bildungsinstitutionen in Deutschland wie in China.

Ulf Brandt, Geschäftsführer der bau msr GmbH, betont: "Wir als Anbieter kundenbezogener Lösungen für energieeffiziente Gebäudemanagementsysteme vertreiben keine Produkte im herkömmlichen Sinne und können daher in China nur Konzepte und Lösungsansätze vorstellen. Um den Markteintritt in China überhaupt erst zu ermöglichen, war die Nutzung eines umfassenden, breitenwirksamen Bildungskonzeptes zur Funktionsweise und Bedienung unserer Anlagentechnik unumgänglich."

Im Rahmen eines Public-Private-Partnership-Projektes (PPP) zu Wartung und Betrieb energieeffizienter Gesamtsysteme innerhalb von Gebäuden (Laufzeit 2010 - 2012) in Kooperation mit dem BFW und dem ZCC in Hangzhou wurden die Technologien des Mittelständlers in Form einer Demonstrations- und Schulungsanlage, die zahlreiche Funktionalitäten, Energieformen und Regelungssysteme anschaulich und auf engstem Raum verknüpft, erfolgreich in die repräsentativen Räumlichkeiten des chinesischen Bildungspartners ZCC integriert. Mithilfe dieser breitenwirksamen Präsentation der Anlagentechnik wird deren nachhaltige Sichtbarkeit, Anwendbarkeit und Präsenz gewährleistet.

Dreh- und Angelpunkt des Projektes zur bildungsbegleiteten Markterschließung der bau msr GmbH bildete die grundlegende Schulung der Ausbilder des chinesischen Bildungspartners. Hierbei wurden Dozenten des Colleges von bautechnisch wie didaktisch erfahrenem Personal des BFW im Rahmen von Train-the-Trainer-Maßnahmen in grundsätzlichen Wirkweisen der Anlagentechnik sowie damit verknüpfter Technologien, Baustoffe und Gebäudeelemente geschult und somit in die Lage versetzt, als Spezialausbilder die konkreten neuen Inhalte an die Studenten der eigenen Institution zu vermitteln.

Durch die Implementierung der neuen Lehrinhalte in das Curriculum des Colleges und die darauf fußende Schulung von Studenten in Theorie und Praxis der neuen Technologien und Produkte werden enorme Multiplikationseffekte erzielt. Zur Qualitätssicherung des Unterrichts an der Partnerinstitution erfährt das dortige Personal eine langfristige, intensive Beratung und Begleitung durch das BFW.

Das ZCC wurde vom chinesischen Bauministerium als Mustercollege für die Lehrweiterbildung ausgewählt. Bildungsinhalte, die am College in Hangzhou etabliert sind, werden überregional Lehrern und Studenten weiterer chinesischer Baucolleges zugänglich gemacht. Die Erträge einer Zusammenarbeit mit einem solchen chinesischen Partner können sich sehen lassen. "Ein so breitenwirksamer, strukturierter Wissenstransfer wäre ohne die Kooperation mit dem ZCC und dem BFW weder in dieser Qualität noch mit diesem Erfolg möglich gewesen", erklärt Ulf Brandt.

Auch Uwe Münchow ist überzeugt von der sehr guten, reibungslosen Zusammenarbeit mit dem Partner ZCC: "Unser Projekt wurde von Beginn an von der College-Führung unterstützt. Dort ließ man der gemeinsamen Arbeit die Bedeutung eines internationalen Vorzeigeprojektes zukommen. Die an der Projektumsetzung beteiligten Abteilungen waren über die Bedeutung des Vorhabens bestens informiert und präsentierten sich als stets zuverlässige und motivierte Partner. Insbesondere bei der Organisation von Veranstaltungen konnte das ZCC immer wieder auf beeindruckende Weise seine herausragende Bedeutung als Mustercollege unter Beweis stellen."

Im Rahmen breit angelegter Fachtagungen und Workshops für Vertreter aus Wissenschaft, Politik und Industrie am ZCC gelang es der bau msr GmbH über die Wissensvermittlung zur eigenen Technologie die Anwendungsbereitschaft des Produktes zu erhöhen und nicht zuletzt ein stabiles Netzwerk weiterer chinesischer Partner zu etablieren. Die Ergebnisse dieser Veranstaltungen können, so Brandt, gar nicht stark genug betont werden: "Das ZCC wird als Anlaufstelle für Industrielle, Bauunternehmen, aber auch administrative Kreise wahrgenommen. Diese Akteure entscheiden über Investitionen und sind im Rahmen der Veranstaltungen mit uns als Unternehmen in Berührung gekommen, wodurch eine Zusammenarbeit befördert wurde. In der Folge hat es zahlreiche Kontaktaufnahmen, Besuche und einen engen Erfahrungsaustausch zu den Themen Energieeffizienz, Energieversorgung und anlagentechnischer Ausrüstung von Gebäuden gegeben. Wir bemerken ein enormes Interesse der chinesischen Privatwirtschaft, wodurch immer mehr Projekte auf direktem Wege zustande kommen."

Ein weiteres PPP-Projekt zum ressourcenschonenden Einsatz von Wärmedämmverbundsystemen, welches von der Auslandshandelskammer Greater China Beijing und der Firma Wacker Polymer Materials gemeinsam mit dem BFW von 2010 bis 2013 umgesetzt wurde, kann ebenfalls auf eine erfolgreiche Zusammenarbeit mit lokalen Partnern wie dem ZCC zurückblicken. Derzeit werden in Kooperation mit dem BFW Bau Sachsen und dem ZCC PPP-Projekte zur Luft- und Wasserfiltration, Legionellenbekämpfung und Wasserver- und -entsorgung realisiert.

Für die Zukunft ist in Zusammenarbeit mit dem BFW der Aufbau eines internationalen Lehrstuhls für Energieeffizienz und Vernetzung mit der Wirtschaft am ZCC geplant. Dieser, gepaart mit einer zuverlässigen, erfolgreichen Projektarbeit im Bereich Bildungsmarketing, wird auch zukünftig Garant für nachhaltigen Know-how- und Technologietransfer deutscher Produkte und Technologien des energieeffizienten Bauens in das Reich der Mitte sein. Denn: Bauen braucht Bildung.

 

  •  Autoren: Julia Bauer und Jens-Uwe Strehle, BFW Bau Sachsen e. V.

Quelle: German Industry & Commerce Greater China Beijing, Artikel im Econet Monitor, 03.02.2015