Indonesien verabschiedet sich langsam vom Status eines Billiglohnlandes

Gesetzliche Mindestgehälter steigen rasant - Qualifizierte Kräfte bleiben Mangelware

Zwischen 2012 und 2014 stiegen die gesetzlichen Mindestlöhne in Indonesien um über 40 Prozent. Da jedoch gleichzeitig die Rupiah erheblich an Wert verlor, bleibt das Archipel vorläufig ein Billiglohnland.

Außerhalb Jakartas verdienen ungelernte Arbeiter im Monat oft weniger als 100 Euro. Teuer wird es für internationale Unternehmen erst dann, wenn sie unfähige oder unehrliche Angestellte entlassen. Zugleich müssen sie sich viel einfallen lassen, um qualifizierte Kräfte an den Betrieb zu binden.

Wenn man mit deutschen Unternehmern in Indonesien zu Mittag isst, steuert das Gespräch unweigerlich auf das Thema Personal zu. Häufig beklagt wird dabei das mangelnde Angebot an qualifizierten Kräften sowie die angeblich nur gering ausgeprägte Fähigkeit des Personals, selbständig zu denken und zu entscheiden. Indonesische Angestellte wendeten sich danach selbst bei kleineren Problemen an ihre Vorgesetzten, die sich dadurch zwangsweise im "Mikromanagement" verzetteln.

Doch die genannten Phänomene sind eigentlich nicht indonesienspezifisch, denn sie treffen auch auf zahlreiche andere asiatische Volkswirtschaften zu.

Landestypisch ist hingegen, dass es sich als sehr schwierig und kostenintensiv erweist, sich von unfähigen oder unehrlichen Mitarbeitern zu trennen. Immer wieder wird von Fällen berichtet, in denen wegen erwiesener Untreue entlassene Angestellte gegen ihre Kündigung klagten und vor Gericht Recht bekamen.

 

Konkurrenzfähigkeit durch höhere Arbeitskosten nicht tangiert

 

Ein weiteres Problem besteht im raschen Anstieg der gesetzlichen Mindestlöhne. Zum Januar 2013 hatten die 33 Provinzen und Städte des Landes die entsprechenden Sätze im Durchschnitt um 18 Prozent angehoben. In Jakarta - dort befinden sich die allermeisten ausländischen Firmenzentralen - betrug der Zuwachs sogar 44 Prozent.

Auch 2014 hielt der "Aufwärtstrend" unvermindert an: Die Mindestlöhne legten nochmals um 20 Prozent zu. Immerhin begrenzte der Gouverneur von Jakarta den Anstieg für die Hauptstadt auf rund 10 Prozent.

Unterm Strich hat die internationale Wettbewerbsfähigkeit Indonesiens allerdings kaum gelitten. Einerseits stiegen auch in zahlreichen anderen Ländern Süd- und Südostasiens, aber auch in der Volksrepublik China die Löhne kräftig an. Andererseits verlor die Rupiah im Verlauf des Jahres 2013 rapide an Wert. Dadurch liegen die Mindestlöhne in Jakarta 2014 bei rund 150 Euro und in den angrenzenden Provinzen bei 60 bis 80 Euro. Somit kann der Archipel vorläufig noch als Billiglohnland durchgehen.

Im Regelfall zahlen multinationale Unternehmen deutlich mehr als sie von der Gesetzeslage her müssten. Dennoch halten sich die Personalausgaben in Grenzen.

So bekommen in Jakarta viele qualifizierte Kräfte weniger als 1.000 Euro im Monat. Im mittleren Management liegen die Entgelte bei maximal 2.000 Euro. Als Geschäftsführer werden in der Regel "Expats" eingesetzt, die aufgrund der zahlreichen "Allowances", wie Mietzuschuss, Schulgeld oder Dienstwagen, mehr als 10.000 Euro verdienen.

 

Lernbereitschaft vorhanden, aber Personalbindung notwendig

 

Wie in den meisten Ländern Südostasiens beschäftigen die Industrie, aber auch zahlreiche Dienstleistungsbranchen überwiegend ungelernte Kräfte. Diese gibt es im Überfluss, denn die Ausbildung verharrt seit Jahren trotz des rasanten Wirtschaftswachstums auf einem relativ niedrigen Niveau.

Allerdings bescheinigen Investoren ihren Angestellten ein hohes Maß an Aufnahmefähigkeit und Lernbereitschaft. Wer in sein Personal investiert, kann sich demzufolge einen effizienten Mitarbeiterstamm aufbauen. Danach muss sich das Unternehmen allerdings einiges einfallen lassen, um seine Leute bei der Stange zu halten, denn die Betriebstreue fällt äußerst gering aus.

Regelmäßige Gehaltsanpassungen - sie liegen in internationalen Unternehmen bei rund 10 Prozent im Jahr - und Beförderungen gehören daher zum Standard.

Daneben spielen nichtmonetäre Instrumente im Rahmen der Personalpolitik eine wichtige Rolle. Die indonesische Bevölkerung ist für ihr Harmoniebedürfnis bekannt. Eine positive Arbeitsatmosphäre sowie eine Kommunikationskultur, die den befürchteten Gesichtsverlust vermeidet, können wahre Wunder bewirken.

 

Ausbildungsbedarf für qualifizierte Positionen immens

 

Die offizielle Arbeitslosenrate in Indonesien liegt bei lediglich 6 Prozent. Doch arbeiten viele Menschen im informellen Sektor beziehungsweise in unproduktiven Jobs.

Die tatsächliche Erwerbslosigkeit dürfte nach Einschätzung von Landeskennern bei 30 bis 50 Prozent liegen. Trotzdem erweist es sich für internationale Unternehmen als extrem schwierig, qualifiziertes Personal zu finden.

Die indonesische Handelskammer Kadin geht davon aus, dass mehr als zwei Drittel aller Erwerbstätigen noch nicht einmal über einen Mittelschulabschluss (Junior High School) verfügen. Lediglich knapp 10 Prozent haben laut Statistikamt ein Hochschulstudium absolviert.

Den Arbeitskräften fehlt es zudem an internationaler Erfahrung und Sprachkenntnissen.

Die Zahl der in Deutschland studierenden Indonesierinnen und Indonesier ist nach Erkenntnissen des Deutschen Akademischen Auslandsdienstes (DAAD) seit 1997/98 um rund drei Viertel zurückgegangen. Zudem waren laut Angaben des ehemaligen Handelsministers Gita Wirjawan 2013 lediglich elf Indonesier, aber über 2.000 Chinesen am US-Massachusetts Institute of Technology eingeschrieben.

Nicht umsonst stehen einer Prognose der Boston Consulting Group zufolge bis 2020 für 40 bis 60 Prozent aller Positionen im mittleren indonesischen Management nur unzureichend qualifizierte Bewerber zur Verfügung.


Quelle: Germany Trade & Invest GTAI, GTAI Online-News, 04.08.2014