In Brasilien wachsen die Lohnkosten stark an

Im Wettbewerb um Fachkräfte sinkt in Brasilien die Arbeitslosenquote und die durchschnittlichen Reallöhne steigen. Auch aufgrund der hohen Fluktuation und der aufwendigen Personalsuche nehmen die Arbeitskosten weiter zu. Bei gleichzeitig sinkender Produktivität wachsen die Lohnstückkosten weit stärker als in anderen großen Volkswirtschaften.

Forschungsinstitute rechnen mit einer allmählichen Abschwächung der Arbeitsnachfrage. Regionale Gehaltsunterschiede verringern sich.

Trotz der stagnierenden Industrie und des niedrigen Wirtschaftswachstums zog die Arbeitsnachfrage 2012 weiter an. Das brasilianische Statistikamt IBGE registrierte eine durchschnittliche Arbeitslosenquote von 6,1 Prozent. Im Vergleich zum Vorjahr (6,7 Prozent) ging die Arbeitslosigkeit weiter zurück.

Mit Ausnahme des Jahres 2009 sinkt die Quote seit fast einem Jahrzehnt kontinuierlich. Für 2013 zeichnet sich eine ähnlich niedrige Quote ab. In den Metropolregionen waren in den ersten acht Monaten ebenso wie im Vorjahr durchschnittlich 5,7 Prozent der Erwerbstätigen auf der Suche nach Beschäftigung.

Zeitgleich stieg das durchschnittliche Realeinkommen der IBGE-Erhebung PNAD 2012 zufolge um 5,8 Prozent. Aufgrund der gestiegenen Inflation ist für 2013 allerdings mit einem geringeren Einkommenszuwachs zu rechnen. Das durchschnittliche Realeinkommen der ersten acht Monate 2013 lag in den Metropolregionen nur um 1,5 Prozent über dem der ersten acht Monate des Jahres 2012.

Einige Wirtschaftsexperten sowie die brasilianische Regierung deuten die aktuelle Entwicklung als Anzeichen für Vollbeschäftigung. Das Institut für angewandte Wirtschaftsforschung IPEA ist anderer Auffassung. Das niedrige und sinkende Arbeitsangebot lasse auf verdeckte Arbeitslosigkeit schließen.

Laut IPEA nahm der Anteil der Erwerbstätigen insgesamt zwischen 2009 und 2012 von 59,5 auf 57,5 Prozent ab. Insbesondere in der weiblichen und in der jungen Bevölkerung bleiben viele Personen dem Arbeitsmarkt fern. Im Jahr 2012 war mehr als ein Viertel der jungen Generation offiziell weder beschäftigt oder auf Arbeitssuche, noch in Ausbildung.

 

Angespannte Lage am Arbeitsmarkt

 

Vorerst bleibt die Lage auf dem brasilianischen Arbeitsmarkt jedoch angespannt.

Die Arbeitskosten steigen mit Gehältern und Prämienzahlungen und der Fluktuation. Gleichzeitig sinkt die Produktivität. In keiner anderen großen Volkswirtschaft weltweit stiegen die Lohnstückkosten im Zeitraum von 2004 bis 2011 so stark wie in Brasilien (plus 6 Prozent). Diese Entwicklung verschärft sich seit 2010. Im Jahr 2011 stiegen die Lohnstückkosten um 3,8 Prozent, 2012 sogar um 7,2 Prozent.

Brasilien ist dem internationalen Bund der privaten Arbeitsvermittler CIETT zufolge der weltweit zweitgrößte Arbeitsmarkt für Zeitarbeiter. Nur in den USA sind mehr Menschen zeitlich befristet angestellt. Laut Daten des Verbandes der Zeitarbeitsfirmen und Outsourcingdienstleister Assertem nahm die Zahl der Zeitarbeiter im 1. Halbjahr 2013 um 8 Prozent zu.

In Brasilien stehen Zeitarbeitern ähnliche Rechte zu wie Festangestellten. Die Zahl der nicht angemeldeten Zeitarbeiter ist entsprechend hoch. Im Handelssektor beschäftigen Umfragen zufolge ein Drittel der Unternehmen auch inoffiziell. Im Dienstleistungssektor sind es sogar 70 Prozent der Unternehmen.

