Verhandlungspraxis in Thailand: Tiefe Tradition und globale Orientierung

Die thailändische Geschäftskultur wird geprägt durch eine komplexe eigene Sozialethik, die einen starken Einfluss auf die Verhandlungspraxis mit westlichen Unternehmen ausübt. In den Firmen herrscht eine starre Hierarchie, während Beziehungen über die langfristigen Perspektiven entscheiden.

In Thailand dauert die Anlaufphase bei Geschäftskontakten länger und ist getragen von dem Bedürfnis nach Harmonie und Sicherheit. Bei Verhandlungen kommt die wachsende Internationalisierung dem westlichen Partner zu Gute.

 

Kultureller Hintergrund

 

Der Buddhismus und die Monarchie sind die Fundamente der thailändischen Gesellschaft. Die Wertvorstellungen des Großteils der Bevölkerung beruhen auf der Theravada-Lehre, der ältesten noch existierenden Schultradition des Buddhismus.

Ein ebenso wichtiger nationaler Pfeiler ist der König, der fast wie ein Gott verehrt wird. Am 23. Oktober begeht Thailand den Chulalongkorn Day, der den Todestag von Rama V, König von Siam (1868 bis 1910), vor gut einem Jahrhundert markiert. Die Religion und das Königshaus bilden die wichtigsten Bindemittel der Nation - neben dem Stolz, nie unter einer Kolonialherrschaft gestanden zu haben.

Das Wirtschafts- und Gesellschaftsleben wird geprägt durch hierarchische Strukturen und Beziehungsnetzwerke. Die Hierarchie spiegelt sich wider in der Rangfolge in den Unternehmen wie auch der Gesellschaft, was wiederum darüber entscheidet, in welcher Weise und Verbindlichkeit Gespräche oder Verhandlungen geführt werden.

Jeder Thailänder weiß genau um seine Position im vertikalen System und wer ihm über- oder untergeordnet ist. Die Seniorität bemisst sich nach Faktoren wie Macht, Reichtum, Berufsrang, Alter, Verdiensten und Geburt - je mehr dieser Qualitäten eine Person auf sich vereint, umso größer sind Bedeutung und Wertschätzung.

Die Etablierung von Beziehungen stellt eine ganz wichtige Voraussetzung für die langfristig fruchtbare und wachsende Geschäftsbasis dar. Beziehungspflege ist dementsprechend als ein kontinuierlicher Prozess zu sehen, der durch gegenseitige Einladungen zu formellen wie informellen Ereignissen reift. Beliebte Schauplätze oder Anlässe sind Dining Areas, exklusive Sportclubs, Golfplätze, Hochzeiten oder sonstige Festivitäten.

Mit dem Kennenlernen wächst die Akzeptanz und damit auch die Bereitschaft zum Geschäftsabschluss oder zur Weiterleitung an befreundete Personen. Ohne Zweifel sind derlei Gunstbezeugungen manchmal kalkuliert - ist materialistisches Denken im Buddhismus doch durchaus opportun.

Mit Deutschland verbindet Thailand eine langjährige Freundschaft, die durch tiefe Beziehungen auf vielen Ebenen gereift und weiter ausbaufähig ist. 2012 war ein Jubiläumsjahr, in dem 150 Jahre diplomatische Beziehungen wie auch 50 Jahre Bestehen der Deutsch-Thailändischen Handelskammer gefeiert wurden.

Deutschland ist Thailands wichtigster Wirtschaftspartner in der Europäischen Union, und die Zeichen stehen auf Wachstum. Die deutsche Präsenz vor Ort ist mit fast 600 Unternehmen recht bedeutend, zudem besteht eine lange erfolgreiche Historie der technischen Zusammenarbeit.

Im Bildungswesen bestehen aktuell 130 Kooperationen zwischen thailändischen und deutschen Hochschulen mit dem Schwerpunkten in den Natur- und Ingenieurwissenschaften.

 

Regeln für den Geschäftskontakt

 

Das Geschäftsleben im Königreich ist geprägt durch eigene Spielregeln und Verhaltensmuster, deren Kenntnis und Beachtung für den Erfolg einer Geschäftsbeziehung ausschlaggebend sein kann. Manchmal scheint ein gutes Maß an Flexibilität und Geduld angesagt, dazu gehört zu Beginn auch reichlich Small Talk.

Und in Sachen Pünktlichkeit und Termintreue sind Abstriche zu machen, was umgekehrt aber von den Deutschen erwartet wird. Generell gilt zunehmend, dass die Globalisierung und die wachsenden westlichen Einflüsse sicher zur gegenseitigen Annäherung der Sichtweisen und Gemeinsamkeiten beitragen.

Dennoch gibt es bei Geschäftstreffen mit Thailändern einige Verhaltensweisen oder Kommunikationsarten, deren Befolgung zum Vorteil der Geschäftsbeziehung gedeiht. Für "Westler" scheint die vertraut persönliche Atmosphäre oft befremdlich, ebenso wie die Bereitschaft zum schnellen freundschaftlichen "Du".

Doch ist die Anrede mit dem Vornamen in Thailand Tradition. Die Anrede "Khun", die gleichermaßen für Männer und Frauen vor den Vornamen gesetzt wird, ist Ausdruck von Anerkennung und Vertrautheit und vor allem bei höhergestellten Personen gebräuchlich.

Thailands vielleicht wichtigstes Markenzeichen im Ausland ist das Lächeln, das angeboren scheint und so viele Bedeutungen haben kann. Zumeist besteht die Absicht darin, bei dem anderen ein Gefühl des Wohlbefindens oder der Entspannung zu erzeugen.

Manchmal steckt eine Bitte um Verständnis, Nachsicht oder Vergeben dahinter beziehungsweise einem grundsätzlichen Bedürfnis nach Harmonie, auch wenn dies manchmal oberflächlich anmutet. Lautstarke Äußerungen und Aufbrausen sind im "Land des Lächelns" tabu, stattdessen werden Ärger und Enttäuschung hinter einem freundlichen Gesicht verborgen.

Generell besteht ein großes Bedürfnis an der Erhaltung einer angenehmen Atmosphäre, die das Wohlbefinden aller reflektiert und nicht gestört werden soll. Und ohne Kenntnis und Akzeptanz der Sitten und Spielregeln dürfte der Umgang langfristig schwierig werden.

Natürlich haben Thailänder auch Verständnis für die Direktheit und Organisiertheit des Westlers oder "Farang", handelt dieser doch ohne Absicht in einem ihm fremden Kulturkreis. Lässt sich somit einerseits eine gewisse Bereitschaft zur Nachsicht für westliche Fauxpas feststellen, dürfte andererseits das Bemühen um angepasste Handlungs- und Verhaltensweisen auf viel Anerkennung stoßen.

 

Hinweis

 

Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Weitere Informationen, unter anderem zu grundsätzlichen Verhaltensweisen, zum Ablauf von Besprechungen und zu Dos and Don'ts, enthält die Vollversion der Publikation "Verhandlungspraxis kompakt - Thailand". Diese kann auf der Internetseite von Germany Trade & Invest nach einer Registrierung abgerufen werden.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, GTAI Online-News, 13.01.2015