Wirtschaft im Baltikum wächst trotz schwierigen Umfeldes kräftig

In den baltischen Ländern führt die robuste Konjunkturerholung, die 2010 eingesetzt hat, auch zu einem immer stärkeren Fachkräftemangel, was Expansionsmöglichkeiten für Unternehmen immer mehr einschränkt.

Estland, Lettland und Litauen zählen auch 2015 zu den dynamischsten Volkswirtschaften in der Eurozone, trotz der ökonomischen und politischen Unsicherheiten in Russland und der schwachen Konjunktur bei wichtigen Handelspartnern der Europäischen Union (EU).

Nach wie vor profitieren alle baltischen Staaten von der erheblichen Verbesserung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit im Zuge der Krise um 2009. Zunehmend problematisch sind aber der sich weiter verstärkende Fachkräftemangel und die schnellen Lohnanstiege.

Seit auch Litauen Anfang 2015 den Euro als gesetzliches Zahlungsmittel eingeführt hat, gehören alle drei baltischen Länder der europäischen Währungsunion an. Dies senkt Zinsen und Transaktionskosten, was wichtig ist, da alle drei Staaten äußerst offene Volkswirtschaften sind.

Im ersten Dreivierteljahr 2015 hat der Warenexport in Lettland 45 Prozent, in Estland 62 Prozent und in Litauen 66 Prozent des gesamten erwirtschafteten Bruttoinlandsproduktes (BIP) entsprochen. Noch höher waren die Raten beim Import mit 55 Prozent in Lettland, 70 Prozent in Estland und 71 Prozent in Litauen. Ein erheblicher Teil der eingeführten Waren verbleibt aber nicht in den Ländern, sondern geht weiter in andere Staaten.

 

Baltische Staaten beeindrucken mit robuster Konjunktur und soliden Finanzen

 

Innerhalb der Eurozone gehören die drei baltischen Märkte auch 2015 zu den Mitgliedern mit dem höchsten Wachstum und der besten öffentlichen Haushaltslage.

Dies hat die EU-Kommission im November 2014 prognostiziert. So soll der BIP-Anstieg mit Raten von 2,0 (Estland), 2,9 (Lettland) und 3,1 Prozent (Litauen) den Durchschnitt von EU (plus 1,5) und Euroraum (plus 1,1 Prozent) deutlich übertreffen. Dies erwartet die EU-Kommission.

Zudem ist die Konjunktur in den baltischen Staaten robust, denn nicht nur die Investitionen und der Privatkonsum, sondern auch der Export von Waren und Dienstleistungen werden den Prognosen zufolge 2015 zulegen. Diese Dynamik eröffnet auch deutschen Anbietern zusätzliche Geschäftschancen, denn die Importnachfrage zieht in den baltischen Märkten ebenfalls kräftig an.

Die drei baltischen Staaten zählen ferner zu den wenigen Euro-Ländern, die nach wie vor die Konvergenzkriterien von Maastricht erfüllen. Sowohl die Nettokreditaufnahme als auch die öffentlichen Gesamtverbindlichkeiten liegen vor allem in Estland, aber auch in Lettland und Litauen weit unter den vorgesehenen Raten von 3 sowie 60 Prozent des BIP.

Keinen geringen Anteil daran haben auch die hohen EU-Fördergelder, welche insbesondere die Investitionsbudgets vor Ort erheblich entlasten. Von 2014 bis 2020 steht für Estland, Lettland und Litauen eine Summe aus Brüssel zur Verfügung, die in allen Ländern jeweils 24 Prozent des 2013 erwirtschafteten BIP gleichkommt.

 

Estland, Lettland und Litauen haben Krise als Chance genutzt

 

Vor allem aber sind die robuste Konjunktur und Finanzlage in den baltischen Staaten der starken Verbesserung ihrer internationalen Wettbewerbsfähigkeit zu verdanken. Dem vorausgegangen war eine sehr starke Wirtschaftskrise, in deren Folge das BIP in Litauen 2009 um 14,8 Prozent, in Estland 2008 und 2009 um insgesamt 17,6 Prozent und in Lettland von 2008 bis 2010 sogar um zusammen 19,3 Prozent eingebrochen war.