Bislang galten fundierte Kenntnisse der englischen Sprache bei brasilianischen Bewerbern als Ausnahme. Mittlerweile leisten sich immer mehr Brasilianer den Besuch privater Sprachschulen. Zudem verstärkt sich das Kontingent an Bewerbern mit Fremdsprachenkenntnissen über die vermehrte Rückkehr von Brasilianern aus den USA, Japan und Europa und die Zuwanderung internationaler Fachkräfte.

Der Anteil der Brasilianer mit Hochschulabschluss steigt zwar leicht, jedoch wählen viele ein Studium der Humanwissenschaften statt einer naturwissenschaftlichen oder technischen Fachrichtung.

Unter den akademisch ausgebildeten Fachkräften ist der Mangel an Ingenieuren besonders hoch. Mit dem steigenden Bildungsniveau fehlen dem Land zunehmend auch Arbeiter im Niedriglohnsektor. Das Forschungsinstitut IPEA prognostiziert dementsprechend einen Mangel an einfachen Arbeitskräften.

 

Starker Anstieg der Löhne und Gehälter

 

Im Januar 2014 wurde der monatliche Mindestlohn (salário mínimo) von 678 brasilianischen Real (R$; etwa 271 Euro; 1R$ = rund 0,40 Euro) auf 724 R$ heraufgesetzt. Die bundesstaatlichen und gewerkschaftlichen Mindestlöhne liegen stets etwas höher.

In vielen Regionen ist die Arbeitsnachfrage jedoch so hoch, dass selbst ungelernte und unerfahrene Arbeitskräfte nicht mehr zum Mindestlohn eingestellt werden. Mit Bildungsniveau, Berufserfahrung und Verantwortungsbereich steigt die Entlohnung qualifizierter Fachkräfte auf Höhen, die teilweise westeuropäische Lohnzahlungen übertreffen.

Dies gilt insbesondere für Führungspositionen. Weltweit bieten sich Topmanagern nirgendwo so hohe Prämien wie in Brasilien.

Allerdings wurde 2012 und 2013 nur ein relativ geringer Teil der kurzfristigen Prämien tatsächlich ausgezahlt. Aufgrund des geringen Wirtschaftswachstums wurden die Unternehmensziele in den Jahren 2011 und 2012 meist nicht erreicht.

Der jährlichen Erhebung der Hay Group zufolge leisteten 2013 weniger als 40 Prozent der befragten Unternehmen die vollständigen Bonuszahlungen.

Dennoch stieg wegen der Erhöhung von Grundgehalt und von langfristigen Prämien das Jahreseinkommen der brasilianischen Manager und Direktoren erneut an. Laut Hay Group besteht mittlerweile eine Tendenz zur Anwerbung von europäischen Führungskräften.

Die Erdölförderung sorgt für einen Boom in den Küstenstädten des Bundesstaats Rio de Janeiro und heizt den lokalen Arbeitsmarkt an. Mit der Versteigerung der Förderlizenzen für das Bohrfeld Libra wurde im Oktober 2013 die Voraussetzung für eine auch zukünftig stark steigende Nachfrage nach Fachkräften des Bereichs Erdöl und Erdgas sowie anderer Branchen wie Bauwirtschaft und Logistik geschaffen.

Wertvolle Ratschläge zum Thema Rekrutierung bietet die Publikation "Qualifizierte Arbeitskräfte in Brasilien 2013/2014 - Praxisratgeber zur Rekrutierung von Mitarbeitern" der Deutsch-Brasilianischen Industrie- und Handelskammer São Paulo.

 

Hinweis:

 

Dieser Artikel wurde stark gekürzt. Die Vollversion der "Lohn- und Lohnnebenkosten - Brasilien" mit Informationen unter anderem zum Arbeitsrecht sowie zu Kontaktanschriften ist nach einer kurzen, kostenlosen Registrierung auf der Internetseite von Germany Trade and Invest GTAI gebührenfrei abrufbar.


Quelle: GTAI Germany Trade and Invest, Länder.Märkte.Chancen. Die GTAI Online-News, Ausgabe 03.02.2014