Russisch für den Beruf

Wer künftig in Russland arbeiten möchte, soll zunächst Kenntnisse in Sprache, Geschichte und Gesetzgebung nachweisen. Allerdings gibt es von der neuen Regel auch Ausnahmen, auf die sich viele Deutsche berufen können.

Wer in Russland arbeitet, sollte auch Russisch sprechen können: Dies ist das erklärte Ziel einer Gesetzesänderung, die zu Beginn des kommenden Jahres in Kraft tritt.

Dabei will der Gesetzgeber nicht mehr einfach darauf vertrauen, dass Arbeitnehmer sich Sprachkenntnisse in Russland schon im Laufe der Zeit selbständig aneignen werden. Zur Überprüfung der sprachlichen Fähigkeiten sollen vor Erteilung einer Arbeitserlaubnis obligatorische Tests abgelegt werden. Abgefragt werden soll daneben aber auch Wissen über die Geschichte Russlands sowie über die Grundlagen der Gesetzgebung in der Russischen Föderation.

Das von der Duma im April beschlossene Gesetz erstreckt sich auf Ausländer, die eine Aufenthaltserlaubnis beantragen wollen ebenso wie auf solche, die mit einem Visum zu Arbeitszwecken in Russland leben. Als Nachweis der Kenntnisse kann auch ein Zeugnis über eine schulische Ausbildung aus sowjetischen Zeiten oder der Nachweis einer abgeschlossenen Ausbildung in Russland nach 1991 dienen. Wer diesen nicht vorlegen kann, wird sich von 2015 an dem Test unterziehen müssen, um ein für fünf Jahre gültiges Zertifikat zu erhalten. Viele deutsche Arbeitnehmer werden um den Test allerdings dennoch herumkommen.

"Die wichtigste Ausnahme von dem neuen Gesetz betrifft sogenannte hochqualifizierte Arbeitnehmer", erklärt Paul Heit, der für die Moskauer Filiale der Kanzlei Rödl & Partner als Experte für Arbeits- und Migrationsrecht tätig ist.

Wichtigstes Kriterium für eine Einstufung als hochqualifizierter Spezialist ist in Russland das Gehalt, das jährlich über zwei Millionen Rubel liegen muss. Das entspricht nach aktuellem Wechselkurs gut 42.000 Euro. Für diese Personengruppe gilt in Russland schon jetzt eine Reihe von Erleichterungen: So unterliegt sie beispielsweise auch nicht der sonst üblichen Quotenregelung für ausländische Arbeitnehmer.

"Von der Ausnahmeregelung ist ein Großteil der deutschen Entsandten betroffen, die hier mehr verdienen", glaubt Heit – sie würden in Russland mehr als das geforderte Mindestgehalt für hochqualifizierte Spezialisten verdienen. Wie viele deutsche Staatsbürger derzeit in Russland tatsächlich als hochqualifizierte Spezialisten gelten, ist nicht bekannt. Entsprechende Statistiken führt der Föderale Migrationsdienst, der sie jedoch nicht veröffentlicht.

Eine nicht-repräsentative Umfrage der Moskauer Deutschen Zeitung deutet jedoch darauf hin: Längst nicht jeder Deutsche, der in Russland arbeitet, ist Top-Verdiener. Gerade junge Arbeitnehmer, die nicht in der Wirtschaft, sondern in den Bereichen Kultur, Medien oder Bildung tätig sind, verdienen oft weniger. Öffentlich sprechen über ihre berufliche Situation möchten sie nicht. Diejenigen von ihnen, die ab 2015 ein Arbeitsvisum in Russland beantragen, werden sich allerdings tatsächlich den Sprach- und Landeskundetests unterziehen müssen, deren genaue Form derzeit noch ausgearbeitet wird.

Die eigentliche Zielgruppe des neuen Gesetzes sei aber eine andere, glaubt Rechtsanwalt Paul Heit. Insbesondere die in großer Zahl in Russland tätigen Arbeitsmigranten aus ehemaligen Sowjetrepubliken in Zentralasien wie Tadschikistan oder Usbekistan sprächen zunehmend schlecht Russisch. Deren Einwanderung solle nun stärker gesteuert werden.

Die strengeren Kriterien bei der Erteilung einer Arbeitserlaubnis könnten sich Heit zufolge durchaus auch auf die Wirtschaft auswirken, insbesondere auf die Baubranche, in der viele Migranten tätig seien.

Ein Zusammenhang mit einer stärkeren Abschottung Russlands angesichts der Ukraine-Krise und dem Konflikt mit dem Westen bestehe dagegen nicht. Die Gesetzesänderung sei bereits länger geplant gewesen, das zeitliche Zusammentreffen ein "unglücklicher Zufall".

Quelle: Moskauer Deutsche Zeitung, 28.05.2014