Gerade in dieser Zeit haben aber die Wirtschaft und Gesellschaft in allen drei Staaten mit einer beeindruckenden Anpassungsfähigkeit den Grundstein zum seitherigen Aufschwung gelegt.

Konsequente private und öffentliche Einsparungen, sinkende Löhne und andere Preisrückgänge haben zusammen mit wieder steigenden Investitionen im Aufschwung dafür gesorgt, dass die Warenausfuhr in Estland zwischen 2010 und 2013 um 97 Prozent und in Litauen sogar um 108 Prozent gestiegen ist. Auch der lettische Export von Gütern und Dienstleistungen war 2013 um 42 Prozent höher als 2010.

Somit haben vor allem Estland und Litauen die Krise um 2009 weit besser überwunden als die meisten anderen EU-Staaten. Trotz der sehr hohen Einbrüche ist die Wirtschaftsleistung 2014 laut Schätzung in Litauen um 0,9 und in Estland um 5,1 Prozent höher gewesen als 2008, während sie EU-weit genauso hoch und im Mittel der Eurozone sogar noch um 0,6 Prozent niedriger war. In Lettland, das den höchsten Rückgang zu verzeichnen hatte, war der Abstand noch größer, aber auch das mittelbaltische Land wächst seit 2011 dynamischer als die meisten europäischen Märkte.

 

Unsicherheiten in Russland ziehen alle baltischen Märkte in Mitleidenschaft

 

Auch 2015 bergen die politischen Spannungen um Russland und die dortige Rubel- und Konjunkturschwäche weiterhin erhebliche Gefahren auch für die drei baltischen Länder. Laut einer Studie der Nordea-Bank könnten allein die im August 2014 vom Kreml verhängten Importverbote für EU-Lebensmittel das BIP in Lettland um 0,4, in Estland um 0,5 und in Litauen um 0,8 Prozent geringer ausfallen lassen als ohnedem.

Eine anhaltende Wirtschafts- und Währungsschwäche würde sich auch sehr negativ auf den Logistik- und Tourismussektor auswirken. In Lettland und Litauen sind russische Reisende die wichtigsten ausländischen Kunden, und für den estnischen Fremdenverkehr stellen sie nach den inländischen und finnischen Gästen den drittwichtigsten Tourismusmarkt.

In allen drei baltischen Ländern ist der Logistiksektor zudem stark vom Transitgeschäft für Russland und andere Staaten der Gemeinschaft unabhängiger Staaten abhängig. Hier stellt auch der Bau des neuen russischen Großhafens Ust-Luga, der 2018 etwa 50 Millionen Tonnen mehr als Hamburg umschlagen will, eine erhebliche Herausforderung für alle anderen baltischen Häfen dar.

 

Fehlende Fachkräfte und steigende Löhne sind Kehrseiten des Aufschwungs

 

In den baltischen Ländern führt die robuste Konjunkturerholung, die 2010 eingesetzt hat, auch zu einem immer stärkeren Fachkräftemangel, was Expansionsmöglichkeiten für Unternehmen immer mehr einschränkt.

Die Folge sind kräftige Lohnsteigerungen, die die in der Krise erzielten Erfolge bei der internationalen Wettbewerbsfähigkeit wieder zu schmälern drohen. Dies gilt insbesondere für die nach wie vor wichtige Verarbeitung von Agrar- und Forsterzeugnissen oder auch die Textilindustrie, wo die Wertschöpfung oft gering ist.

Hinweis: Dieser Artikel wurde gekürzt. Weitere Informationen gibt es auf der Internetseite von Germany Trade & Invest - GTAI.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, Die GTAI Online-News, 19.01.2015