Vietnam: Konkurrenz belebt das Geschäft

Ausländische Investoren schätzen Vietnam. Aber die regionale Konkurrenz schläft nicht und überflügelt den Standort in einigen Kriterien. Der Staat strebt höhere Bildungs- und Technologieniveaus sowie einen effizienteren Einsatz seiner Ressourcen an, um anspruchsvollere Investitionen anzuziehen.

Die ausländischen Direktinvestitionen nach Vietnam fließen stetig. Um mit der regionalen Konkurrenz mitzuhalten, müssen aber die Rahmenbedingungen sukzessive verbessert werden.

Der Industriedachverband Vietnam Chamber of Commerce and Industry (VCCI) hat 2013, unterstützt von der US-amerikanischen Agentur für Internationale Entwicklung, die seit Beginn 2004 umfangreichste Umfrage unter ausländischen Unternehmen in dem südostasiatischen Land durchgeführt.

Danach gab es für Geschäftsklima und Investitionsbereitschaft die niedrigste Einstufung seit Einführung solcher Messungen. Von 1.609 befragten ausländischen Firmen wollten nur 28 Prozent ihr Investment erhöhen (2010 noch 69 Prozent). Rund 64 Prozent der befragten Unternehmen arbeiteten immerhin mit Gewinn.

Erfreulicher sieht der aktuellere Geschäftsklimaindex der Europäischen Handelskammer Eurocham für Vietnam aus. Er kletterte im September 2014 auf den höchsten Wert seit 2011. Neben den Geschäftsaussichten erholte sich 2014 die Investitionsbereitschaft der befragten europäischen Firmen.

 

Stabiler Standort mit starken Nachbarn

 

Vietnam muss sich bei ausländischen Engagements seit einigen Jahren in einem strengeren regionalen Auswahlwettbewerb behaupten. Etwa 54 Prozent der 2013 von der VCCI befragten ausländischen Niederlassungen erwogen auch andere Länder bei der Standortwahl, während in den Jahren 2011 und 2012 nur ein Drittel der Firmen Konkurrenzstandorte einbezogen hatte.

Hauptsächlich konkurrierte Vietnam 2013 bei Standortentscheidungen mit der Volksrepublik (VR) China, gaben 11,1 Prozent der Befragten an. Es folgten als Wettbewerber Thailand (10,6 Prozent), Kambodscha (7,7 Prozent), Indonesien (7,3 Prozent) und Malaysia (6,5 Prozent). Als neue Konkurrenten tauchten 2013 Laos (4,1 Prozent), die Philippinen (3,9 Prozent) und Myanmar (2,5 Prozent) auf der Wettbewerberliste auf.

Vietnams Vorteile gegenüber der Konkurrenz liegen für die Befragten bei dem geringen Enteignungsrisiko, der politischen Stabilität, eigenen Einflussmöglichkeiten auf die Rahmenbedingungen und einer relativ niedrigen Steuerbelastung. Als wichtigste Standortnachteile nannten sie Korruption, Bürokratie, den öffentlichen Dienst, Ausbildung und Hochschulbildung sowie die Qualität der Infrastruktur.'

Das wirtschaftliche Entwicklungsstadium, in dem sich Vietnam befindet, ist noch jung. Die kommunistische Regierung lässt Privateigentum und ausländische Investitionen erst seit 1986 schrittweise zu. Die Rahmenbedingungen für die Wirtschaftsakteure setzt der Staat seitdem nach seinem Konzept einer sozialistischen Marktwirtschaft. Die VR China praktiziert ein ähnliches System. Dort begannen schon 1978 die Abschaffung der Planwirtschaft und die Zulassung von Auslandsinvestitionen.

Vietnams wirtschaftliche Fortschritte hängen derzeit nach Ansicht des World Economic Forum (WEF) im Wesentlichen von der Verfügbarkeit von ungelernten Arbeitskräften und der Ausstattung mit natürlichen Ressourcen ab. Vietnam punktet dabei im internationalen Wettbewerbsfähigkeitsranking des WEF insbesondere mit seiner großen Zahl an Erwerbspersonen (Mitte 2014 etwa 53,7 Millionen), die ganz überwiegend lesen und schreiben können (Analphabetenrate nur 5,2 Prozent). Die Bevölkerung ist im Mittel mit 29 Jahren zudem sehr jung.

Von den Beschäftigten sind allerdings 82 Prozent ungelernte Arbeitskräfte. Ihre geringe Produktivität geht mit niedrigen Löhnen und Gehältern einher. Die günstigen Arbeitskosten bezeichnen Investoren wiederum als großen Vorteil.

