Russischer Business-Coach Sergej Schepilow im Interview

Sergej Schepilow ist seit 1994 als Trainer und seit 2007 als Business-Coach in Russland tätig. Der gebürtige Moskauer trainierte unter anderem das Personal von Volkswagen (VW) in kulturellen Fragen.

Herr Schepilow, was macht ein Business-Coach?

Ein Coaching ist normalerweise individuell und findet unter vier Augen und auf einer Augenhöhe statt. Coaching geht davon aus, dass der Klient des Coachings schon im Vorhinein alle Ressourcen besitzt, um seine Ziele zu erreichen. Der Coach hilft dann dabei diese Ressourcen zu finden und auszuschöpfen. So kann man in allen Bereichen des Lebens effektiver sein – im Beruf, aber auch im Privatleben.

Die Richtung, in die es geht, soll die Person selbst bestimmen. Zunächst fragt man nach dem Ziel und dann, welche Ressourcen man schon jetzt hat, um es zu erreichen. 90 Prozent einer Coaching-Session besteht aus dem Fragenstellen. Ich halte ihnen sozusagen einen Spiegel vor, damit sie sich bewusst werden und begleite die Änderungen.

Was macht ein Business-Trainer?

Als Trainer bringt man Menschen Fertigkeiten bei. Das geschieht normalerweise in Gruppen. Wenn also eine Firma feststellt: Unsere Mitarbeiter sind auf einem Gebiet nicht gut, dann engagieren Sie einen Trainer, der ihnen das beibringt. Letztendlich geht es dabei fast immer um Kommunikation.

Wie sehen diese Trainings in Russland aus?

Vor zwei Jahren habe ich für das VW Werk in Kaluga ein Training gehalten. Es ging darum, wie man die Kommunikation zwischen den deutschen Führungs- und den russischen Arbeitskräften dort beobachten und analysieren kann. Was muss man dabei beachten, wo setzt man Akzente, wie kommuniziert man am besten? Es gibt kulturelle Aspekte, die man nicht immer ganz deutlich sieht, und die sollten decheffriert werden.

Ich habe 17 Jahre mit Deutschen sehr eng als Produzent beim ARD-Fernsehen und WDR-Hörfunk in Moskau zusammengearbeitet, daher spreche ich Deutsch und habe einen engen Bezug zu Deutschland.

Das letzte große Trainer-Projekt war für den deutschen Autohersteller Audi. Ich habe dabei mit einem deutschen Kollegen Trainings für russische Chauffeure gehalten. Es war speziell für Fahrer des Audi A8 konzipiert, die sozusagen im Paket mit dem Auto verkauft werden. Sie müssen bestimmten Anforderungen genügen: Einerseits sind sie fast wie ein Familienmitglied, müssen aber andererseits auch sehr vertraulich zum Beispiel mit Businessfragen umgehen. Für diese Personen hat Audi ein zweitägiges Training bestellt – für 24 Gruppen zu je etwa 10 Fahrern.

Das hieß dann, dass den meist russischen Fahrern am ersten Tag die theoretischen Kenntnisse vermittelt wurden: Eine Schule für Etikette und besseres Fahren. Das heißt Benimmregeln, wie man mit Chefs kommuniziert und wie man sich im Restaurant und beim Fahren benimmt – in Russland fährt man nämlich nicht ganz so akkurat, geschickt und höflich wie in Deutschland. Am zweiten Tag hatten die Fahrer dann einen Praxis-Teil mit den Limousinen.

Wie unterscheiden sich die Trainings mit Deutschen und Russen?

Ich sehe keine großen Unterschiede, obwohl es Klischees eines angeblichen "deutschen" oder "russischen Charakters" gibt.

Den Mythos, Deutsche seien immer pünktlich, kann ich nicht bestätigen. Es gibt Tendenzen und kulturelle Unterschiede, die sehr oft mit Sprache zu tun haben, aber zwischen einem deutschen und einem russischen Top-Manager gibt es mehr Gemeinsamkeiten als zwischen einem deutschen Manager und einem deutschen Bauarbeiter. Es geht um die Position und natürlich das Individuum. Auch jede Gruppe ist individuell.

Vielleicht sind die deutschen etwas disziplinierter und höflicher und die russischen Teilnehmer tendieren eher dazu, mehr Notizen zu machen, aber das sind auch Klischees.

Es gibt russische Firmen mit russischen Mitarbeitern, die die deutsche Firmenkultur so verinnerlicht haben, dass sie deutscher als die Deutschen selbst sind. Die Unterschiede zwischen einzelnen Firmenkulturen sind größer als die kulturellen Differenzen.

Macht sich die derzeitige Krise bei Ihnen bemerkbar?

In unserem Bereich macht es sich dadurch bemerkbar, dass weniger Trainings gebucht werden und, dass kürzere Formate nachgefragt werden. Früher waren manchmal zweitägige Formate beliebt, jetzt ist das Vier-Stunden-Format beliebter als das Ein-Tages-Format.

Man spürt schon jetzt, dass die guten Zeiten vorbei sind, aber genau kann ich das erst im Februar sagen, wenn die Hochsaison im Business beginnt. Das ist ähnlich wie im Jahre 2008. Damals hat es zweieinhalb bis drei Jahre gedauert, bis es wieder mehr oder weniger in Ordnung war.

2008 gab es einige Fälle, in denen Arbeitgeber als Coaching-Klienten gekommen sind, weil sie unentschieden waren, wie sie mit den zu kündigenden Mitarbeitern umgehen sollten, damit diese keine Traumata erleiden.

Es ist damit zu rechnen, dass auch jetzt Menschen für Coachings zu uns kommen, um sich darüber klar zu werden, wie sie im Management weiter vorgehen. Bis jetzt sind da aber noch keine gekommen.

 

  • Das Interview führte Simon Schütt

Quelle: Moskauer Deutsche Zeitung, mdz-moskau.eu, 01.02.2015