Die meisten europäischen Firmen haben nach Umfragen der Eurocham aus diesem Grund in Vietnam investiert. Der Arbeitsmarkt funktioniert außerdem relativ effizient (WEF-Rang 49 von 144 Ländern). Internationale Unternehmen verlagern viele arbeitsintensive Fertigungen und Dienstleistungen auch aus diesen Gründen von China nach Vietnam.

 

Wirtschaft hat sich stabilisiert

 

Investoren loben, dass sich das makroökonomische Umfeld 2014 nach Verwerfungen in den Vorjahren stabilisiert hat (Platz 75). Die Zentralbank dämmte die Inflation ein, die 2014 auf eine Rate von 4,5 Prozent geschätzt wurde. Die Devisenreserven stiegen (Bestand im Oktober 2014 circa 37 Milliarden Dollar). Der Wechselkurs zum US-Dollar lag fest und die Handelsbilanz weist seit 2012 Überschüsse auf.

Ausländische Betriebe arbeiten meist exportorientiert. Sie erschließen von Vietnam aus sehr erfolgreich internationale Märkte (Exportquote der Gesamtwirtschaft 73 Prozent). Hauptausfuhrprodukte sind Bekleidung, landwirtschaftliche Erzeugnisse und Elektronik. Die Bearbeitung größerer Märkte stärkt die Effizienz der Massenproduktion zusätzlich.

Die Wirtschaft nimmt daher die künftigen Freihandelsabkommen mit der Europäischen Union (EU) und den Vereinigten Staaten von Amerika als große Vorteile wahr. Der relativ große Binnenmarkt (Bruttoinlandsprodukt 2014 circa 186 Milliarden Dollar, Marktgröße WEF-Rang 34) lockt ebenfalls ausländische Investoren an.

Investoren beurteilten 2014 laut WEF die Leistungen öffentlicher Institutionen - ausgehend von einem niedrigen Niveau (Rang 92) - etwas besser als in den Vorjahren. Sie erkennen leichte Fortschritte bei der Korruptionsbekämpfung. Vorteilsforderungen identifizieren sie gemäß WEF nach Finanzierungsproblemen jedoch immer noch als zweitproblematischsten Faktor im Geschäftsleben.

Deutsche Industrieunternehmen vor Ort beklagen nach Angaben der Auslandshandelskammer (AHK) ferner unangekündigte Stromausfälle, die unterentwickelte Zulieferindustrie und eine praxisferne Facharbeiterausbildung. Die Investitionslandschaft weist auch nach Messung des WEF Schwächen bei der Qualität der Zulieferer und allgemein im Marketing aus.

Die lokalen Unternehmen operieren meist am unteren Ende der Wertschöpfungskette. Sie müssen deshalb ihre Abläufe und Ausrüstungen langfristig modernisieren.

Als Standortvorteil führt die AHK die Möglichkeit an, eine Industriefirma vollständig in ausländischem Eigentum gründen zu dürfen. Fehlende "Local-Content"-Vorschriften, die guten Produktionsbedingungen in den über 160 Industrieparks und die ordentliche Arbeitsqualität runden das Bild ab.

Die Regierung bemüht sich intensiv, die Zahl der Fachkräfte und die Qualität der Aus- und Hochschulbildung zu verbessern (Rang 96 von 144), damit das Land die nächsten Entwicklungsschritte nehmen kann. Nach Meinung des WEF steht als nächstes der Übergang zu einem effizienzgeführten Wachstum an, bei dem die Produktionsprozesse wirkungsvoller ablaufen und die Qualität der Produkte und Dienstleistungen stetig zulegt.

Es fehlt Vietnams Wirtschaft außerdem noch die technologische Reife (Position 99), um hochwertige Waren produzieren zu können. Die Regierung fördert daher insbesondere ausländische Investitionen in Hochtechnologien und Know-how-Transfers.

Schließlich möchte das Schwellenland 2020 den Status eines Industrielandes erreichen, das durch Innovationen nachhaltig wächst. Diese höchste Entwicklungsstufe hat in Südostasien bisher nur Singapur erreicht, das im weltweiten Wettbewerbsranking des WEF an zweiter Stelle und damit noch vor Deutschland liegt.

 

Hinweis

 

Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Weitere Informationen, darunter ein WEF-Länderrating 2014 bis 2015, Angaben zu Stand und Perspektiven für ausländische Direktinvestitionen sowie Kontaktadressen, enthält die Vollversion der Publikation "Investitionsklima und -risiken - Vietnam". Diese ist über die Internetseite von Germany Trade & Invest erhältlich.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Die GTAI Online-News, 02.02.2015